EDITORS: „Zur richtigen Zeit, am richtigen Ort – das ist nicht bloß eine Floskel“

Groß vorstellen muss man die Editors eigentlich nicht mehr. Seit dem Jahr 2005 bereichern sie die Musikwelt mit post-punkigem Wave-Rock der britischen Güteklasse. Wer Schwierigkeiten mit der Bewältigung des Lebens hatte, der griff zu Alben wie „An End Has A Start“ oder „The Back Room“, die inzwischen und mit ruhigem Gewissen als Meisterwerke der jüngsten britischen Musikgeschichte deklariert werden können.

coverAuch auf ihrem jüngsten Werk „The Weight Of Your Love“ sitzt die Schwermut noch tief in den Gliedern. Nur die Atmosphäre, die ist heller geworden. Auf dem Vorgänger „In This Light And On This Evening“ war sie noch stockdunkel. Immerhin.

Sänger Tom Smith gibt an diesem Nachmittag keine Interviews. Zumindest scheint es so, denn selbst Kollegen kriegen den Sänger nicht vors Mikro. Gar nicht schlimm, denn Gründungsmitglied Edward „Ed“ Lay sowieso Neuzugang Elliott Williams haben selbst genug zu erzählen. Ein Interview mit subtext.at über Fehlannahmen, amerikanisch klingende Platten und italienische Fans.

subtext.at: Nach mehr als zehn Jahren im Musikgeschäft, welches Klangbild wolltet ihr mit eurem jüngsten Album „The Weight Of Your Love“ erzielen?
Ed Lay: Speziell aus meiner Sicht würde ich sagen, dass ich mit dem Drumsound auf den vorherigen drei Alben nie so ganz zufrieden war. Klar, ich bin ja auch der Drummer (lächelt). Diesmal klingt er so, wie ihn mir vorstelle. Thunderous. Donnernd. Wie ein Blitzschlag. Klar, wir haben in der Vergangenheit mit allerlei Klanglandschaften experimentiert, aber speziell beim Schlagzeugsound haben wir uns diesmal gesteigert.

subtext.at: Für mich fühlt es sich so an, als würde dieses Album die neuen Fans mit der alten Editors-Welt verknüpfen und die alten Anhänger mit den neuen Klanglandschaften, die ihr auslotet. Ihr mixt sozusagen beide Welten zusammen.
Elliott Williams: Das finde ich gut. Ich denke, es kann einer Band nichts Besseres passieren, die seit mehr als zehn Jahren Platten veröffentlicht. Es gibt eine Diskographie und die Leute haben etwas, was sie neben all dem Neuen für sich entdecken können. Trotzdem ist toll zu sehen, dass bei den Konzerten die neuen Stücke so gut aufgenommen werden.

subtext.at: Diesmal unterscheiden sich Songs sehr voneinander – wie auch generell eure Platten. Ist das bewusst von euch geplant?
Ed Lay: Nein, das würde ich nicht sagen. Wenn du eine Platte machst, dann gibt es sehr wenig, was du überhaupt steuern kannst. Oder bewusst planen. (überlegt) Wir hatten diesmal ganz unterschiedliche Songs parat, die Tom geschrieben hat. Liebesgeschichten, aber auch Lovesongs, die nicht unbedingt dem klassischen Repertoire angehören. Was wir nicht hatten: Eine Agenda, die besagt, dass uns noch diese oder jene Songs fehlen. Wir haben von den jeweiligen Liedern dann verschiedene Versionen angefertigt und uns für die beste Variante entschieden. Wir haben nicht die Version ausgewählt, die sozusagen klanglich auf dem Album noch gefehlt hat.

subtext.at: Ist es die aufrichtigste Platte, die ihr bisher gemacht habt? Viele Künstler sagen das andauernd, aber bei euch habe ich dieses Gefühl.
Ed Lay: (überlegt) Das kann schon sein. Als wir unser Debütalbum „The Back Room“ herausgebracht haben, waren wir noch sehr jung. Und aufgeregt. Ich denke, dass „The Weight Of Your Love“ etwas von dieser damaligen Aufregung in sich trägt. Was die Songs neuerdings angeht, sind sie für mich deutlich erwachsener, wenn man das so sagen kann. Wir sind definitiv als Band gewachsen.

