„Rausch“: Liebe und andere gesellschaftliche Probleme

„Rausch“, das neue Stück von Falk Richter, wurde am 18. Jänner 2013 im Linzer Eisenhand Theater uraufgeführt. Die zweite Inszenierung durch Willert (nach der ersten im April 2012 in Düsseldorf) setzt vor allem auf starke Texte, Zeitkritik und ein schlichtes Bühnenbild.

Was ist, wenn das Phänomen Liebe nur mehr ein Produkt ist, in das wir Arbeit stecken müssen? Ein Produkt auf einem schnelllebigen Markt, beliebig austauschbar, profitmaximierend für den Handel, BeraterInnen und  andere Bereiche. Beziehungen werden nicht mehr als individuelle Entscheidungen dargelegt: Wir projizieren Normen und Werte von außen in uns selbst und auf Zwischenmenschliches. Jede Beziehung solle bestimmten Standards und Erwartungen gerecht werden. Für das Unglücklich- Sein müsse man sich genauso rechtfertigen wie als Dauersingle vor der Familie.

Die SchauspielerInnen Nancy Fischer, Gunda Schanderer, Katharina Vötter, Katharina Wawrik, Konstantin Bühler und Thomas Kasten bewegen sich in ihren Darstellungen vor allem zwischen Orientierungslosigkeit, Kommunikationsunfähigkeit, Unsicherheit und Überforderung, Euphorie oder Enthusiasmus (bezüglich Revolutionen). Die Palette gespielter Szenen reicht dabei von Beziehungsberatung, Beziehungspause, Eifersucht zu Gefühls-Wirrwarr über das Briefschreiben an die Mutter, in der man ihr vom Leben in einem Zelt- Camp berichtet. Kritisiert werden sowohl die katholische Kirche, Großparteien, das kapitalistische Wirtschaftssystem, neue Medien (speziell Facebook) oder Institutionen wie die Polizei und Krankenkassen, teils durch Nennung aktueller Ereignisse.

Die Inszenierung durch weißes Bühnenbild, schliche Kostüme und anfangs sitzende Darstellende kann gewöhnungsbedürftig sein, lässt aber zugleich erahnen, dass es sich nicht um Theater handelt, wie man es sich vielleicht im klassischen Sinne vorstellen mag. Für Schimpfwörter gibt es in diesem Werk genauso Platz wie für Zitate, englische Passagen, Popmusik und Tanz. Als die Verfremdung der Sprache behandelt wird, wird kurz Rumänisch und Norwegisch eingesetzt. Beim doch eher gehobenen Englisch war die im Hintergrund laute Musik ein Nachteil. Eine Souffleuse in der ersten Reihe des Publikums als auch ein kurz herumlaufender Hund trugen zu weniger Etepetete bei.

„Rausch“ ist definitiv kein Stück zur bloßen Unterhaltung. Man wird als ZuseherIn aufgefordert, Gewohnheiten und das eigene Verhalten zu hinterfragen, für Momente einfach mal innezuhalten und Verantwortung zu übernehmen. Es wird einem in Aussicht gestellt, dass das politische und wirtschaftliche System so nicht mehr lange weiterbestehen könnten, weshalb wir uns bereits in einer Übergangszeit befinden würden.

Nichts desto trotz kann auch ohne Gewissensbisse gelacht werden, wenn etwa Studien herangezogen werden, wonach der Mann eine Stunde in eine Therapie gehen sollte, weil er eh verdrängen würde, aber die Frau weitaus mehr bräuchte, da sie emotionaler sei. Polygame Beziehungen seien aber vielleicht überhaupt die idealere Lebensform, da man so Druck und Beziehungsarbeit aufteilen könne. In dem Brief an die Mutter werden auch homosexuelle Beziehungen nicht außen vor gelassen.

Obwohl „Rausch“ Elemente des absurden und epischen Theaters übernimmt, steht für mich die Literatur mehr im Vordergrund als das Schauspiel an sich. Des Weiteren würde ich behaupten, dass „Rausch“ eher ein Stück über die Gesellschaft und Liebe ihr Ausdrucksmedium ist. Wer allerdings nicht mit falschen Erwartungen und Konservatismus herantritt, wird auch nicht enttäuscht beziehungsweise sogar bereichert werden.

Die nächsten Aufführungen finden am 22.1, 26.1, 30.1, 5.2., 9.2. und 16.2. 2013 statt. (http://www.landestheater-linz.at/8578_DE-Die_Stuecke.-Stueckinfo.htm?stueckid=2594&sparte=11)Die erste Aufführung war ausverkauft.

Näher Interessierten seien noch die Bücher „Warum Liebe weh tut. Eine soziologische Erklärung“ (Eva Illouz) und „Agonie des Eros“ (Byung- Chal Han) empfohlen.

Hintergründe

Die Aufführungsdauer beträgt etwa eine Stunde und 35 Minuten. Der Autor Falk Richter wurde 1969 geboren, studierte Regie und ist neben der Schriftstellerei als Übersetzer und Regisseur tätig. Eigene Stücke neben „Rausch“ wären etwa „Unter Eis“, „Die Verstörung“ oder „Im Ausnahmezustand“.

Katharina ist Sozialwissenschaftlerin und Redakteurin. Sie beschäftigt sich vor allem mit gesellschaftlichen (z.B. frauenpolitischen) und kulturellen (z.B. Film, Theater, Literatur) Themen. Zum Ausgleich schreibt sie in ihrer Freizeit gerne literarische Texte: https://wortfetzereien.wordpress.com/