Die Hoffnung strippt zuletzt

 

Nacktscanner? Ja bitte! Denn es gibt bedeutendere Themen, an denen die Wogen der öffentlichen Meinung branden sollten.Letzten Dienstag durfte es sich EU-Anti-Terror-Beauftragten Gilles de Kerchove in der ZIB2 gemütlich machen und über seine Ansichten zur „Wahrung der körperlichen Unversehrtheit“ (=Schutz vor Terror) schwadronieren. Seine Thesen will ich an dieser Stelle nicht kommentieren, woran die ZIB2 Story aufgehängt war hingegen schon: Nacktscanner.

Die Debatte nagt gehörig an meiner Substanz. Was interessiert es mich, wenn sich Sicherheitsbeamte in Anbetracht meiner Speckschwarten fröhlich einen vom Schlagstock wedeln oder mit meiner beachtlichen Sammlung an Muttermalen Formenraten spielen? Was gibt mein Körper mehr preis, als Informationen darüber, mit welcher Frequenz ich meinen Drahtesel drangsaliere oder an den Bio-Vollkornnudeln vorbei zur Tiefkühlpizza greife? Und was könnte mir mehr egal sein, als der Einfluss dieser lächerlichen Ansammlung von Daten auf mein Leben?

Maximal meine Krankengeschichte lässt sich anhand der monochromen Bildchen stellenweise nachvollziehen – und selbst da vertraue ich blind der Diskretion jener ein oder zwei armen Seelen, die mein Fleisch bestaunen müssen. Denn mehr Leute werden diese Bildchen vermutlich nie zu Gesicht bekommen.

Ünnötig und überkommen
Hinsichtlich etwaiger gesundheitlicher Konsequenzen und der Frage, ob die Spielereien überhaupt in der Lage sind, ihren Dienst zu versehen, mag die Debatte durchaus ihre Berechtigung haben. In Relation zu den Themen, die auf (m)ein Leben tatsächlich Einfluss haben, wirkt die gesamte Kontroverse allerdings so unnötig wie die berühmte und von Nacktscannern sicherlich zuverlässig erfassbare dritte Titte. Vorratsdatenspeicherung, Passagierdatenabgleich, digitaler Fingerabdruck, Data Mining – so sollten die Schlagworte lauten, die zu alkoholgeschwängerten Debatten am Stammtisch oder angeregten Wortgefechten im Pausenhof führen müssten. Aber bitte nicht Nacktscanner.

Bei der gesamten Diskussion handelt es sich um nichts weiter als die Manifestation einer überkommenen bürgerlichen Moral, die auch in jedem noch so engstirnigem Kopf einen Abwehrreflex auf dem Niveau eines Kleinkinds hervorruft. Nacktheit, Genitalien, Pädophilie, Krankheit, Sex – Allgemeinplätze, wie sie ein gefundeneres Fressen für die Informations- und Medienindustrie nicht sein könnten. Für diese gibt es nichts Schöneres, als auf einer rein emotionalen Ebene zu produzieren, zu argumentieren und letztendlich auch zu kampangnisieren – Mechanismen, an denen sich auch dieser Text zu bedienen versucht.

Und die Nacktscanner-Debatte als Vehikel, um das Thema Datenschutz doch noch in unseren von Facebook und Co. entkernten Köpfen zu verankern? Schwachsinn – sobald die Sache gegessen ist, lockt die Problematik vermutlich keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervor. Aber wer weiß. Die Hoffnung strippt zuletzt.

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