Das Wunder Auto

Erwin Wurm – Star der österreichischen Kunstszene – stellt zur Zeit in Krems und Linz aus. In den Ausstellungen „Wunder“ und „Car Culture“ präsentiert Wurm allerlei Sonderbares. Stella Rollig bat den „erweiterten Bildhauer“ zum Künstlergespräch ins Lentos.

„Bildhauerei ist Zu- und Abnehmen“, hat Erwin Wurm einmal gesagt und diesem Merksatz fühlt er sich in seinem Schaffen auch eng verbunden. Das Spiel mit Größenverhältnissen und der Wahrnehmung, wie Wurm es betreibt, war schon den Surrealisten ein großes Anliegen. Künstler wie René Magritte erzeugten in ihren Bildern fantastische Welten, die die Wirklichkeit in ihren Grundfesten erschütterten und gnadenlos auf‘s Korn nahmen. Inspiriert durch Freuds Psychoanalyse wurde der Versuch unternommen Traumwelten sichtbar zu machen und die Wahrnehmung zu täuschen, verpackt mit viel Ironie und Witz, manchmal etwas grotesk und bizarr.

Das vielschichtige Werk Erwin Wurms
Erwin Wurm, geboren 1954 in Bruck an der Mur, studierte zunächst am Mozarteum in Salzburg und wechselte später an die Angewandte in Wien. Sein vielschichtiges Wirken begann Wurm mit Holz- und Gerümpelskulpturen, die sich bald „wie die warmen Semmeln verkaufen ließen“, so Wurm im Künstlergespräch mit Stella Rollig im Linzer Lentos. An einem Punkt angelangt, an dem er sich und seine Kunst nur noch als Fließbandmaschinerie wahrnahm, entwickelte sich der Künstler in neue Richtungen und erweiterte seine Arbeit um Aktionen, Staubskulpturen, Videos, Fotos, und vor allem seine „one minute sculptures“, die ihm weltweite Aufmerksamkeit brachten. Das Video zu „can‘t stop“ von den „Red Hot Chili Peppers“ war inspiriert durch eben diese Spontanskulpturen mit alltäglichen Gegenständen. Die Funktion des Objekts wird hierbei in Frage gestellt, indem es in einen Zweck-entfremdeten Zustand gebracht wird. Im Künstlergespräch im Linzer Lentos sprach Wurm über sein Verhältnis zum Kunstmarkt, Steueroasen die er trotz aller Verlockung lieber nicht nützen möchte und erzählte Anekdoten-weise aus seinem bewegten Leben als künstlerisches Aushängeschild Österreichs. Ein großer Teil seines Werkes befasst sich mit Statussymbolen, die er in eine aufgeblähte, verfettete Form bringt um deren wahre Funktion zu entlarven. Er ließ ein Einfamilienhaus auf‘s Wiener MUMOK stürzen, zerquetschte sein Elternhaus maßstabsgetreu auf Türbreite und beschäftigt sich immer wieder mit dem Phänomen Auto, seiner Funktion und Form.

Schräger Renault in Linz
Mit dem Thema Auto befasst sich die aktuelle Ausstellung „Car Culture“ im Linzer Lentos. Zu sehen ist eine Vielzahl künstlerischer Auseinandersetzungen mit dem PKW, unter denen Erwin Wurm mit seinem Renault 25 – der sich selbst im ruhenden Zustand schneidig in die Kurve zu legen scheint – vertreten ist. Die Ausstellung wurde in Karlsruhe anlässlich des 125-jährigen Jubiläums des Automobils im Jahr 2011 von Peter Weibel und Bernhard Serexhe konzipiert und wird in Linz in modifizierter Form gezeigt. Skulpturale Exponate der Ausstellung sind auch am Hauptplatz im Außenraum und rund um das Lentos zur Schau gestellt. Zu sehen ist auch der wahrscheinlich langsamste Porsche der Welt – der GT 3 RS mit Fahrradantrieb des Linzer Künstlers Hannes Langeder.

Mindbubbles und verbogener Truck in Krems
Ein verfremdetes Auto hat Erwin Wurm zur Zeit auch vor der Kremser Kunsthalle geparkt. Hier krümmt sich ein Truck wie eine Banane, um rückwärts die Wand hochzufahren. Den Hang zum Witz kann man Wurm also nicht absprechen. „Humor ist eine Waffe“, soll dieser einmal gesagt haben – und so setzt er sie auch ein. In der Austellung „Wunder – Kunst,Wissenschaft und Religion“ in Krems, ist der erweiterte Bildhauer mit seinen „Mind-Bubbles“ vertreten. Hier wird der Versuch unternommen menschliche Gedanken in eine skulpturale Form zu bringen. Die hervorragend kuratierte Ausstellung behandelt das Thema Wunder in all ihren Fasetten mit Werken von Joseph Beuys, Martin Kippenberger, Franz West, oder Yoko Ono. Von primitiven Votivbildern, über historische Wunderkammern und die V2 Rakete, bis hin zu Uri Gellers wundersamen Verbiegungen, mysteriösen Heilungen und Joseph Beuys schamanische Rituale. Das Ausstellungsthema wird erstaunlich umfangreich untersucht und sprengt die Grenzen der Kunst – fast schon ein kleines Wunder für sich.

„Car Culture“ ist noch bis 4. Juli 2012 im Lentos Linz zu sehen.
„Wunder – Kunst,Wissenschaft und Religion“ kann man bis 1. Juli 2012 in der Kunsthalle Krems bewundern.

Fotos: a_kep