Die Freiheit, die Politiker meinen?

Die Debatte rund um die geplante Liberalisierung des Fotografengewerbes zeigt wieder einmal auf, wie es um die demokratischen Entscheidungsfindungen in Österreich bestellt ist. Denn Liberalisierung ist nicht gleich Liberalisierung, zumindest wenn es nach prominenten Vertretern von SPÖ und ÖVP geht.

Zuerst mal ein Ausflug in die tendenziell linken Jugendorganisationen:  Vorträge und Informationskampagnen zu offenem Umgang mit Urhebberrecht, alternative Lizenzformen und Co. stehen dort an der Tagesordnung, genauso wie die Strategien gegen „die Märkte“. Auch SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter entstammt aus dieser Domäne und sollte eigentlich dem Aufbrechen von „geschützen Märkten“ und damit verbundenen Oligopolen aufgeschlossen gegenüberstehen.

Dem ist nicht so. Aber der Reihe nach: mehr als 10.000 Personen haben mittlerweile die Petition zur Liberalisierung des Fotografengewerbes unterschrieben. Österreich ist europaweit einzigartig – hier ist das Gewerbe bislang geschützt und nur geprüften „Fotografenmeistern“ ist es erlaubt, die Berufsbezeichnung „Fotograf“ zu führen, Lehrlinge auszubilden und ein Gewerbe zu betreiben. In anderen Ländern ist dieser Zugang zum Markt liberalisiert. Auch in Österreich schien – nicht zuletzt durch die Petition – ein Umdenken einzusetzen. Zumindest passierte die Gesetzesvorlage, die diese Liberalisierung ermöglichen sollte, den Ministerrat ohne weitere Änderungen. So weit, so gut. Der nächste Schritt im Gesetzgebungsprozess wäre die Ratifizierung in National- und Bundesrat gewesen. Doch weit gefehlt. SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter, nebenbei auch Obmann des sozialdemokratischen Wirtschaftsverbandes, sowie sein ÖVP-Kollege Konrad Steindl scheinen das anders zu sehen. Die Initiatoren der Petition „freiefotografie.at“ fürchten, dass Matznetter und Steindl, die Fraktionsführer von SP und VP im Wirtschaftsausschuss, schon vorher beschlossen haben, dass es zu keiner Liberalisierung kommen wird.

Auch der sozialdemokratische Wirtschaftsverband Wien ist gegen „absolute Liberalisierung, weil eine völlige Deregulierung auch ein Nachteil für die Marktteilnehmer sein kann.“. Einzig der Zugang soll niederschwelliger werden, mit genügend Berufserfahrung soll man dann ein Gewerbe anmelden dürfen. Eine typisch österreichische Halblösung also. So weit, so schlecht. Weder die Vertreter der Berufsfotografen, die Innung (viele Berufsfotografen sehen eine Liberalisierung positiv!) – die natürlich um das geschützte Gewerbe fürchtet – noch die freien Fotografen würden mit der Lösung zufrieden sein. Das wirkliche Problem ist jedoch ein anderes: eine Petition, die im Ministerrat beschlossen zu einer Gesetzesänderung führen würde, wird torpediert, weil sich zwei Mitglieder des Wirtschaftsausschusses noch vor der Behandlung im Nationalrat über das Ergebnis geeinigt haben. Und unabhängig davon, wie die Debatte ausgeht – und es wäre begrüßenswert, würde das Gewerbe liberalisiert – ist die Demokratie der Verlierer. Weiters fordert man, dass „alle Argumente gehört werden müssen“. Klingt fast so, als ob der Ausgang bereits beschlossen ist. Was bleibt, ist der fade Beigeschmack -denn das Licht, das die Vorgehensweise von Matznetter und Steindl auf die Sache wirft, ist ein denkbar schiefes. Nach dem Motto „Is eh wurscht, was die Leute für Petitionen machen. Wir san wir!“. Dass der Politikverdruss dadurch größer wird, darf also nicht verwundern. Die Fotografie-Debatte ist nur ein weiteres perfektes Beispiel dafür.

Foto: Leo Reynolds, Lizenz 

Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.