Bonaparte: „Wir sind definitiv ein visuelles Erlebnis“

Bonaparte – sie stehen für energetische Liveshows, Kostümwechsel en masse und werden oft auch als „Zirkus“ bezeichnet, der auch Musik macht. Außerdem werden sie mit „Sorry, we’re open“ auch in Kürze ein neues Album präsentieren.Bonaparte ist nicht nur auf der Bühne, sondern auch beim Interview ein Erlebnis. Der Tourmanager in knalligem Rot gekleidet, die Truppe noch am Werkeln für die Kostüme am Abend – aber alle sind sie gut gelaunt. So auch Sänger und „Kaiser“ von Bonaparte, Tobias Jundt, der sich im Interview über Orgasmen, Veränderungen und das Tourleben bewusst witzig gibt. 

subtext.at: Stell dich doch bitte mal ganz kurz vor…..

Tobias:(murmelt unverständliche Laute ins Aufnahmegerät)

subtext.at: Könntest du das noch mal übersetzen, für all jene, die es jetzt gerade nicht verstanden haben?

Tobias: Wer ich bin? Ich bin der Kaiser, der aber gerade zwischen den Stühlen sitzt, weil er nicht weiß, ob er noch müde ist oder ob der Tag schon begonnen hat, weil er grade ein Interview gibt.

subtext.at: Das heißt also, dass auf Tour das Zeitgefühl verloren geht?

Tobias: Es ist eigentlich inexistent, und trotzdem haben wir dann immer irgendwelche Termine. Dann kommt immer der Mann in rot da drüben (Der Tourmanager in einem roten Ganzkörperanzug, Anm.) – damit ich ihn gleich von weitem sehe – und weiß, was los ist.

subtext.at: Die Anforderung damals an einen Tourmanager war demnach, dass er den ganzen Tag in komischen Klamotten rumlaufen muss?
Tobias: Ja, genau. Je nach Aufgabe hat jeder eine andere Farbe, damit ich mich gleich verstecken kann. Er hat halt rot an – und schafft mir dann an, was zu tun ist. Manchmal sagt er halt auch so Sachen wie „Es ist jetzt 9 Uhr“ oder sowas (lacht).

subtext.at: Also die Ordnung im Chaos?

Tobias: Ja, stimmt – er muss dann anhand des Sonnenstandes wissen, wie spät es ist und wann wir wo sein müssen (lacht).

subtext.at: Wenn ich mit Konzertfotografen über Bonaparte spreche, kommt manchmal der Ausdruck „konzertfotografischer Orgasmus“ vor.

Tobias: Kommt natürlich darauf an, worauf der Fotograf sonst so steht (lacht). Aber im Ernst – ich kann mir schon vorstellen, dass es für einen Konzertfotografen, nachdem er sieben Bands fotografiert hat, die toll klingen, aber am Foto doch „nur ein bisschen auf der Gitarre spielen“, eine schöne Abwechslung ist. Bei uns ist es defnitiv ein visuelles Erlebnis, das an Grenzen geht. Der Orgasmus ist ja auch so ein bestimmter schöner Moment – bei uns kann man Fotos machen, die man bei anderen Bands so sicher nie sieht.
Wir haben früher ja auch alle Shows selber fotografiert – wir haben Leute in der Band gehabt, die als Teil der Band nur fotografiert haben. Da gibt es in diesem Chaos schon tolle Momente.

subtext.at: Bleiben wir gleich beim Visuellen – würde Bonaparte genauso funktionieren, wenn es die Kostüme und das Drumherum nicht geben würde?

Tobias: Ja. Natürlich gibt es einige, die sagen, dass wir sowieso nur wegen den Kostümen und der nackten Haut da stehen. Das stimmt definitiv nicht. Das will ich nicht glauben und ich glaube es auch nicht. Für uns ist die Musik der Kern – ich habe auch 2007 in Neuseeland zum Beispiel alleine mit Gitarre und Laptop eine Tour gespielt, in dem Setup funktioniert das dann auch. Das ist halt das, was wir machen, und würde auch mit einer „normalen“ Show funktionieren, wo die Songs dann die raue, kantige Energie auf eine andere Art transportieren müssen. Ohne Kostümwechsel und all dem Drumherum. Das Visuelle ist halt das, was wir im Moment halt machen. Es hat sich so ergeben, unds wenns mal anders ist, dann wird es anders.

subtext.at: Bonaparte wird ja immer auch mit „Punk-Einflüssen“ dargestellt. Jetzt klingt ihr doch anders als der typische Three-Chord-Song. Was sind also diese Einflüsse?

