Adele Album Cover
Cover: Columbia/Sony Music

Same same but different: ADELE und ihr Trennungsalbum „30“

Ein Album mit einer Dramaturgie, welches am Stück gehört werden möchte: Nach sechs Jahren kehrt die größte Sängerin ihrer Generation mit ihrer vierten Platte zurück, die uns mit ihrem Spannungsbogen wie keine andere an Verlust und Vergänglichkeit der Liebe teilhaben lässt. Selbst Streaming-Giganten lenken ein und lassen dafür den Shuffle-Modus eben mal links liegen.

Hat es Adele nun mit „30“ und den bisherigen drei immens erfolgreichen Veröffentlichungen „19“, „21“ und „25“ geschafft, die heilige Quadriga des Pop zu bilden? Was den weltweiten Zuspruch anbelangt, mit Sicherheit, denn dieser ist weiterhin ungebrochen. So ungebrochen, dass auf Wunsch der Britin Spotify eben mal einlenkt, prinzipiell die korrekte Reihenfolge der Songs abspielen zu lassen. Ein mit Sicherheit löblicher Schritt, unterstützt dieser doch die genaue Intention der Künstlerin. Schauen wir uns das Album jedoch genauer an, stellen wir fest, dass die Zufallswiedergabe des Materials das kleinste Problem darstellt. Beim Thema Songwriting ist die 33-Jährige bedauerlicherweise nachlässig geworden.

„30“ macht die Trennung von ihrem Ehemann Simon Konecki grundsätzlich zum zentralen Thema, die zwar längst vollzogen, aber auf Platte noch längst nicht überwunden ist. Mit der düsteren Feststellung „I’ll be taking flowers to the cemetery of my heart, for all of my lovers in the present and in the dark“ beginnt das Album. Wie geht man mit einer Trennung um? Wie kämpft man sich aus dem emotionalen Loch wieder hinauf? Es sind vor allem solche persönlichen Texte, die dem Werk die nötige Haltung geben. Es gibt auch Songs, die das Verhältnis zwischen Mutter Adele und Sohn Angelo nachzeichnen, wie die Vorabsingle „Easy On Me“, Adele durch und durch, oder den berührenden, ungewöhnlich offenen Dialog-Moment in „My Little Love“, eine angejazzte, smoothe Standortbestimmung, die Sade-Luft atmet. So viel vorweg: „30“ ist eine elegische Selbstverortung und mit dem Broken Heart als Beziehungsbewältigung kann schließlich jede Käuferschicht etwas anfangen.

© Simon Emmett

Imagewechsel

Natürlich war es ein weiter Weg. Sechs Jahre ohne neue Veröffentlichung sind in der Pop-Musikbranche eine Art Super-GAU. In der Zwischenzeit sind wir auch Zeugen eines Imagewechsels geworden. Der neue Look der Britin, vor allem ihr Gewichtsverlust, wurde und wird in den sozialen Medien und der Presse heiß diskutiert. Was hingegen den Gesang angeht, ist vieles beim Alten geblieben. Musikalisch und soundtechnisch leistet sich Adele andererseits einige Variationen. Ein hervorstehendes Merkmal: „30“ lässt sich wirklich Zeit, die Strukturen zu entfalten. Ohne ihr bisheriges Wertesystem aufzugeben, reckt und streckt sich die Sängerin in andere Richtungen. Vielleicht ist „30“ auf den ersten Blick deswegen eine Platte, die bis auf „Easy On Me“ nicht die typischen Hits abwirft. Das sorgt zwar für eine neue Tatkraft, dennoch vermisst man auf die ganz großen Momente, weil wir bislang stets mit ihnen konfrontiert wurden. „30“ wirkt fragmentarisch, nicht kohärent genug und auf weite Strecken wie ein Schauraum – schön gestaltet, aber kulissenhaft.

An vielen Stellen kommt das Album einfach nicht in die Gänge. Der Opener etwa, „Strangers By Nature“, der eigentlich nur dazu dient, die Atmosphäre des Albums vorzubereiten. „To Be Loved“ ist eine gesangliche Großtat in klaviertrunkener Trauer, wäre sie nur nicht so monoton arrangiert. Lieder wie „I Drink Wine“ oder das an sich hübsche „Woman Like Me“ und vor allem das letzte Drittel mit „Hold On“ und „Love Is A Game“, wirken fast zu sehr im Traditionellen verankert. Songs wie das von Max Martin erdachte „Can I Get It“ oder das kurzweilige „Oh My God“ kreieren demgegenüber ausdrucksstarke, lebhafte Akzente.

Fazit

Dass Adele allein durch ihrer Stimme mit der Konkurrenz den Boden wischt, hat sich über die Jahre nicht geändert. Blöd nur, wenn die passenden Hooks dazu fehlen. Selbst die Titel der Songs zeigen, dass Adele wenig Originelles eingefallen ist. Zum ersten Mal unspektakulär und doch mit Sicherheit wieder fix im Langzeitgedächtnis: Adele klebt die Stücke wie eine Collage aneinander, die nur mit Tixo zusammengehalten werden, so dass man jeden Übergang förmlich sieht. Das Material glänzt dabei weder mit besonderen Finessen noch mit großartigen Überraschungen. Ist sie inzwischen zu abgeklärt, um richtig mitreißen zu können? Adele vergeudet jedenfalls ihr Potenzial, weil sie sich nicht zwischen Anspruch und Zugänglichkeit entscheiden kann. Und wenn sie mal das Genre wechselt, ins croonende Jazzfach übersiedelt oder Motown-Flair aufgreift wie in „Cry Your Heart Out“, fragt man sich, ob dieser Schritt wirklich die Qualitäten der 33-Jährigen ins rechte Licht rücken. Wer sich an all diesen Dingen nicht stört, und das werden viele, hat mit „30“ eine Retro-Jukebox am Start, um die Wartezeit bis zur nächsten, hoffentlich besseren Platte zu überbrücken.

Adele 30 CD Cover

Tracklist „30“

01 Strangers By Nature
02 Easy On Me
03 My Little Love
04 Cry Your Heart Out
05 Oh My God
06 Can I Get It
07 I Drink Wine
08 All Night Parking (with Erroll Garner) Interlude
09 Woman Like Me
10 Hold On
11 To Be Loved
12 Love Is A Game

Mehr Infos

adele.com
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