Unklare Aussichten

 

Roland Deschain, der letzte Revolvermann auf Erden, befindet sich dank kreativer Autoren weiterhin auf seiner rastlosen Suche nach dem dunklen Turm – einem ominösen Gebäude mit gottgleicher Präsenz. Dieser Turm ist Dreh- und Angelpunkt der Ereignisse der Comicserie „der dunkle Turm“, die dem geistigen Gut von Stephen King entspringt.

Dreißig Jahre hat es gedauert bis Stephen King, Horror-Schriftsteller an vorderster Front, den siebenbändigen Zyklus um den dunklen Turm fertiggestellt hat. Wie schon die Buchreihe, die in Fankreisen Kultstatus genießt, deckt auch die vom Marvel-Verlag ins Leben gerufene Comicserie alle erdenklichen Stile ab. Über Horror und Science-Fiction bis zu Religion und Okkultismus – alle Richtungen sind geschickt miteinander verwoben, selbst die einen oder anderen Satzbausteine aus dem Western-Genre sind vertreten. Das Setting ist endzeitlich und düster. Unklar bleibt aber, was die Welt, wie wir sie kennen, auseinandergerissen und in eine wüstenähnliche Landschaft verwandelt hat. Auch die Frage, ob die Handlung in der Zukunft oder doch Vergangenheit stattfindet, ist nicht klar zu beantworten.

All along the watchtower
Im ersten, siebenteiligen Zyklus „The Gunslinger Born“ beschließt der mitten in der Ausbildung steckende Roland Deschain, in dem königliches Blut fließt, seinen Meister und Mentor Cortland Andrus herauszufordern. Roland gewinnt und darf die Waffen seines Vaters, zwei Revolver, bei sich tragen. Ab diesem Zeitpunkt wird der Junge zum Mann und seine abenteuerliche Reise zum dunklen Turm nimmt ihren Anfang.

Die Konstellation der Fantasy-Mär ist von Anfang an klar: Roland ist der jugendliche Rebell, der in die Fußstampfen seines legendären Vaters treten muss, um sein Schicksal zu erfüllen. Dabei hat er einen ebenso fest zugewiesenen Platz wie sein arglistiger Widersacher, der Teufel höchstpersönlich, der ihm öfters in die Quere kommt und seine Pläne vereiteln will.

Eine Tragödie shakespeareschen Ausmaßes findet sich schon am Ende des ersten Bandes, in dem Susan Delgado, Rolands große Liebe, ums Leben kommt. Roland steht vor einem Scherbenhaufen, der ihn aus der Bahn wirft. Sein desillusionierter Zustand und seine Trauer führen ihn im zweiten Band „Der lange Heimweg“ in den Bann der Pampelmuse, einer mystische Kugel, die von seinen Mitstreitern aufgelesen wurde und voll negativer Energien steckt. Die Kugel entfacht in Roland fürchterliche Alpträume und Halluzinationen – und konfrontiert auch die Leser der Serie mit inneren Ängsten und Schockmomenten.

„Der dunkle Turm“ führt seine Leserschaft konstant auf unbeständigen, brüchigen Boden und verweigert ihr klare Aussichten – worin sich auch der größten Reiz der Serie findet. Autor Peter David erweiterte, unter Aufsicht von Stephen King, die Geschichte um neue Facetten. Beeindruckend ist das meist großformatige Artwork von Jae Lee, dessen Zeichnungen, untermalt von fantastisch leuchtenden Farben, großartig aussehen. In den USA ist die Serie wegen des großen Erfolgs noch nicht beendet. Die deutsche Ausgabe von „der dunkle Turm“ erscheint bei Heyne.

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Fotos: Heyne (Marvel)