HEATHER NOVA: „Man muss sich nicht dafür schämen, älter zu werden“

So ist das eben mit dem Klischee: Heather Nova, Soloartistin seit mehr als 20 Jahren, sieht sich nicht gern unter der Bezeichnung „typischer Singer-Songwriter“. Verständlich, immerhin kann sie auf eine langjährige Karriere blicken. Eine Eintagsfliege, die nur das Übliche fabriziert, ist sie bestimmt nicht. Trotzdem ist ihre Musik nichts für all diejenigen, die auf Prunk, Pomp und Gloria schwören.

Nova wirkt im Interview mit subtext.at äußerst relaxt und entspannt. Man hat zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, dass sich die Sängerin verstellt oder einem Lügen auftischt, ganz im Gegenteil. Sie lacht einige Male, und das besonders herzig. Ein Gespräch über Einflüsse, die Natur, Ausdrucksformen und Jugendwahn.

subtext.at: Heather, was hat einen größeren Einfluss auf uns, die Natur und unser Umfeld oder unsere Erziehung?
Heather Nova: Das ist eine sehr interessante Frage. Ich denke, dass es eine Kombination aus beiden Dingen ist. Hälfte Natur, Hälfte unsere Erziehung.

subtext.at: Speziell die Natur erlebt gerade einen Boom in der Gesellschaft. Die Leute wollen mehr hinaus, um sich zu entspannen und sich vom Stress des Alltags zu befreien. Wenn man auf dein neues Album blickt, kommt einem auch in den Sinn, wie die Natur uns helfen kann, den Stress zu vergessen.
Heather: Mit Sicherheit ist das so, ganz klar. Ich habe für mich herausgefunden, dass die Natur einen sehr starken Einfluss auf mich hat, weil sie mich ruhiger macht. Aber nicht nur das, denn manchmal kann es auch ein großes Gewitter geben und das Meer kann ganz schön stürmisch sein. Wenn ein Sturm tobt, fühlst du dich dann auch lebendiger. Alles hat zwei Seiten.

subtext.at: Das kann ich nachvollziehen.
Heather: Du kannst es nicht (blickt erstaunt)?

subtext: Doch, doch.
Heather: Ah so, ich habe es andersherum verstanden (lacht herzhaft).

subtext.at: Momentan bist du auf den Bermudas beheimatet.
Heather: Da komme ich her und da bin ich wieder hingezogen, nachdem ich in London 15 Jahre lang gelebt habe. Von da aus habe ich meine Karriere begonnen. Es war toll, es hat mich gepusht, ein besserer Künstler zu werden, weil die Zeiten manchmal hart waren. Es gab eine große Konkurrenz. Ich denke, dass ich damals diesen Schritt tun musste. Ich habe meine Band zusammengetan, angefangen, Konzerte zu spielen und meinen Manager gefunden. Meinen ersten Plattenvertrag habe ich dort auch bekommen. Es hat gut funktioniert, zumindest für eine Weile. Dann habe ich die Natur vermisst, es gab keine Verbundenheit mehr. Ich hatte das Gefühl, dass etwas fehlt. Die Großstadt hat sich für mich nicht mehr so lebendig gefühlt.

subtext.at: Es ist bestimmt ein Kulturclash, wenn man 15 Jahre in London lebt, und dann wieder auf die Bermudainseln zurückkehrt.
Heather: Bestimmt, wenn du nicht darauf vorbereitet bist. Ich wollte diesen Schritt tun, und dieser Kulturclash kam mir ganz gelegen. Get simple again, auf die Art. Ich wollte ein Kind und eine andere Balance in meinem Leben schaffen, denn als ich in London war, war ich ständig unterwegs, 8 oder 9 Monate auf Tour. Es war toll, aber ich musste trotzdem etwas ändern. Du hast einfach ein Gefühl, wo es dich hintreibt oder wo du hingehörst. Außerdem wollte ich nicht ein Kind in einer Großstadt oder unterwegs großziehen.

subtext.at: Hast du eine Ahnung, wie der Ort, an dem du lebst, deine Musik beeinflusst?
Heather: Klar, alles hat einen Einfluss auf die Musik. Jede Erfahrung, die du gesammelt hast. Ich denke nicht, dass es etwas Negatives darstellt. Für jedes meiner Alben bin ich auf die Bermudas geflogen, um es dort zu schreiben – obwohl ich in London gelebt habe. Klar, du veränderst dich mit jeder neuen Platte, aber ich denke, dass es eine gute Sache ist (lächelt milde).

