„Ich will nicht verhungern“

 

Stefan Abermann, der Gewinner des Ö-Slam 2008, wird kommenden Freitag und Samstag versuchen, seinen Titel als österreichischer Poetry Slam Meister zu verteidigen. subtext.at traf ihn bei Leberkässemmel und Bier und sprach mit ihm über Geldgier, Schnapsverkostungen und seinen Wunsch nicht zu verhungern.subtext.at: Wie hat es bei dir begonnen? Wie bist du zum Slamen gekommen?
Das ist eine ganz schlimme Frage, weil es drauf eine böse Anwort gibt: Es war die reine Geldgier. 2003 gab es einen Slam, der einmalig 100 Euro als Preisgeld ausgeschrieben hatte. Ich habe davon aus der Zeitung erfahren und wollte das Geld gewinnen, ohne jemals bei einem Slam gewesen zu sein. Das hat zu einem unheimlichen Desaster geführt, so schlecht ist es mir auf der Bühne selten wieder gegangen. Aber ich bin dann jedes Monat wieder hingegangen und habe über die Jahre versucht ins Finale zu kommen.

subtext.at: War das schon die schlimmste Erfahrung, die du gemacht hast, oder gibt es Dinge, die dir negativer in Erinnerung geblieben sind?
Was die Bühnenperformance angeht, war das sicher eine der schlimmsten Erfahrungen, die ich gemacht habe. Es gab aber Veranstaltungen, bei denen das Rahmenprogramm für einige Diskussionen gesorgt hat.

subtext.at: Zum Beispiel?
Ich war bei einem Slam in einem Tiroler Tourismusort und die Veranstaltung war begleitet von einer Schnapsverkostung, die einigermaßen sexistisch abgelaufen ist. Es war ein komisches Gefühl, auf der Bühne zu stehen und zu performen und dabei Leute zu beobachten, die kniend aus einer Wurzel Schnaps saugen. (lacht)

subtext.at: Was sind deiner Meinung nach die Voraussetzungen für jemanden der sagt: „Ich möchte mich mit dem Slammen auseinandersetzen“?
Naja, den Zugang zu einem Slam zu haben. Die meisten Slams in Österreich haben keine Einstiegsbarrieren, im Normalfall kann man einfach hingehen zu sagen: „Ich bin da!“ und seinen Namen auf die Liste zu schreiben. Ansonsten gibt es keine wirklichen Voraussetzungen, man muss sich trauen und das Gefühl haben, dass man mit seinen Texten „raus“ will.

subtext.at: Ist das auch der Reiz, der es ausmacht?
Ja natürlich, aber das ist der Reiz für jeden Schreibenden. Der zusätzliche Kick besteht darin das auf einer Bühne zu machen und eine Sofortbewertung zu bekommen.

subtext.at: Wie man beispielsweise auch auf Youtube sehen kann, slamst du über unterschiedlichste Themen. Woher nimmst du deine Inspiration?
Das ist die tödliche Frage die man immer gestellt bekommt. In meinem Fall ist es so, dass ich meist eine bestimmte Pointe im Kopf habe oder einen Ausgangspunkt aus dem täglichen Leben, wenn ich zum Beispiel auf irgendwelchen Seiten im Internet surfe und dann habe ich diesen Kern. Wenn ich dann Texte schreibe, nehme ich meinen Ordner, wo meine Sätze und Ideen drinnen stehen und dann beginne ich die Texte zu bauen. Aus einer von zehn Ideen kommt dann ein Text heraus, entweder es kommt oder es kommt nicht.

subtext.at: Was würdest du als deinen größten Erfolg bezeichnen?
Was das Slammen angeht, der Gewinn des Ö-Slam letztes Jahr. Wobei man sagen muss, der erste Gewinn eines „normalen“ Slams in Innsbruck hat mir viel bedeutet, das war cool. Ich habe es vier Jahre nicht geschafft dort ins Finale zu kommen und dann habe ich einmal gewonnen, das war der Endorphinschub schlechthin.

subtext.at: Du hast erwähnt, dass du wegen 100 Euro bei einem Slam angetreten bist. Kann man daraus schließen, dass slammen eine brotlose Kunst ist?
Die Szene ist zwar größer geworden, aber wegen Geld macht man das nicht. Es ist zwar cool, wenn man ein wenig Geld verdienen kann, und durch Workshops ist auch mehr möglich. Mittlerweile geht es mir auch nicht mehr ums Geld (lacht), für mich heißt slammen jetzt einen Haufen Freunde in ganz Österreich zu haben.

subtext.at: Wie groß ist der Kreis der Slammer und Slammerinnen österreichweit?

