METRIC: Wechselseitig ergänzend

Für manche Band neigt sich der Weg schon nach wenigen Alben dem Ende zu. Die Prinzipien sind festgefahren, die Denkansätze und Prozeduren bekannt. Nicht so bei Metric: Kernsaniert kehrt die Band um Emily Haines nach drei Jahren Pause zurück und legt mit „Synthetica“ ein Album vor, dass einem viel kühle Luft um die Ohren bläst. Musik, berauschend wie eine illegale Substanz.

Der Kampf zwischen Organischem und Synthetischem wurde schon etliche Male ausgetragen. Dass sich Akustikgitarren und Elektroflächen hervorragend vertragen können, haben andere auch schon festgestellt. Bei Metric ist es nun soweit, denn die Kanadier schwenken von Indiepop zu Synthierock. Indie ist ohnedies nur mehr der kleinste gemeinsame Nenner. Die Quartett hat für sich eine Ästhetik gefunden, die das Genre aus seiner schnarchenden Wohlfühlecke herausholt. Fast jeder Song offenbart eine neue Facette. Stoische Drumbeats machen den Liedern Dampf und die ausschmückende Gitarren sind über beide Ohren effektverliebt. Einen Song wie „Artificial Nocturne“, der langsam zu einem veritablen Gewitter heranwächst, hätten sie früher wohl nicht hinbekommen. Sie haben definitiv Spaß bei der Sache, weil sie es hörbar genießen, das weiträumige Klangbild zu gestalten, wie es ihnen passt.

„Synthetica“ besteht aus einem Gewebe aus Schichten. Dessen ungeachtet ist man unaufhörlich um Stimmigkeit bemüht. Der Drang, neue Ansätze und Wege zu finden, dringt aus jeder Pore und den Texten von Haines. Überhaupt hält sich Sängerin nicht zurück, ihre Gedanken zum Zustand unserer Welt originell auszubreiten. Von plumpen Parolen kann keine Rede sein, denn Emily Haines gehört zu den besten und anspruchsvollsten Texterinnen.

Trotz der Spiegelung des Himmels auf dem Titelbild (von Künstler Justin Broadbent) geht es inhaltlich alles andere als zimperlich zu. Metric reiben sich in ihren Songs an den Zuständen um uns herum. Die hitzige Single „Youth Without Youth“ kann als Exempel herhalten – kämpfen oder aufgeben? Sich gegen etwas auflehnen oder kapitulieren? Welches Bild vermittelt die ältere Generation der jüngeren? Welche Werte spielen noch eine Rolle? Hat das alles überhaupt noch einen Sinn?

Das Album fesselt wegen den interessanten Entwicklungen in den Songs selbst. Metric forschen nach Wahrheiten und sie tun es auf vielfältige Art. Ob sie mit „Synthetica“ den großen Durchbruch schaffen, überlassen sie dem Mainstream.

Facts:
Metric – Synthetica
Gesamtspielzeit: ca. 44 Minuten
PIAS (Rough Trade)

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Foto: PIAS

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