Herz aus Schnee

 

„Auf der Suche nach Peter Pan“ beschreibt die Geschichte des Schriftstellers Melvin Woodworth, der in der Schweiz die große Inspiration sucht. Im Laufe der Erzählung entwickelt sich das Comicalbum von Bernard Cosandey zu einer Aufarbeitung einer Familiengeschichte und der Liebe. In Zeiten verteuerter Ressourcen, globalen Krisen und fehlendem politischen Vertrauen wirkt der Comic wie eine wahr gewordene Fantasie.

Wie alle Schriftsteller ist Melvin Woodworth darum bemüht, berührende Momente in künstlerischer Vollendung festzuhalten. Doch sein Verleger drängt ihn, den neuen Roman endlich zu veröffentlichen. Melvin zögert, er hat seine erhoffte Inspiration noch nicht vollends erreicht, denn während seines Abenteuers in der Schweizer Bergwelt verarbeitet er auch den Todesfall seines Bruders. Dieser hielt sich bis zu seinem Ableben ebenfalls in dem Dorf Ardolaz auf – die Reise in das Wallis wird aus diesem Grund zur Aufarbeitung der eigenen Familiengeschichte. Woodworth findet zusätzlich etwas, das sein inneres Vakuum durchbricht: Die Liebe.

Doch nachdem die weiße Landschaft des Kantons ein spürbares Eigenleben entwickelt, droht ein Gletscher die Bewohner des Dorfes Ardolaz unter sich zu begraben…

Selbstfindung und empathisches Porträt eines Reisenden
„Auf der Suche nach Peter Pan“ ist eine ruhige und besonnene Erzählung, eine Fingerübung in idyllischer Träumerei. Cosey navigiert den Leser gekonnt durch liebevoll gestaltete Panels, Schnee, Schluchten und Abhänge. Seine Vorliebe für das Faszinosum Alpenwelt steht hier im Vordergrund. Das Bergdorf ist ein Soziotop, in dem die Einwohner noch eine funktionierende Gemeinschaft bilden. Passend dazu sind Coseys nostalgische Zeichnungen sorgfältig angeordneten und bestechen ohne Hast. Splashpages und Action finden ebenfalls keine Verwendung.

Die Romanfigur von J.M. Barrie Peter Pan hat in dieser Erzählung reinen Symbolcharakter. Cosey benutzt die literarische Figur um das Sinnbild nach einem sorglosen Leben zu verdeutlichen. Schließlich steht der niemals alternde Junge aus dem verwunschenen Nimmerland für Jugendhaftigkeit, Unverdorbenheit und Unschuld. Weiters bietet „Auf der Suche nach Peter Pan“ eine psychologische Selbstreflexion über Fragen von Nähe, die Schwierigkeiten des Alltags und des Kreativseins, sowie von Isolation und der beherrschenden Einsamkeit des Menschen. Auch das Festhalten an Grundsätzen, ungeachtet aller aufkeimenden Bedrohungen, nimmt einen wesentlichen Teil der Erzählung ein – Cosey beschreibt Melvin Woodworth als romantischen Idealisten.

Das Comicalbum verdeutlicht ein Dilemma, das ein undefinierter Raum zwischen Verantwortungsgefühl und Freiheitsdrang erzeugen kann. Zuletzt erhält sogar der Einbruch des Unerklärlichen Einzug: Melvin vernimmt aus dem inzwischen geschlossenen Hotel, in dem sein Bruder früher als Pianist arbeitete, Klaviersonaten. Einbildung oder Wirklichkeit?

Coseys Werk wird sicherlich nicht jeden ansprechen, denn dem Plot mangelt es an einigen Stellen an Melodramatik. Trotzdem: Die Qualität des Albums ist weder abzuerkennen noch zu leugnen.

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Foto: http://www.cross-cult.de/