Garish: „Man wird viel zu lange belächelt“

 

„Wenn dir das meine Liebe nicht beweist“ – so der Titel des aktuellen Albums von Garish. subtext.at bat Sänger Thomas Jarmer und Gitarrist Christoph Jarmer zum Interview über die Rolle der Medien in der Entwicklung von Bands, Konzerte mit Zugaben für sich selbst und die Probleme, die mit dem Gewinn eines Amadeus-Awards auftreten würden.subtext.at: Nach all den Jahren – könnt ihr euch eigentlich selbst noch hören?
Thomas:
Naja, beim Spielen ist es ja mehr ein aufeinander Hören. Zur Zeit macht es uns auf Tour noch Spaß, wobei man sagen muss, dass es den Punkt, wo es einem „am Socken“ geht, bei uns nicht gibt. Wenn du meinst, ob das nach all den Jahren noch ertragbar ist, uns gegenseitig auf der Bühne zu sehen und zu hören, dann darf ich das auch mit einem herzlichen „Ja, wir ertragen es noch immer“ beantworten.subtext.at: Gäbe es einen Point of no return, wo das Projekt Garish Geschichte wäre?
Christoph: Ich glaube, dass es wichtig, ist, dass wir in unserer Geschichte noch nie eine andere Bandbesetzung gehabt haben. Das könnte vielleicht ein Grund sein, dass, wenn einer von uns fünf – aus welchen Gründen auch immer, ausscheiden würde. Aber darüber hab ich mir wirklich keine Gedanken gemacht, da wir jetzt nicht die großen Ziele haben und wenn solche Sachen aufkommen, dann hat es ja eh keinen Sinn mehr.

subtext.at: Ihr werdet wahrscheinlich in fast jedem Interview auf den Amadeus-Award angesprochen. Wenn ihr den mal einheimsen würdet, wo würde er sein Plätzchen bekommen? Bei Texta beispielsweise ist er am Klo gelandet.
Thomas:
Das Klo ist ja mittlerweile schon so was wie ein Klassiker. Wir haben nur ein Problem – wir haben kein Klo im Proberaum, insofern wird das schwierig. Einen speziellen Platz wird es nicht geben – wir werden also keinen Schrein bauen oder Vitrinen zusammenbasteln. Der Amadeus ist…
Christoph: Eine schirche Skulptur.
Thomas: Nein, neuerdings geht das – der schaut jetzt aus wie ein Lautsprecher, also ganz ok. Aber zurück: Der Award ist kein wirkliches Kriterium für uns. Alles schön und gut, und eine gewisse Eitelkeit für eine gewisse Zeit ist ganz nett, aber wirklich „wichtig“ ist er nicht.

subtext.at: Ihr habt mal gemeint, dass ihr schon vor der Entwicklung der Indie-“Szene“ aktiv wart. Seht ihr euch da als Pioniere dieser Szene, oder ist die Entwicklung einfach kontinuierlich verlaufen?
Thomas:
Ich glaube nicht, dass wir die Szene aktiv mitbegründet haben. Als wir nach Wien gekommen sind, hat man gemerkt, dass man hier quasi ein „Fremdkörper“ war. Das hat sich auch relativ lang so gehalten. Geändert hat sich das meiner Meinung nach erst dann, als dann zwischen Bands Freundschaften entstanden sind und die Labellandschaft größer geworden ist. Mittlerweile ist es so, dass sich die Bands keinen Platz mehr streitig machen – was sie auch nicht müssen. Es ist ja auch lächerlich zu glauben, mann müsse anderen den Rang und ein Publikum ablaufen.

subtext.at: Nervt es euch eigentlich, ständig auf Ja, Panik angesprochen zu werden?
Thomas: Das, was mit Ja, Panik gerade passiert, war in gewisser Weise eh schon lang überfällig. In Österreich ist es leider so, dass man als Band dieser Art viel zu lange in den Medien – in der Radiolandschaft und auch in Printmedien – viel zu lang belächelt und als Möchtegern-Combo hingestellt. Auch wir haben das zu einem gewissen Grad hinter uns, dass wir uns den Platz erst mal erspielen muss.

