Traurigkeit? Ein Geschenk

Einmal im Jahr ungefähr erscheint eines dieser außerordentlichen Alben, auf das viele Musikliebhaber im Nachhinein schon zu warten glaubten. Es gibt wenige Künstler, die sich auf eine bestimmte Art jenseits der gängigen Schubladen bewegen. Die Schwedin Lykke Li ist definitiv eine von ihnen.Ihr zweiter Geniestreich „Wounded Rhymes“ katapultiert sie an die Spitze und verweist ohne Mühe viele ihrer Genre-Kolleginnen auf die hinteren Plätze.

Unglaublich, wie viele tolle Acts das kleine skandinavische Land inzwischen hervorgebracht hat. Robyn stellte erst letztes Jahr unter Beweis, wie gut Pop und Electro in Kombination klingen können – ohne seicht zu sein. Wenn man das richtige Händchen dafür hat, dann klappt das schon. Lykke Li geht einen anderen Weg: Von dunkel bis hell, von bitter schmachtend bis mächtig klingend breitet „Wounded Rhymes“ seine Schwingen aus. Eine Kombination verschiedenster Einflüsse und Instrumente wird hier dargeboten. Es geht heiß her zwischen schwüler Ätherik und großem Donner.

Ein 10 Song-Parcours, mit empathisch aufgedrehtem Material, welches sich innerhalb von Tradition und Experiment bewegt. Thematisch dreht sich das Album um Intimität und Zweisamkeit. Um Liebe und deren Zerbrechlichkeit. Um ein scheinbar nie zu stillendes, utopisches Sehen nach immerwährender Erfüllung.

Nicht nur textlich, auch musikalisch hat die Platte allerhand zu bieten. Es groovt vertrackt bis exotisch, die Anflüge von Folklore und Avantgarde sind fein dosiert. Erst heizt Lykke einem mit Tribalrhythmen und Voodooklängen ein (der geniale Opener „Youth Knows No Pain“ oder die fantastische erste Singleauskopplung „Get Some“), nur um wenig später sachte in sich zusammenzufallen. Die Platte lebt von dieser Dialektik – rau und getrieben zu sein, aber auch so furchtbar verletzlich. Li pendelt zwischen ruhigen Strömungen und tobenden Wasserfällen. Deswegen verhält sich „Wounded Rhymes“ gleichzeitig wie arktische Kälte und vertraute Wärme. Wenn sie in „I Follow Rivers“, einer dunkel gefärbten Pop-Hymne, elegische Melancholie zelebriert und in „Love Out Of Lust“ komplett in eine schwermütige Klangwelt zusammensinkt, wird einem warm ums Herz.

Auf dieser Suche nach Halt und Zuversicht tritt man auf die stampfenden Trommelschläge von „Jerome“, tanzt zu den Klängen von „Rich Kids Blues“ oder darf schmachtende Balladen wie „Unrequited Love“ goutieren. Und wer seinen Liedern Titel wie „Sadness Is A Blessing“ gibt, muss ein Faible für die dunkle Seite haben.

Experimente und Geradlinigkeiten müssen sich nicht ausschließen. Hier gehen sie eine hervorragend funktionierende Liaison ein.
Wer glaubt, dass alle traurigen Geschichten schon erzählt wurden, der wird mit „Wounded Rhymes“ eines besseren belehrt. Das ist Sweden’s finest.

Facts:
Lykke Li – Wounded Rhymes
Gesamtspielzeit: ca. 41 Minuten
Warner Music

Links & Webtips:
lykkeli.com
facebook.com/lykkeli
myspace.com/lykkeli

Foto: Warner Music

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