Sichtwechsel 2012: „Me Too – Wer will schon normal sein?“

Was ist heutzutage schon normal?!“, fragt man sich oft. Ist es normal keine Beeinträchtigung zu haben? Ist es normal sein Leben durchzuplanen und sich unrealistisch-hohe Ziele zu stecken? Ist es normal jemanden auszuschließen? Ist es normal mit 34 noch keine Freundin zu haben? Ist es normal nicht aufzufallen?

Für „normal sein“ gibt es tausende Definitionen, je nachdem, aus welcher Sichtweise und auf welche Thematik bezogen man ausgeht.

Ich bin normal! – so wie jeder andere auch, nur dass mein Körper etwas anders aussieht. Ich habe einen Universitätsabschluss und habe genauso meine sexuellen und andere menschliche Bedürfnisse, wie jeder andere auch!“, will Daniel im Film deutlich machen.

Zwischen der Akzeptanz der eigenen Familie und der teilweisen Unakzeptanz der Gesellschaft, versucht Daniel (gespielt von Pablo Pineda) auf die Nöte, Wünsche und Bedürfnisse seinesgleichen aufmerksam zu machen. Mit Hilfe von Charme, Humor und Lebensmut will er seine Arbeitskollegin, die ebenfalls am Amt für Gleichstellung in Sevilla arbeitet, um den Finger wickeln, weil er sich bei ihr geborgen und „normal“ fühlt. Zu Beginn scheint es so, als ob sie nur als Mitleid mit ihm abhängt. Doch mit der Zeit entwickelt sich eine echte und tiefe Freundschaft zwischen dem Mann mit Down-Syndrom und der „Nicht-Beeinträchtigten“. Daniel glaubt in seiner Arbeitskollegin seine Traumfrau gefunden zu haben und mit ihr auch intimer werden zu können, Laura ist da anderer Ansicht. Als „leichtes Mädchen“ zieht Laura öfters von Bar zu Bar, vögelt, doch ohne dabei Liebe zu empfinden. Um ihre eigenen familiären Probleme auf die Reihe zu bekommen, legt sie eine längere Funkpause ein, was Daniel sehr verletzt. Die eigene Familie nimmt Daniel so an, wie er ist: intelligent, humorvoll, charmant und als „Mann“ mit seinen 34 Jahren. Nur einzig allein die Mutter will noch nicht ganz, dass ihr Daniel Flügge wird, da er ja „Down-Syndrom“ hat und sich nicht durch Laura auf schlechte Pfade begeben soll. 

Immer wieder setzt sich der Protagonist für andere Down-Syndrom-Beeinträchtigte ein, sei es um einem Liebespaar eine „gemeinsame Nacht“ zu ermöglichen oder einen Vortrag an seiner ehemaligen Universität über Gleichstellung von Beeinträchtigten und Nicht-Beeinträchtigten zu halten. Das Ende bleibt offen. Daniel bleibt nur zu wünschen übrig, dass er eine Frau findet, die ihn so annimmt wie er ist und ihm auch seine eigenen Bedürfnisse nach Liebe, Sexualität und Geborgenheit erfüllt.

Pablo Pineda, Schauspieler des Hauptprotagonisten, kämpft im echten Leben auch für Gleichstellung seinesgleichen, und kein Weg ist ihm dabei zu weit. „Wir wollen nicht nur mastubieren, in eine Beeinträchtigten-Werkstätte verfrachtet werden und bevormundet werden. Das was wir wollen, sind unsere Träume, Wünsche und Bedürfnisse ausleben zu können, wie jeder andere auch. Wir sind keine Außerirdischen, wir sind Menschen, genau wie du und ich!“, ist seine Botschaft an die Gesellschaft. 

Der spanische Spielfilm stellt Menschen mit Down-Syndrom in den Mittelpunkt und zu gleich so dar, als ob sie in unserer Gesellschaft, sei es am Arbeitsplatz oder im Alltag, bereits akzeptiert werden würden. Leider bietet sich mir oft ein anderes Bild: Unwissenheit, schiefe Blicke, Ausgrenzung und Sonderstellung sind keine Ausnahmen. Aber Gott sei Dank gibt es Veranstaltungen wie das alljährliche „sichtwechsel“-Festival in Linz oder andere Betreuungseinrichtungen, wie z.B. in Gallneukirchen, die Beeinträchtigte in unserer Lebensgemeinschaft integrieren anstatt zu seperieren.

Mir hat der Film sehr gut gefallen, da humorvolle Dialoge und ernsthafte Thematiken (wie Sexualität, Liebe und Gleichstellung) sich abwechseln. Dennoch glaube ich, dass es noch große Aufklärungsarbeit in puncto „Menschen mit Beeinträchtigung in unserer Gesellschaft“ braucht, um ein gemeinsames Zusammenleben zu ermöglichen.

Auch das Festival „sichtwechsel“ hat zum Ziel: „Wir möchten den Leuten zeigen, was Menschen mit Beeinträchtigung können, machen, wie sie leben. Unsere ´Aufklärungsarbeit´ im Rahmen des Festivals soll so oft statt finden, bis wir das Festival nicht mehr veranstalten müssen!“.

Abschließend ist noch zu sagen, dass die bunte, tolle Mischung aus Kunst, Kultur und Workshops so toll ist, dass man am liebsten alles auf einmal anschauen möchte und als Besucher auf seine volle Kosten kommt.

Ich, ein Mädel aus Linzer Umgebung schreibe liebend gerne Konzert-Reviews, Filmkritiken und so manch anderes über Kultur, Leute und dem ganzen Drumherum. Wortspielereien mit Gefühlen, die echten Tatsachen und Stimmungen sind mein Metier, in dem ich mich am Wohlsten fühle. Kultur wie sie leibt & lebt im Linzer Raum und sonstwo, am Puls der Zeit, niemals vergessen, sondern dokumentiert, hier auf subtext.at Das ist meine Welt, ahoi!