Zwischen Ambition und Arbeitslosigkeit

 

Linz, Lentos Kunstmuseum, Modezone 09. Hippe Menschen so weit das Auge reicht, für gewöhnlich kein Ort, um mit einem engagierten Sozialprojekt in Berührung zu kommen. Beinahe etwas versteckt im Hintergrund: ein kleiner Stand mit bunten Taschen, Produkten der Linzer Produktionsschule „Factory“. Ein Einblick.>> zur Fotostrecke „Zwischen Ambition und Arbeitslosigkeit“

Der Begriff „geschützte Werkstätte“ ist bei der der Produktionsschule nach dänischem Vorbild fehl am Platz. „Bei uns geht’s nicht darum, mit den Jugendlichen nur ein Beschäftigungsprogramm durchzuziehen. Wir geben ihnen die Möglichkeit, produktiv zu sein und sich sinnvoll zu betätigen – ähnlich wie es draußen am Arbeitsmarkt auch verlangt wird“, so Rainer Lenzenweger, Strickpulloverträger, Philantrop und Vollblutpädagoge. Er ist bei der Factory Linz zuständig für die Aufnahme der Schüler, nebenbei bekleidet er den Posten des Betriebsratsvorsitzenden.

Einer sinnvollen Tätigkeit nachzugehen ist wichtig für die jungen Erwachsenen der Produktionsschule. Die Jugendlichen im Alter von 15 bis 25 Jahren, die bei dem Projekt für maximal ein Jahr in den Genuss eine Ausbildung kommen, werden direkt vom Arbeitsmarktservice vermittelt. Für einige ist es die letzte Chance vor Arbeitslosigkeit oder dem Dahinvegetieren in AMS Kursen, deren Zweck, selbst für die Kursleiter, manchmal nicht ersichtlich ist. „Wir möchten, dass die Jugendlichen freiwillig zu uns kommen“, so Lenzenweger weiter, „und nicht als Zwangsmaßnahme – beispielsweise wenn sie vom AMS hergeschickt werden und ihnen sonst der Bezug gestrichen wird.“

Dinge, die man gut verwenden kann
In sechs Werkstätten werden den Jugendlichen Fähigkeiten und Wissen aus den unterschiedlichsten Bereichen vermittelt. Das Angebot beschränkt sich dabei keineswegs auf klassische Metall- und Holzarbeiten – Photoshop-Retusche und Video-Postproduktion sind in der Factory keine Fremdwörter. Den Computersaal ziert ein weißer Delphin, ein Überbleibsel der Kreaturen der letzten Linzer Klangwolke, ein Symbol für die Vielseitigkeit der Factory. „Wir können keine Lehre im klassischen Sinne anbieten – aber es geht darum, Grundprinzipien des Arbeitslebens kennen zu lernen. Ob das jetzt die Zusammenarbeit mit Anderen, das Einhalten von Terminen oder das Erreichen einer bestimmten Qualität ist – das ist in allen Bereichen notwendig, diese Dinge kann man nachher sicher ganz gut verwenden.“

Neben temporären Verkaufsflächen wie der Modezone oder Adventmärkten sind die Erzeugnisse der Jugendlichen auch im Online-Shop der Factory zu erstehen. „Wir wollen eine Qualität anbieten, die marktfähig ist! Das ist nicht die Bastelei von irgendwelchen bemühten Menschen, sondern das hat etwas! Das könnte man in jedem Geschäft verkaufen.“

Faire Weiterentwicklung
Finanziert wird die Einrichtung zu 51% vom Land Oberösterreich Wirtschafts-Ressort und zu 49% vom Arbeitsmarktservice. Das Magistrat Linz ist ein Kooperationspartner des Muttervereins VSG (Verein für Sozialprävention und Gemeinwesenarbeit) und stellt das Gebäude günstig zur Verfügung, wirklich zufrieden mit der Situation ist man bei der Factory allerdings nicht: “Wir haben momentan acht verschiedene Einrichtungen und sind ein wachsender Verein, es kommen immer wieder neue Betätigungsfelder dazu. Speziell hier bei der Produktionsschule merkt man einfach, dass wir Platzprobleme haben, dass wir ein neues Gebäude brauchen, weil wir uns sonst nicht mehr weiterentwickeln können.“

Zwei Jahre nach der VSG Produktionsschule in Linz wurde eine ähnliche Einrichtung in Steyr gegründet, auch Mattighofen und Wels verfügen mittlerweile über Produktionsschulen. Allerdings: „Die sind alle vom BFI gegründet worden“, so Lenzenweger, „das wird nicht offiziell ausgeschrieben. Das geht über die Schiene Soziallandesrat: Rot, BFI: Rot – da wird dann dementsprechend zusammengearbeitet“. Auf die Frage, ob die Vergabe offener gestaltet werden sollte, antwortet er: „Ich fände es fair. Da geht es ja auch um Steuergelder.“

Gefährliches Abstellgleis
Unzufriedenheit herrscht auch über den Umgang mit Jugendarbeitslosigkeit. Die Wirtschaftskrise manifestiert sich in einem Mangel an Lehrstellen, die Vermittlungsquote der Factory sinkt heuer voraussichtlich um 5%. Besonders schwierig ist die Situation für Jugendliche unter 16 Jahren, für die aus verschiedensten Gründen eine Lehre nicht in Frage kommt. „Heute werden diese Jugendlichen aufs Abstellgleis geschoben, werden in irgendwelchen Kursen geparkt und bekommen von der Gesellschaft vermittelt: werdets einmal 18, machts den Führerschein, machts den Staplerschein, dann brauchen wir euch – vorher seid ihr für uns nicht relevant“, so Lenzenweger, „Ich glaube, das ist ein ganz ein gefährliches Potential, das da in der Gesellschaft schlummert.“

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Foto: Oliver Lukesch