Beim diesjährigen Slam sind 25 Slammer und Slammerinnen dabei, außerdem sind auch alle Moderatoren auch aktiv. Dann gibt es noch viele, die sich ausprobieren und dann nicht mehr kommen und welche, die gerne würden, aber noch zu jung sind. Eine Zahl kann ich nicht angeben, aber in den letzten Jahren ist die Szene sprunghaft gewachsen.

subtext.at: Gibt es ein Klischee, das den typischen Slammer beschreibt?
Es ist nicht nur ein Vorurteil, sondern auch ein Problem: es sind ziemlich viele Männer. Wenn man ein böses Klischee hernehmen möchte, dann würde ich sagen: „Es sind lauter bühnengeile Böcke“ (lacht). Ich glaube aber es müsste nicht so sein, ich bin auch nicht für die Bühne geboren, so etwas muss ja nicht geschlechtsspezifisch sein und ich denke, dass sich Frauen durchaus interessieren lassen. Es gibt ja eine gewissen Nähe zur Schauspielerei und ich hätte noch nie gehört, dass Schauspielen etwas Männerspezifisches ist.

subtext.at: Tut die Szene etwas dafür, dass mehr Frauen aktiv werden?
Es wird etwas getan um mehr junge Leute anzusprechen, man ist in Kontakt mit Schulen um Workshops anzubieten. Ich habe das Gefühl, dass Frauen weniger wiederkommen. Das ist Grundlage für viele hitzige Diskussionen, weil man nicht genau festmachen kann, woran das liegt. Es würden alle gerne was tun, wenn man genau wüsste, wo das Problem liegt.

subtext.at: Wer sind die Personen, die die österreichische Szene vorantreiben?
Ein großer Teil der Entwicklung ist auf einen relativ kleinen Personenkreis zurückzuführen, das sind zum Beispiel Markus Köhle, Mieze Medusa und die Linzer Gruppe, die jetzt den Ö-Slam ausrichtet. Ich denke diese Personen sollten in jedem Interview über die österreichische Szene erwähnt sein, weil sie extrem viel getan haben, versuchen, für ein Communityfeeling in Österreich zu sorgen und Aufträge, die sie bekommen, an andere weitergeben. Sie sind die, die als Kern fungieren und das ist extrem wichtig.

subtext.at: Du hast ja den Ö-Slam 2008 gewonnen. Bringt der Gewinn auch über die Grenzen Österreichs hinaus Reputation oder ist das eine eher nationale Angelegenheit?

In der Slam-Szene hat das auf jeden Fall etwas gebracht, vor allem im deutschsprachigen Raum ist der Ö-Slam ein starkes Lebenszeichen aus Österreich. Die österreichische Szene ist lange Zeit etwas „von oben herab“ gesehen worden. Es ist im Nachhinein auch schwierig, wenn man als Ö-Slam Gewinner anmoderiert wird und Vorschusslorbeeren vom Publikum erhält, denen man erst gerecht werden muss.

subtext.at: Auf deiner Homepage kann man von deiner Initiative „Text ohne Reiter“ lesen. Was ist das genau und warum hast du dich engagiert?
„Text ohne Reiter“ ist eine Lesebühne, ein Konzept, das wir uns ein wenig aus Deutschland abgeschaut haben. Die Leute die dort mitmachen kommen auch aus dem Slam-Umfeld. Wir sind im Kern vier Leute, die einmal im Monat neue Texte präsentieren, die im Wesentlichen auch Slam-Länge haben, aber es gibt keine Einschränkungen. Die Stoßrichtung ist ähnlich wie beim Slammen, wir wollen Literatur in einem Umfeld präsentieren das zugänglich ist. Mittlerweile gibt es ein solches Konzept auch in Linz, hier heißt es „text and the city“, in Wien gibt es „Dogma. Chronik. Arschtritt“. Das Format hat, ebenso wie der Slam, einen hohen Unterhaltungswert, kommt aber ohne den Wettbewerbscharakter aus, was manchmal nicht schlecht ist. Man kann Requisiten einbauen, Musik verwenden oder Hebefiguren machen (lacht). Es ist eine lustige Spielwiese.

subtext.at: Was sind deine Wünsche für die Zukunft?
Ich hoffe, dass es so weitergeht. Es ist schon ein unheimliches Privileg, mit dem was mir Spaß macht, eben dem Texte-Schreiben, so viel herumzukommen und gute Leute kennenzulernen. Und ein ganz wichtiger Wunsch: ich möchte nicht verhungern (lacht).

subtext.at: Wo können sich Interessierte informieren?
Für den gesamten deutschsprachigen Raum gibt es www.myslam.de, für Österreich ist der Verein Textstrom sicher interessant, die Website des Ö-Slam hält auch jede Menge Informationen bereit. Im Normalfall lohnt sich am ehesten ein Blick in das aktuelle Stadtblatt, um zu sehen, ob irgendetwas in der Nähe stattfindet.

Webtipps & Links:

Foto: Oliver Lukesch