subtext.at: Hört sich alles so an, als ginge dein neues Album back to the roots…

Heather: Ist es auch ein bisschen. Ich habe mir zwei meiner ersten Alben angehört, „Oyster“ und „Siren“, weil es etwas am Sound gab, was ich unbedingt wiederhaben wollte. Die Gitarren haben irgendwie rauer geklungen, nicht so überproduziert. Bei meinen nachfolgenden Alben hatte ich das Gefühl, dass sie zu viel Zeit im Studio verbracht haben. „300 Days At Sea“ sollte Wärme ausstrahlen, aber auch erdige Gitarren besitzen.

subtext.at: Für mich hat das Album einen soften Punch – als ob man jemandem einen sanften Tritt verpasst.
Heather: OK, aber nicht im Sinne von Softrock, oder (lacht herzhaft)? Interessant, habe ich zum ersten Mal gehört, diese Bezeichnung. Hast du das erfunden?

subtext.at: Natürlich.
Heather: Sehr gut (lacht)!

subtext.at: Warum denkst du, dass gerade die Musik für dich als Ausdrucksmittel funktioniert?
Heather: (antwortet sofort) Das ist auch für mich ein Mysterium, keine Ahnung. Es war schon immer so. Ich habe als kleines Mädchen eine Gitarre bekommen, und dann einige Akkorde gelernt. So hat es angefangen und es war ein natürlicher Prozess für mich. Es hat mir ein gutes Gefühl gegeben, Songs zu schreiben. Vielleicht habe ich mich dadurch auch weniger allein gefühlt. Der ganze Mist aus meinem Kopf kam heraus.

subtext.at: Musst du an dir arbeiten oder kommen die Songs einfach so aus dir heraus?
Heather: (überlegt) Es ist wie mit deinen Muskeln: Wenn du sie eine Zeit lang nicht trainierst, dann brauchst du eine Weile, bist du wieder fit bist. Als Songwriterin ist es genau so: Wenn ich ein Jahr lang keine Songs schreibe, dann muss ich mich zuerst durch einige schlechte Lieder kämpfen, bis ich zu den Highlights vorstoße. Du musst definitiv üben.

subtext: Wie geht es dir dann, wenn du eine Platte fertig hast und sie herausbringst, mit der Öffentlichkeit teilst?
Heather: Es ist ein intensives Gefühl. An „300 Days At Sea“ habe ich zwei Jahre lang gearbeitet. (überlegt kurz) Ich habe viel von mir in diese Platte gesteckt. Es ist fast so, als würdest du ein Baby zur Welt bringen (lacht). Ich hoffe, dass die Songs die Leute erreichen und ihnen etwas bedeuten. Das Album soll sie ermuntern, ihnen Freude bereiten. Klingt das seltsam (lächelt)?

subtext: Nein, ganz und gar nicht, aber das sind auch meine Eindrücke vom Album.
Heather: Gefällt es dir denn?

subtext.at: Doch, schon. Mir gefällt, wie vorher gesagt, dieser sanfte Tritt und die Stimmung, die es erzeugt. Das Cover finde ich auch sehr gelungen.
Heather: Das mache ich jeden Tag – mit dem Kajak aufs Meer hinaus. Das ist mein Training und es funktioniert wie eine Meditation. Mein Hund kommt auch immer mit. Ich mag das Bild, weil es ein Schnappschuss aus meinem Leben ist, was ich tue, was ich mache.

subtext.at: Dein Hund hat keine Angst vor dem Wasser?
Heather: Schwimmen mag sie nicht, sie bleibt die ganze Zeit über auf dem Boot. Auf dem Covert sieht sie ganz verwundert aus, weil ein Freund von mir damals auf einem anderen Boot war und das Bild gemacht hat. Sie wusste wahrscheinlich nicht, was jetzt gerade um sie passiert (lacht).

subtext.at: Kunst ist im Grunde Kommunikation und existiert nicht in einem Vakuum.
Heather: Denke ich auch.

subtext.at: Wollen Künstler dann eigentlich nur mit anderen in Kontakt treten, über ihre Arbeit?
Heather: Ich kann nur für mich sprechen, und ich weiß, dass ich deswegen Platten mache. Da gibt es dann auch zwei Dinge. 1: Kunst kreieren. 2. Die Kunst mit der Welt zu teilen. Ich werde immer Songs schreiben. Warum ich sie aber herausbringe? Weil ich mich dadurch mit anderen Leuten verbunden fühle, auf tiefgreifende Weise. Leute kommen auf mich zu oder schreiben mir E-Mails, und sie erzählen mir dann, wie meine Songs ihnen durch unschöne Zeiten geholfen haben. Oder sie spielen einen meiner Songs auf einer Beerdigung, oder auf meiner Hochzeit, so etwas in der Art. Da fühle ich mich mit der Welt und anderen Menschen verbunden. Man kann förmlich die Erfahrung teilen, was es heißt, ein menschliches Wesen zu sein. Davon möchte ich ein Teil sein, weil ich mich dadurch auch nicht allein fühle.

