“Die Impropheten”- Jede Show ist eine Uraufführung

Die Impropheten sind eine seit 10 Jahren bestehende Linzer Improvisationstheatergruppe. Sie setzt sich aus professionellen SchauspielerInnen und MusikerInnen zusammen, die neben dem Posthof und in Kulturzentren auch in Spielstätten außerhalb der Landeshauptstadt auftreten. Ihr aktuelles Programm „Jackpot“ wurde nun zum zweiten Mal im Kulturzentrum Hof präsentiert.

Zu Beginn der Veranstaltung wurde eine kurze Einleitung zum Genre gegeben: keine Inszenierung, spontane Reaktionen auf Anregungen der Zuseherinnen und Zuseher genauso wie auf die Darstellung der KollegInnen. Es wurde erklärt, dass für einzelne Szenen Punkte vergeben werden und man mit Wellen im Publikum Zusatzpunkte vergeben könne (pro Welle ein Punkt). Außerdem bestand anlässlich des Themas die Möglichkeit, sich auf ein Los zu schreiben, um ein- wie sich später zeigte- Brettspiel zu gewinnen.

Es wurde im Vierer-Team gespielt. Dabei gab es eine Schiedsrichterin, die beispielsweise Wechsel der SchauspielerInnen bestimmte. Nach Einzählungs- und Wellenübungen wurden die ZuschauerInnen schließlich von ihr aufgefordert, ein Gefühl zu nennen und entschieden sich für Ärger. Das Schauspiel begann mit Schimpfwörtern und SMS. Bei der Form handelte es sich um eine sogenannte Pyramide, bei der die Schauspielenden der Reihe nach in die Handlung einsteigen und diese wieder komplett verändern. Weitere Vorgaben, die das Publikum danach machte, waren eine 25- jährige Schäferin, die für Indianer schwärmt; der Titel „Die Gurke“ für ein Musical, die Musikrichtungen Reggae und Volksmusik (mit denen das Müllproblem in Venedig behandelt wurde), als Ort ein Blumenfeld, als Gegenstand Schwimmflügel oder als zwischenmenschliche Beziehung ein Geschwisterpaar. Die thematische Paillette reichte dabei von Inzest, Tod an gebrochenem Herzen über eine automatisierte Ministerin, die immer wieder hängen blieb und geölt werden musste; das Loswerden von Müll in Barcelona unter einer Statue; Bombenbeseitigung zu Kindererziehung, Alkoholismus oder Umweltpolitik.

Eine weitere Spielart war etwa, dass ein vom Publikum vorgegebenes Anfangsbild die Schlussszene darstellen musste.

Wellen bekam das Team speziell für die Umsetzung ein und derselben Szene ohne beziehungsweise noch mit den zwei verschiedenen Musikstilen oder für die „Schwimmflügel-Geschichte“, in der ein ängstliches Kind durch Schauspielerwechsel zum protestierenden Kind wurde, bis dass Panikschieber und Ausraster von beiden Seiten nicht mehr voneinander zu trennen waren.

Der Inhalt wies immer wieder satirischen und kritischen Gehalt auf, wenn es etwa hieß, dass das Kind die Sonnenblume nicht pflücken dürfe wegen der Umwelterhaltung und es doch stattdessen eine Plastikblume nehmen solle oder wenn die Schäferin meinte mit 25 Jahren jetzt eine Biografie schreiben und ein Abzeichen bekommen zu müssen. Umrahmt wurde die etwa eineinhalbstündige Veranstaltung von- ebenfalls improvisierter, sich der Situation anpassender- Klaviermusik.

Der Saal war weder ausverkauft noch leer, im Wesentlichen waren junge Erwachsene, aber auch einige Ältere sowie ein Kind- vermutlich im Grundschul- oder Unterstufenalter- die Gäste. Gelächter begleitete beinahe die ganze Show, (meine) Lachtränen inklusive. Für allgemeines Erheitern sorgten nichtsdestotrotz die Pannen, dass eine Rolle statt Ferdinand mit Josef angesprochen wurde, eine 50 Kilogramm Gurke auf einmal gar 70 wog oder statt zwei SchauspielerInnen, die auf der Bühne stehen sollten, plötzlich nur mehr einer oder gar drei involviert waren.

Die eigenen Reize des Improvisationstheaters im Vergleich zum inszenierten Theater können darin bestehen, dass die Personen selbst wieder mehr im Mittelpunkt stehen, extravagante Bühnenbilder verlieren an Bedeutung. Als ZuseherIn wird  man überrascht und bekommt quasi bei jeder Show eine Uraufführung geboten.

Persönlich glaube ich, dass man mehr aus Alltagsszenen herausholen könnte und nicht immer extra ausgefallene oder besonders lustige Dinge und Titel vorgeben müsste. Hier geht die Anregung allerdings klar an das Publikum und nicht an die Schauspielenden selbst.

Interessant fand ich nach Hintergrundrecherche den Aspekt, dass genau derjenige, welcher in den musikalischen Szenen punktete, auch eine Ausbildung dazu hat oder ein anderer Schauspieler, der vor allem die politischen Diskurse lieferte, als freier Mitarbeiter des ORF arbeitet.

Die Impropheten haben letztes Jahr bei der Langen Nacht der Bühnen mitgewirkt und gelangten im selben Jahr ins Semifinale der Theatersport- Meisterschaften, bei der sie auch gerade eben erneut teilgenommen haben (4-7.12. im Posthof). Am 31.1. 2013 wird ihr neues Programm „Inside out“ im Posthof vorgestellt. Sie können des Weiteren für (private) Auftritte gebucht werden.

Hintergründe

Andrea Schnitt ist (neben Inperfect) die Leiterin und Gründerin der Impropheten. Die Gruppe arbeitet kontinuierlich mit TrainerInnen zusammen.

Das Improvisationstheater im Allgemeinen geht bis ins antike Griechenland zurück und baut auf der Commedia dell`Arte und der Stegreifkomödie auf. Während die Anerkennung ein langwieriger Weg war, wurden in den 1940er Jahren Improvisationstechniken entwickelt bis hin zu den Improvisationsspielen in den USA. Inspiration wurde zum Beispiel von Brechts Theaterphilosophie geschöpft. Die heute bekannteste Form stammt von Keith Johnstone und wurde in den 1970er Jahren unter der (rechtlich geschützten) Bezeichnung „Theatersport“ entwickelt.

Kurzentschlossene seien auf die nächste Veranstaltung im Improvisationstheaterbereich hingewiesen: Gruppe „Die Zebras“ am Montag, den 17.12 um 20 Uhr im Eisenhandtheater.

Links und Webtipps: 

Katharina ist Sozialwissenschaftlerin und Redakteurin. Sie beschäftigt sich vor allem mit gesellschaftlichen (z.B. frauenpolitischen) und kulturellen (z.B. Film, Theater, Literatur) Themen. Zum Ausgleich schreibt sie in ihrer Freizeit gerne literarische Texte: https://wortfetzereien.wordpress.com/