Abstumpfung durch Social Media

Wir leben in einer schnellen Welt. Zu schnell für meinen Geschmack. Nicht, dass ich jetzt das Internet verteufle oder generell die Medien als den Satan schlechthin sehe. Natürlich gibt es kein Zurück mehr. Ich kann mir zwar eine Schreibmaschine kaufen, aber ich kann keinem verbieten, einen Computer zu verwenden. Schade eigentlich.
Der sogenannte Fortschritt hat Einzug gehalten und er kam mit dem Bügeleisen der „political correctness“. Alle Falten sollten weg. Jeder Makel korrigiert und alles faltenfrei gemacht werden. Optimiert wenn man so will. Die Analogfotografie starb und mit ihr begann der Aufstieg der Generation Photoshop. Unsere Welt ist eine Wirklichkeit, die uns ständig mit Bilden konfrontiert, die es gar nicht gibt in der sogenannten Realität. Der einzig wahren..

>> Technische perfekte Lügen zählen heute als Wahrheit<<

Diese aalglatte Welt von heute ist alten Menschen oft sehr ungeheuer. Und eigentlich haben sie damit recht. Jede Generation hat ihre Technologie und ihren Zeitgeist. Aber in unserer Generation scheint mir, dass eine Unterscheidung dieser Begriffe gar nicht mehr notwendig ist. Wir sind was wir konsumieren und zu unserem Unglück ernähren sich fast alle jungen Menschen von intellektuellem Fastfood. Leicht verdaulich. Jederzeit verfügbar und schön unpersönlich.

Die Generation, die per sms das Ende einer Beziehung erfahren durfte, kann sich glücklich schätzen. Da geht noch mehr. Vielleicht via persönlicher Nachricht auf Facebook, oder doch lieber dezent über den Beziehungsstatus? Am besten man informiert seine Follower auf Google Plus, dann merkt’s auch keine Sau. Wer es gerne theatralisch mag, kann ja ein Video auf die Pinnwand der Ex laden und dort herum heulen. Dann weiß auch gleich jeder Bescheid und man braucht sich nicht mehr rechtfertigen. Wie dem auch sei:

Die Welt war früher besser: Das Gras war grüner, die Bäume höher und Ausländer gab’s auch keine. Das waren schließlich Gastarbeiter (in der 2. Generation), die bestimmt morgen heimfahren… sie warten einfach nur auf einen günstigen Flug… Worauf ich eigentlich hinauswill, ist diese unglaubliche Geschwindigkeit mit der wir heutzutage Aufgaben organisieren, planen und ausführen müssen. Ständig muss man funktionieren, sonst ist man wertlos, sonst gilt man nichts. Wer keine 10 likes für sein neues Userbild bekommt ist entweder hässlich, kann nicht fotografieren oder ist schlichtweg kein guter Selbstdarsteller. Aber ist man dann ein schlechter Mensch?

So zumindest die landläufige Meinung. Social Media hat vielleicht dasselbe Problem wie das Internet als gesamtes. Ursprünglich zu Informations- und Organisationszwecken gedacht, aber letzten Endes völlig (entschuldigt meine Wortwahl) verkackt! Nichts als Kommerz und Selbstdarstellung. Um der Generation Facebook einen gesunden Umgang mit der Materie Social Media zu ermöglichen, sollten bereits 10-Jährige zu diesem Thema unter-richtet werden. Sonst wird der erste Kontakt mit dem Internet über Google, Facebook
und YouTube erfolgen. Und aus langjähriger Erfahrung kann ich sagen:
Das macht nicht gerade schlau. Dumm aber auch nicht. Einfach nur stumpf. Genau das gilt es zu vermeiden, denn nicht würde unserer Gesellschaft mehr schaden, als eine (noch) stumpfere Jugend. Diesen Mediengag von wegen Komasaufen lassen wir jetzt bitte mal beiseite (diese Leut gehen wenigstens unter Menschen). Ich rede von sozialer Isolation. Und ich wage zu behaupten, dass viele Jugendliche heute in einem Zustand der Isolation leben und sich selbst massiv in ihrer Freiheit einschränken. Klären wir das mal anhand eines ganz konkreten Beispiels:

Ein Freund von mir zieht nach Wien. Früher haben wir oft telefoniert und sind nicht grade selten auf ein Bier gegangen. Heute chatten wir. Jede Woche 2-3 Mal. Früher haben wir uns oft 3 Wochen nicht gesehen, aber trotzdem habe ich das Gefühl, dass etwas mit unserer Freundschaft nicht stimmt. Ich möchte wieder persönlichen Kontakt. Er sagt Nein. Wieso? Weil wir ja ohnehin gerade schreiben, das Zugticket Geld kostet und generell habe er gerade keine Zeit recht.

>> Was für eine wunderare Freundschaft <<

Er sollte sich lieber Freunde in Wien suchen und ich sollte dann und wann nach Wien fahren, wenn mir wirklich was an unserer Freundschaft liegt.

Und genau darum sitzen wir zuhause und schauen in unser Facebook und beten jedes einzelne Statusupdate herunter. Wir haben keine Beziehungen mehr zu Menschen, wir haben Abos. Wir abonnieren Beiträge von Menschen. Aber wenn wir anfangen, diese Beiträge zu glauben und sich möglicherweise mit diesen platten hochstiliesierten Figuren zu zufrieden geben, dann haben wir menschlich versagt. Dann geht alles vor die Hunde. Produktivität. Alte Freundschaften. Unser Bild vom Menschen.

>> Einfach alles geht dann vor die Hunde <<

Darum ist es wichtig Social Media als Tool zu begreifen, um sich zeitsparend zu organisieren und mehr persönliche Kontakt zu seinen Freunden zu haben. Ganz analog. Nur eben mittels digitalen Hilfsmitteln, wie etwa Facebook und Twitter.

Genau wie diese wunderbare Schreibmaschine von 1930. Aufgemotzt mit Motherboard und speziellen Anschlüssen, kann Sie mit einem Computer oder einem iPad verbunden werden. Einfach losschreiben und man erhält zusätzlich zum digitalen Input eine wunderbare Hardcopy auf Papier. Herrlich. Und genauso sollte man Social Media begreifen:

>> Als ein wunderbares zeitsparendes Tool oder als Spielzeug. Irgendwie beides. Ansonsten wird man über kurz oder lang selbst zum Tool. Ich denke das sich jeder gerne als Mensch und nicht als Werkzeug begreift. Darum sollten wir mehr nachdenken, mehr reden und weniger posten <<

Foto: alexhung , CC BY-NC-SA 2.0

#Photographer #Cineast #Nikon