Von rechten Juden und Linksfaschisten

Der WKR-Ball ist Geschichte, genauso wie die Gegendemonstration. Eigentlich könnten sich die Gemüter wieder beruhigen. Tun sie aber nicht – FPÖ-Obmann Strache veglich die „Angriffe“ der viel betonten Jagdgesellschaft mit der Reichskristallnacht im zweiten Weltkrieg. Die politischen Mitbewerber geben sich – zurecht – empört. Und trotzdem hat Strache aus seiner Sicht alles richtig gemacht. 

„Wir sind die neuen Juden“ und „Die Angriffe auf Burschenschafter-Buden vor dem Ball seien „wie die Reichskristallnacht gewesen“ – so der O-Ton von HC Strache, wenn man Berichten aus Standard und Presse glauben darf. Ich tue dies in diesem Fall. Viele, die mit Straches Politik wenig anfangen können, verspüren ob dieser Aussagen ein seltsames Ziehen in ihrem Gastrointestinaltrakt – ihnen kommt das sprichwörtliche (oder auch das reale?) Kotzen. Und das zurecht. Die „Hetze“, die die „linke Jagdgesellschaft“ veranstaltet, setzt dem armen HC Strache doch zu. Genauso wie die böse Gegendemonstration, die die „Sicherheit der Wiener Bevölkerung“ am Tag des honorigen Burschenschafterballes gefährdete. Der Ton wird rauer, und die Wortwahl wird harscher. Für die Einen zum Kotzen, aus der Sicht von Strache und der FPÖ allerdings verständlich, und richtig.

Es ist nämlich völlig egal, was er politisch sagt. Es ist völlig egal, wenn er in der Pressestunde die „Subventionskürzung um 15 Milliarden“ oder die Flucht aus dem Euro in den „Rot-weiß-roten Rettungsschirm“ fordert. Es ist völlig egal, dass er mit der Subventionskürzung in diesem Ausmaß (dass es Potenziale in diesem Bereich gibt, ist unbestritten) die Wirtschaft abwürgen, und mit dem Austritt aus dem Euro dieselbe endgültig nach Walhalla befördern würde. Weiters ist es egal, dass er weiterhin gegen Migranten hetzt, wenn die Fakten anderes besagen, wie etwa in der Sozialversicherung, wo Ausländer mehr einzahlen als herausbekommen.

Ok, ich muss hier relativieren. Es ist realpolitisch nicht egal – es wäre verheerend, würde Strache  diese Vorschläge auch wirklich umsetzten würde. Nur ist es seiner Wählerschaft egal. Dieses Protestpotenzial – aufgrund der Vorstellung von SPÖ&ÖVP in der Regierung, die in etwa vergleichbar ist mit den durchschnittlichen Leistungen des nationalen Fußballteams, verständlich – versucht Strache auszuloten.

Er will erfahren, wie weit er gehen kann. Und je weiter er geht, desto mehr empört sich die politische Gegenseite, und, viel wichtiger, desto größer wird die Zustimmung der Protestwähler, und damit der Strache’schen Wählerschaft (die 5% ewiggestrigen Männerbündler werden an dieser Stelle vernachlässigt). Strache probt also schon mal die Sprüche für den Nationalratswahlkampf 2013 – wir werden öfter von der Verfolgung der „neuen Juden“ hören – die Verwechslung von Täter und Opfer scheint in FP-Kreisen eine chronische Krankheit mit fulminantem Verlauf zu sein – und „linkslinken Störfaktoren“ lesen. Die Stimmung wird weiter aufgeheizt, der Ton zwischen empörten tendenziell Linken und den strachetreuen Rechten wird rauer. Strache kann das nur recht sein – ist er doch sicher der Meister der kurzen Sprüche und rauen Töne im Wahlkampf. Er lotet also nur aus, wie weit er gehen kann, und ob es den Menschen, die nicht links stehen,  irgendwann doch zu viel wird. Zum Kotzen eigentlich, oder?

Foto: Daniel Friesenecker 

Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.