Tobias: Natürlich sind wir kein Punk-Act im klassischen Sinne. Genausowenig wie wir kein Mainstreamact, kein Techno-Act und keine Jazz-Band sind. Es sind halt Elemente vertreten, ich finde das durchaus ehrlich und das hat auch alles seine Berechtigung. Wir haben genauso Technoraves gespielt wie Konzerte „nur mit Drums, Bass und Gitarre“.

subtext.at: Die Aussage, dass eine Band „ehrliche Musik“ macht, höre ich in Interviews sehr oft. Gegenfrage: Was wäre unehrliche Musik?

Tobias: Was ich mit „ehrlich“ meine, dass, wenn ich unsere Musik betrachte, nicht sagen kann, dass es „dieses Genre“ ist. Die Einflüsse sind halt da, und wir klingen so, wie wir klingen. (überlegt)

Es ist nichts Konstruiertes – du kannst definitv Phasen haben, wo du nicht das machst, was du möchtest. Warum auch immer, das ist natürlich auch ok, wenn du damit etwa deine Familie ernähren musst. Auch wenn du es gut kannst, möglichst viele Leute in möglichst kurzer Zeit anzusprechen, also eher in den Mainstream gehst, ist das natürlich auch ok. Du darfst dich da nur nicht verstellen – du kannst entweder stagnieren, oder weitersuchen. Auch bei unserer neuen Platte wird es so sein, dass es einige geben wird, die sie nicht gut finden. Aber wir können von uns zumindest sagen, dass wir da weiter gesucht haben – das fällt auch unter „Ehrlichkeit“.

subtext.at: Danke für den Übergang. Reden wir gleich über die neue Platte „Sorry, we’re open“. Nenne mir bitte einen Grund, diese Platte nicht zu kaufen?

Tobias: (überlegt) Weil es kein „Anti Anti“ und kein „Computer in Love“ drauf hat. Weil es keinen Song auf Deutsch drauf hat. Und weil es neben härteren auch sanftere Töne anschlägt. Und weil Bonaparte damit vom rechten Weg abgekommen sind, und früher sowieso alles besser war (lacht).

subtext.at: Der nächste Übergang – „früher war alles besser“.

Tobias: Die Übergang war natürlich auch geplant im Vorhinein (lacht).

subtext.at: Es gibt ja immer die „Forderung“, dass sich Musik weiterentwickeln müsse im Leben einer Band…..

Tobias: Naja, „Muss“ ist ein hartes Wort. Es gibt Bands, die wollen das, und es gibt Bands, die bleiben auf einem funktionierenden Punkt. Für mich gehört eine Entwicklung definitv dazu, egal in welche Richtung.

subtext.at: Kann diese Richtung auch schlechter sein?

Tobias: Kommt darauf an, wie man es sieht. Und für wen. Da gibt’s sicher welche, die sich dann beschweren, weil sie „sanft“ oder „roh“ geworden sind. Ich glaube aber, dass man alleine dadurch, dass man mit 20 anders denkt als mit 40, sich weiterentwickelt. Unsere neue Platte ist auch „menschlicher“ geworden. Sie ist insofern ehrlich, weil sie härter und sanfter geworden ist. Und weil man einfach hört, dass man sich damit auseinandergesetzt hat.

subtext.at: Ihr habt es also geschafft, äußere Einflüsse bestmöglich auszublenden und „euer Ding“ zu machen?

Tobias:Wir müssen das machen, was wir wollen. Wenn das keiner mehr gut findet, dann können wir halt nicht mehr touren. Wenn es keinen mehr interessiert, dann würden wir nur noch Studioplatten machen. Aber so lang es Leute draußen gibt, die uns gerne hören, machen wir gerne weiter. Das andere ist eher Sache der Plattenfirma. Natürlich könnten wir ein Lied „nach Auftrag“ machen – nur würde uns das nicht interessieren. Features sind da etwas anderes – da kommen auch Einflüsse von außen rein – etwa mit Housemeister und Deichkind auf der aktuellen Platte.

subtext.at: Stichwort Housemeister – das klingt ja von vornherein ein bisschen anders als Bonaparte….

Tobias: (entschlossen) Nein. Natürlich kommt Housemeister – ein langjähriger Freund von mir – aus einer ganz anderen Ecke, und er macht Musik auch auf ganz andere Art und Weise als wir, aber die Energie ist meiner Meinung nach schon ähnlich. Ich sehe da schon viele Parallelen und kann mich mit seinem Approach sehr gut anfreunden.

subtext.at: Zum Abschluss: ein Album, das du nicht mehr hören kannst…..

Tobias: (überlegt) Wahrscheinlich Too Much von uns selber. Ich mag uns nicht gern hören – ich spiele sie nur gerne, aber ich nehme sie nur auf, damit ich sie dann spielen kann. Das ist bei „Sorry, we’re open“ das erste Mal, dass es nicht so ist.

Links und Webtipps:

Fotos: Christoph Thorwartl

Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.