Tolstois „Krieg und Frieden“ im Burgtheater

Der Name der großen Romanreihe „Krieg und Frieden“ von Leo Tolstoi ist fast jedem ein Begriff aber nur wenige können sich damit rühmen, schon einmal das gesamte Werk gelesen zu haben. Jetzt hat das Wiener Burgtheater den Klassiker neu inszeniert und beweist jedem, dass der fast 150 Jahre alte Lesestoff auch heute noch das Publikum in seinen Bann zieht.

Der russische Autor Lew Nikolajewitsch Tolstoi, wie er mit vollem Namen hieß, verfasste im Jahr 1868 die historische Romanreihe „Krieg und Frieden“, welche heute zu den wichtigsten Werken der Weltliteratur zählt. Das 1600 Seiten umfassende Werk beschreibt die Geschehnisse der Zeit zwischen 1805 und 1812 in Russland aus der Sicht einiger russischer Adeliger sehr ausführlich, wobei Tolstoi nicht davor zurückschreckte, real existierende Personen in sein Oeuvre einzubauen. Eine erstmalige Adaption des Stoffs in Form einer Oper ließ jedoch fast 100 Jahre auf sich warten.

Nun hat das Wiener Burgtheater das Ergebnis einer Reihe öffentlicher Proben, die bereits in St. Petersburg, Hamburg und Prag aufgeführt wurden, für kurze Zeit in sein Programm aufgenommen.  Der Saal des Wiener Kasinos am Schwarzenbergplatz begrüßt die Besucher mit einer simplen und doch interessanten Bühnenausstattung, da die Bühne gleichzeitig als Betriebsbereich und Backstage dient. Eine lange weiße Tafel, bestehend aus quadratischen Tischen, nimmt fast den gesamten Bühnenraum in seiner Breite ein. Passende Stühle, ein im rückwärtigen Bereich angebrachtes kleines Modell des Saals und das reduzierte, aber gut sichtbare Orchester lassen die Erwartung des Zusehers auf eine ansprechende Aufführung steigen.

Wenn die Erwartungen der Besucher ein paar Sprossen auf der Skala höher geklettert sind, beginnt die Vorstellung mit einer Einführung in den Aufbau der Bühne und die Herangehensweise an das Stück um zu verhindern, dass der Besucher von der Wucht des komplexen Romans überrollt wird. Ohne dass man es wahrnimmt befindet man sich auch schon inmitten der Erzählungen Tolstois und wird vom Bewegungsreichtum des Stücks, der subtilen Witzigkeit und den technischen Raffinessen mitgerissen. Auch die Tatsache, dass das Werk im Erzählerstil aufgeführt wird, trägt dazu bei, dass dem Publikum keine wichtigen Informationen vorenthalten werden und man das Gefühl hat, als würde man die Geschichte mithilfe schauspielerischer Veranschaulichung vorgelesen bekommen.

Das Ensemble überzeugt mit starken Dialogen, spitzfindigem Humor und kreativ eingesetzten Requisiten, wobei die schauspielerischen Leistungen von Ignaz Kirchner als pedantischer und griesgrämiger Fürst Bolkónski und von Stefanie Dvorak in der Rolle der unnahbaren aber bildschönen Hélène Kuragina besonders hervorstechen.

Trotz der viereinhalb-stündigen Dauer des Stücks und des grundsätzlich anspruchsvollen Stoffs von Tolstois Werk wirkt die Aufführung nie langatmig oder ermüdend auf das Publikum. Vielmehr verstehen es die Schauspieler, die Zuseher mit Text und Gestik bei Laune zu halten und ihnen einen guten Einblick in die Veränderung der Situation des dekadenten russischen Adels zu Zeiten der napoleanischen Kriege zu geben.

Die Aufführung ist eine charmante Einführung in das Werk Tolstois und weckt den Ehrgeiz, sich in ferner Zukunft doch zu jenen zählen zu dürfen, die das Oeuvre gelesen haben.