“Die Haut, in der ich wohne” im Sommerkino

Der neueste Film des Regisseurs Pedro Almodóvar- unter anderem bekannt durch „Volver“ oder „Zerrissene Umarmungen“, erster Spielfilm 1980; ein Oscar, eine Goldene Palme, ein Golden Globe sowie Auszeichnungen beim Europäischen Filmpreis- trägt den Titel „Die Haut, in der ich wohne“ und wurde 2011 in Spanien gedreht. Es stand ursprünglich auch die Idee im Raum, ihn als schwarz-weißen Stummfilm zu drehen.

Basierend auf der Vorlage des Romans „Mygale“ von Thierry Jonquet 1984, welcher mehr Fokus auf die Abgründe der menschlichen Psyche legt, wurde das mal als Drama, mal als Thriller bezeichnete Werk zum ersten Mal bei den 64. Internationalen Filmfestspielen in Cannes präsentiert. Im Herbst 2011 kam der etwa zweistündige Film schließlich in die österreichischen Kinos, 2012 wurde er im Rahmen des Sommerkinos in Linz erneut vorgeführt.

Der Inhalt erscheint zu Beginn verwirrend, wenn nicht gar verfremdend; die Unklarheiten lösen sich jedoch über Rückblenden auf.

Im Mittelpunkt der Handlung steht der Chirurg Robert Ledgard (gespielt von Antonio Banderas), welcher an einer neuen, robusteren Haut für den Menschen forscht. In seiner Villa hat er Labor und Operationsraum eingerichtet. Auf einer Tagung präsentiert Legard nun seine Ergebnisse, die er vorgibt, an Mäusen getestet zu haben. In Wahrheit hält er aber ein „menschliches Versuchsobjekt“ gefangen.

Als er nicht zu Hause ist, taucht der von der Polizei gesuchte Sohn Zeca seiner Haushälterin Marilia (gespielt von Marisa Paredes) auf, um Unterschlupf zu verlangen, wobei er die Gefangene anhand der Überwachungsmonitoren entdeckt. Er hält sich fälschlicherweise für die verstorbene Frau des Chirurgen, vergewaltigt sie und wird schließlich selbst von Ledgard erschossen.

Marilia erzählt der gefangenen Vera (gespielt von Elena Anaya), dass Zeca und Ledgard Brüder sind. Man erfährt als ZuseherIn der Reihe nach, dass die verstorbene Ehefrau Gal des Chirurgen eine Affäre mit Zeca hatte und von einem Autounfall schwerste Verbrennungen davon trug. Ledgard bewahrt Gal in seinem Haus auf und beginnt mit der Forschung an einer neuen Haut, um die ihre retten zu können. Bevor es allerdings soweit kommen kann, begeht Gal vor den Augen der gemeinsamen Tochter Norma Selbstmord. Norma erleidet schwere psychische Schäden und wird, kaum als sich ihr Zustand bessert, von dem Modedesigner Vicente (gespielt von Jan Cornet) auf einer Hochzeitsfeier vergewaltigt. Kurz nach der Einweisung in eine psychiatrische Klinik, begeht auch Norma Selbstmord.

Ledgard macht Vicente für diesen verantwortlich, er entführt ihn und hält ihn im Keller gefangen. Vicente wird unter Betäubung einer Geschlechtsumwandlung unterzogen. Nach und nach wird sein Gesicht nach dem Vorbild Gals gestaltet. Aus Vicente wird Vera, welche(r) ein Liebesverhältnis mit Ledgard eingeht. Nachdem das Experiment schließlich abgebrochen werden soll, fordert sie/er gleichberechtigtes Zusammenleben und erreicht vorerst, sich frei in der Stadt bewegen zu dürfen.

Ein Kollege Ledgards erscheint unterdessen in der Villa und schöpft Verdacht. Nach der Bedrohung Ledgards und der Versicherung Veras, dass seine Theorie nicht stimme, verlässt er das Anwesen wieder.

