Sieben Fragmente einer Chronologie des Zufalls

 

subtext.at ist seit genau einer Woche online und die Wirtschaftskrise war so freundlich, ihren Geburtstag gemeinsam mit junQ.at zu feiern. Zeit für einen an Objektivität kaum zu überbietenden Rückblick.

87% der die Server weltweit verstopfenden Blogs basieren auf der abstrusen Annahme, irgendwer würde sich irgendwie für das Geschehen im Leben des jeweiligen Autors oder der jeweiligen Autorin interessieren. Was gibt es da Schöneres, als selbst einen Beitrag zu diesem Buchstabenfriedhof der Unerheblichkeiten zu leisten.Mittwoch, 09.09., 19:19h bzw. 19:49h, ein Schreibtisch in Linz
subtext.at steht am Anfang, die Mitwirkenden sind am Ende. Ein allen Erkenntnissen guter Orthographie spottender erster Eintrag ziert die noch leere Startseite; alle Leute, die daran etwas ändern könnten, befinden sich in einem komatösen Zustand.

Donnerstag, 10.09.
Ein mutiger Arthur Einöder von FM4 lässt sich von der Unvollständigkeit unseres Webauftritts nicht beirren und erkundigt sich, ob wir am Samstag Zeit für ein kurzes Live-Gespräch in „FM4 Connected“ hätten. Ein „Nein“ kommt mir eigenartigerweise nicht über die Lippen.

Samstag, 12.09., 13:20h, Landesstudio Oberösterreich
„Bei diesen Mikrofonen bekommt man alles mit.“ Der Satz des freundlichen Technikers sitzt; behutsam lasse ich den Kugelschreiber, der gerade Opfer einer meiner neurotischen Klick-Orgie wurde, auf den gepolsterten Tisch sinken. Daniel und ich haben mittlerweile im Landesstudio Oberösterreich Platz genommen und warten auf unsere Live-Schaltung nach Wien; vor uns fein säuberlich ausgebreitet Unterlagen, mit denen wir jeden dreitägigen Talk-Marathon inklusive Call-Ins aus dem Bundeskanzleramt und mindestens einem Uplink zum Mond problemlos bestreiten könnten.

Die Zeit bis zur Live-Schaltung verbringen wir mit Wasserkonsum auf Kosten der Gebührenzahler, plötzlich ein Rauschen, dann eine verzerrte Stimme, anschließend wieder Rauschen. Fasziniert von der Qualität der Verbindung und den technischen Möglichkeiten des ORFs im Jahr 2009 lauschen wir gebannt der netten Stimme, die uns beizubringen versucht, wir seien in einigen Minuten auf Sendung.

Samstag, 12.09., 14:01h, Landesstudio Oberösterreich
Das junQ.at Geburtstagsfest startet in wenigen Stunden – und bietet ausreichend Ablenkung vor der nach einem Radio-Interview beinahe obligatorischen „Was hätte ich stattdessen sagen sollen?“ Selbstzerfleischung. Dem ersten Anrufer, der behauptet, das Gespräch wäre in Ordnung gewesen, schenken wir noch keinen Glauben.

Samstag, 12.09., 23:59h, Stadtwerkstatt Linz
Alle junQ.at Geburtstags-Qlash Mitverantwortlichen grinsen angesichts der Menschenmassen, die Stadtwerkstatt belagern, wie Honigkuchenpferde auf Zuckersirup. Um sicher zu gehen, nicht Opfer der eigenen Einbildung zu werden, banne ich das fröhlich vor sich hinfeiernde Partyvolk auf digitales Zelluloid.

Sonntag, 13.09., 14:10h, Stadtwerkstatt Linz
Bewaffnet mit schwarzen Müllsäcken und in der Farbgebung ähnlichen Augenringen betreten wir genau sieben Stunden nach Ende der Feierlichkeiten erneut die geheiligten Hallen der Linzer Subkultur. Das rutschige Bier/Schweiß Gemisch, welches um 07:00h noch im Konzertsaal herumschwappte, führt mittlerweile eine Existenz als Superkleber und erschwert die Reinigungsarbeiten um einige Faktoren der Gravitationskonstante. Kommentare wie „Hey, hat hier jemand die Schwerkraft raufgedreht?“ machen die Runde, in unserem Zustand lachen wir sogar über solche Witze.

Mittwoch, 16.09., 16:46h, ein Schreibtisch in Linz
Die Erkenntnis, dass der Start ins zweite Jahr schöner kaum hätte ausfallen können, veranlasst mich zu einem Blogeintrag und zu diesem innovativen Texteende. Auch der Akku meines Thinkpads findet Gefallen an der Vorstellung einer endlichen Existenz und verabschiedet sich ins Nirvana der Funktionslosigkeit. Genervt mache ich mich an die den Text begleitende Fotomontage und leere den längst kalt gewordenen Kaffee aus dem Pott neben mir. Mein Blick fällt dabei auf die von einem dezenten Kaffeefleck geschmückte Haneke DVD, auf der meine Tasse die letzten Stunden ruhte. Der Titel des Films gefällt mir.