subtext.at: Du hast die Rolle der Medien gerade schon angeschnitten. Wie sehr nehmt ihr euch Kritiken in den Medien heute noch zu Herzen?
Christoph:
Dadurch, dass wir eigentlich durchwegs sehr gute Kritiken gekriegt haben, ist es nicht so schlimm. Es sind sicher ein paar Spezialisten dabei, wo man dann schon im Vorhinein weiß, was wie geschrieben wird. Es klingt vielleicht ein bisschen überheblich, aber im Endeffekt ist das eigentlich komplett uninteressant. Es ist natürlich besser, schlechte Kritik zu bekommen, als gar keine oder diese neutrale „Ja-eh-ganz-nett“-Meldungen. Da ist es mir lieber, wenn Leute dann wirklich anecken.
Thomas: Das hat aber mittlerweile auch schon einen gewissen Unterhaltungswert, weil man sich an gewissen Themen schon immer aufhängt. Ich finde zum Beispiel dieses Neusiedlersee-Thema beim Standard immer ganz amüsant, und auch der Falter ist nicht immer ganz wortkartg, wenns um so klassische Elemente geht, die dann immer vorgeworfen kommen.
Christoph: Das einzige, was uns manchmal nervt, sind Dinge, die vor 10 Jahren aktuell waren. Da gibt’s dann so Vergleiche wie „die Radiohead des Burgenlandes“. Wenn ich das zu der aktuellen Platte höre, frag ich mich schon, über wen da jetzt geredet wird. Mit uns hats auf jedenfalls nichts zu tun.

subtext.at: Eine beliebte Frage bei Interviews ist die nach dem besten Konzert ever. Anders gefragt: Gibt es einen speziellen Auftritt, der euch negativ in Erinnerung geblieben ist?
Christoph:
Es gibt da eins, das uns sicher immer in Erinnerung bleiben wird. Das war in Deutschland, in Lübeck, in einem Bikerschuppen namens „Rider’s Cafe“. Zwei Gäste, der erste ist nach dem ersten Lied gegangen. Der zweite hat sich stumm in eine Ecke gesetzt – wir haben da also einen komplett leeren Raum bespielt.
Thomas: Aber wir haben sogar eine Zugabe gespielt.
Christoph: Naja, so schlimm wars dann ja doch nicht, wir haben ja Spaß gehabt.
Thomas: So Konzerte, wo man über 10 Stunden für irgendeinen Kinderfasching herumkurvt und die so notwendig sind wie ein Kropf – die brauch ich auch nicht unbedingt.

subtext.at: Provokativ gefragt – was fehlt euch, um genau den selben Hype zu erleben wie Ja, Panik aktuell?
Thomas:
Sehr hypothetische Frage, weil sich das ganz schwer mit uns vergleichen lässt. Die Jungs schlagen ja auch in eine ganz andere Kerbe als wir. Und weil ich es eigentlich ein bisschen kindisch finde, Sachen und Bands untereinander zu „messen“ und Relationen dazwischen herzustellen. Das sind Rabauken mit viel Irrsin und Talent in dem, was sie machen. Wir haben da einen ganz anderen Zugang zu Musik – insofern ist das schwer zu vergleichen.
Christoph: Wir sind ja nicht in der Situation, dass wir unzufrieden mit dem sind, wie es jetzt ist.
Thomas: Den Hype als solches zu wollen halte ich für falsch. Das Schöne ist, dass es nach wie vor möglich ist, eine Platte zu machen und immer bessere Konzerte zu geben. Auch das Gefühl auf der Bühne wird immer besser. Wenn ich da an die Anfangszeit denke – wir sind da bei Gott nicht gern auf der Bühne gestanden. Also im Sinne einer Rampensau neben der anderen, die ihr Ego auf der Bühne ausleben. Insofern ist der Plafond bei uns noch nicht erreicht.

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Foto: Julia Dresch

Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.