Vera schwört, immer bei Ledgard zu bleiben. Robert Ledgard und seine Haushälterin Marilia werden am Ende des Filmes jedoch von ihr/ihm erschossen. Vera flüchtet an ihren/seinen alten Arbeitsplatz. Die Angestellte erkennt ihn/sie anhand eines alten Kleides, von dem er/sie wollte, dass sie es probiere. Zu Letzt wird noch die Mutter eingeweiht.

Zentral ist das Thema Medizin als Religion der Moderne, wobei Almodóvar ethische Fragen in den Hintergrund stellt. Er zeigt sie zwar bei der Tagung und der Aussage eines Kollegen, dass Ledgard diesbezüglich sicher keine Bedenken hätte, auf, geht aber nicht expliziter darauf ein.

Es fällt auf, dass auf Verbrechen stets weitere folgen (Geschlechtsumwandlung auf Vergewaltigung, Mord Zecas auf Bankraub, Drogendeal,..)und der Erkenntnisgewinn der Menschheit am Ende bestraft wird. An dieser Stelle ließe sich wohl über Gerechtigkeit diskutieren, ob „Gleiches mit Gleichem vergolten werden soll“, worin sich Verbrechen nun gleichen und wo die Unterschiede liegen, aber das würde zu weit ausholen.

Der Inhalt wird in teils sehr drastischen Bildern präsentiert, das Nähen an der neuen Haut wird genauso nahe gefilmt wie die Forschung am Blut. Die Musik will nicht ganz dazu passen und verfremdet den Film zusätzlich. Es wird während einer Vergewaltigung etwa klassische, ruhige Musik gespielt.

Kritik gibt es für die Altersfreigabe ab 16. „Die Haut, in der ich wohne“ beinhaltet zwar wenig Gewalt im Gegensatz zu „Die Verblendung“ beispielsweise, erfordert aber starke Nerven und kann eine sehr aufwühlende Wirkung auf den/die Einzelne(n) haben. Elemente des Horrors und der Komik verstärken diesen Beigeschmack zusätzlich.

Alles in allem wirkt der Film skurril und regt zum Nachdenken an. Man könnte ihm Verharmlosung von Drogenkonsum oder Verharmlosung durch die entschärfende Filmmusik vorwerfen, doch sind es hier gerade die vielen „kleinen Effekte“, die zu der bitteren Wirkung beitragen. Es sei abschließend gesagt, dass sich die Umsetzung eines solch „komplexen Verwirrspiels“ nicht als einfach gestaltet.

„Die Haut, in der ich wohne“ wurde 2011 beim europäischen Filmpreis nominiert, gewann Auszeichnungen beim spanischen Filmpreis Goya sowie einen British Academy Film Award.

Wer jetzt Interesse hegt, kann sich den Film in der Mediathek des Moviemento Kinos Linz ausborgen. Dazu ist es notwendig, sich als Mitglied einzuschreiben (kostenlos, mit Ausweis). Die Preise bewegen sich im Bereich 1-1,50 Euro/Tag, geöffnet ist die Mediathek zwischen 16 und 22 Uhr.

Bis Ende Augst werden österreichweit (bis auf Vorarlberg) abends auch noch viele weitere Filme im Sommerkino gezeigt. Geboten wird eine Kombination aktueller, bereits im Kino gewesener Filme sowie von Prämieren. Die oberösterreichischen Standorte neben Linz sind Wels, Traun, Freistadt, Steyr und seit heuer auch Vöcklabruck. Bei Schlechtwetter werden die Filme in die Kinosaals verlegt, wie dies bei „Die Haut, in der ich wohne“ der Fall war. Die Vorstellung hat sich somit um eine Dreiviertelstunde nach hinten verschoben (weil zur Beginnzeit noch kein Saal zur Verfügung stand).

www.sommerkino.at
www.moviemento.at

Katharina ist Sozialwissenschaftlerin und Redakteurin. Sie beschäftigt sich vor allem mit gesellschaftlichen (z.B. frauenpolitischen) und kulturellen (z.B. Film, Theater, Literatur) Themen. Zum Ausgleich schreibt sie in ihrer Freizeit gerne literarische Texte: https://wortfetzereien.wordpress.com/