subtext.at: Ich habe das Gefühl, dass man durch deine Musik in deinen Kopf schauen kann, was dich bewegt. Es fühlt sich für mich echt und ehrlich an.
Heather: Vielen Dank.

subtext.at: Du scheinst auch Acht darauf zu geben, ein schlüssiges Album zu machen.
Heather: Ich bin froh, dass dir das aufgefallen ist (lacht). Es stimmt mich traurig, dass das Album als Kunstform immer weniger Beachtung findet. Kids picken sich meist einzelne Songs heraus, das Album interessiert sie nicht. Für mich ist die Reihenfolge der Songs auch wichtig. Es soll wie eine Reise sein. Viele werden das nicht mitbekommen, weil sie sich auf iTunes einzelne Songs herunterladen werden.

subtext.at: Viele Künstler, mit denen ich gesprochen habe, teilen deine Ansicht.
Heather: Oh. Ich bin dann wohl nicht originell genug (lacht).

subtext.at: Viele Frauen in der Unterhaltungsindustrie, die über 30 und 40 sind, fühlen einen konstanten Druck, jedes Foto von ihnen perfekt aussehen zu lassen. Bei dir scheint dieser Umgang viel freier und natürlicher zu sein.
Heather: Diesen Druck fühle ich nicht und ich lasse mir auch kein Botox spritzen! Man muss sich nicht dafür schämen, älter zu werden. Natürlich will ich schön sein und optisch das Beste aus mir herausholen, jede Frau will das, aber ich will nicht jemand sein, der ich nicht bin. Unsere Gesellschaft sollte nicht dermaßen obsessiv mit der Jugend umgehen. Schönheit gibt es in vielen Dingen zu entdecken. Leider habe ich festgestellt, dass dieser Trend weiter steigt und schlimmer wird, dieser Jugendwahn. So viele Frauen lassen sich Botox sprizen, um ihre Falten zu bekämpfen, dabei erzählen sie über uns, wie wir gelebt haben. Unsere Falten sind die Wege auf unserer Landkarte. Ein schwieriges Thema.

subtext.at: Hast du mitbekommen, wie die Presse speziell in England über Prominente berichtet?
Heather: Das ist halt ihre Attitüde, ihre Haltung. (überlegt) Die Journalisten in England haben sehr große Egos (lacht). (überlegt länger) Es geht mehr darum, den heißesten Scheiß des Monats zu präsentieren. Was ist der momentane Trend? Darum geht es. Umso schlimmer ist es dann, wenn du auserkoren wurdest, denn es bedeutet, dass du nächsten Monat schon vergessen sein wirst. In Europa sieht die ganze Geschichte natürlicher aus, die Leute sind gelassener. Man lässt dich nicht so schnell fallen. Es gibt Leute, die seit 20 Jahren zu meinen Konzerten kommen, was unglaublich ist. Das weiß ich wirklich zu schätzen. Sie sind zu Freunden meiner Musik geworden.

subtext.at: Ist es schwierig, die Fans bei sich zu behalten?
Heather: Das versuche ich gar nicht. Ich mache die Musik, die sich in dem Moment richtig für mich anfühlt. Diesen Leuten scheint der Großteil meiner Arbeit zu gefallen, wobei sie auch bestimmt einige Platten nicht so sehr mögen wie andere. (überlegt) Du musst das machen, was du als wahrhaftig empfindest, anstatt Musik für die Fans zu machen. Du kannst aber die Setlist nach den Fans ausrichten (lacht).

subtext: Tust du’s?

Heather: Ja, ich bringe immer Songs für die Fans unter, die sie gerne hören wollen. Auf der anderen Seite gibt es auch Lieder, die ich auswähle, weil ich sie gerne spielen möchte. Das ist eine Art Balance.

subtext.at: Was kann ich dich noch fragen…
Heather: Es ist OK, du hast genügend gestellt (lacht).

subtext.at: Wenn man sich näher mit deinen Songs beschäftigt, entdeckt man mehr – sozusagen auf den zweiten Blick.
Heather: Das stimmt. Wie mit den meisten Dingen im Leben.

subtext.at: Manchmal sind sie simpel gestrickt, dafür sind die Texte wendungsreich – oder umgekehrt.
Heather: Sobald du die Details wahrnimmst, weißt du es zu schätzen.

subtext.at: Jemand meinte zu mir, dass Heather Nova nur ein weiterer, typischer Singer-Songwriter ist.
Heather: Ich verstehe.

subtext.at: Mann muss unter die Oberfläche schauen, ob das wirklich so ist – ob es eben mehr zu entdecken gibt.
Heather: Weißt du was? Ich denke, dass das genau dein Job ist (lacht)! Das werde ich dann wiederum wertschätzen (lacht). Ich bin nicht ein weiterer, typischer Singer-Songwriter – so sollte dein Artikel lauten.

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