subtext.at: Seid ihr in einer Position, wo ihr euch über etwaiges Radio-Airplay oder Verkaufszahlen noch Gedanken machen müsst?
Elliott Williams: Darüber macht man sich schon ein paar Gedanken. Klar, es gibt eine Fanbase, was toll ist. Ich meine, wenn mal etwas von uns im Radio laufen sollte – warum nicht? Finde ich gut, wenn es passiert, auch wenn man nicht darauf abzielt. Es kann einer Band sicherlich nicht schaden, wenn sie im Radio gespielt wird. Wenn wir auf Popularität abgezielt hätten, wäre „The Weight Of Your Love“ eine Dubstep-Platte geworden (lacht). Ist in England gerade total angesagt.
Ed Lay: Manchmal passieren auch Überraschungen. Wer hätte beispielsweise gedacht, dass unser letztes Album „In This Light And On This Evening“ in Belgien so erfolgreich sein würde? Zurzeit bekommen wir auch viel Airplay in Italien, was nicht minder verblüffend ist. Zur richtigen Zeit, am richtigen Ort – das ist nicht bloß eine Floskel. Es hat schon seine Bedeutung.

subtext.at: In Italien soll der Markt für Rockbands ja eher schwierig sein. Ich erinnere mich an eure ehemaligen britischen Kollegen von The Cooper Temple Clause, die dort auf sehr schwieriges Publikum getroffen sind.
Ed Lay: Wirklich? Das überrascht mich (lacht). Ich kann das nicht bestätigen. Wir haben einige Hardcore-Fans, die ziemlich enthusiastisch sind und eben aus Italien kommen. Es gibt Fanclubs, die sich dann bei unseren Konzerten treffen.
Elliott Williams: Vielleicht hängt das mit ihrer Mentalität zusammen, dass sie sich so enthusiastisch geben (lacht).

subtext.at: Musikalisch habt ihr ja schon einige Felder abgedeckt. Gibt es überhaupt noch mehr für euch zu entdecken?
Ed Lay: Absolut. Das ist ja auch der Unterton der Editors, wenn du so willst. Ich habe keine Ahnung, wo es uns als Nächstes verschlagen wird und wie das nächste Album klingen wird. Es ist alles möglich. Diese Platte haben wir für einen längeren Zeitraum in Amerika aufgenommen, obwohl ich nicht glaube, dass wir mit einem amerikanischen Album zurückgekommen sind. Häufig lese ich das. Für mich klingt sie immer noch britisch, von der Art her, wie Tom singt beispielsweise. Es tut gut, mal den Ort des Geschehens zu wechseln und sich inspirieren zu lassen. Vielleicht ist es das nächste Mal Europa, wer weiß?

subtext.at: Dass ihr jetzt mit einer amerikanisch klingenden Platte zurückgekommen seid, habe ich auch relativ oft gehört und gelesen.
Ed Lay: Na siehst du (lacht)!

subtext.at: Dem würde ich nicht ganz zustimmen. Für mich mutet es so an, als hättet ihr versucht, für jeden einzelnen Song eine eigene Welt zu kreieren.
Ed Lay: Ja, total. Ich wiederhole mich, aber ich bin der Meinung, dass es einfach starke Songs sind. Und außerdem hat Tom die beste Sangesleistung seiner Karriere auf dieser Platte abgeliefert.

subtext.at: Das stimmt.
Ed Lay: Er hat sich wirklich gepusht. Auf eine Weise wie nie zuvor.

subtext.at: Wie seid ihr denn, wenn ihr im Studio seid? Chaoten? Arbeitet ihr strukturiert?
Ed Lay: Es ist ein bisschen von beidem.
Elliott Williams: Bevor du ins Studio gehst, hast du gewisse Ideen, die du realisieren willst. Oft funktionieren diese nicht, aber dann beginnt erst das Zusammenspiel einer Band. Dann wird es magisch, weil sich plötzlich neue Wege offenbaren, die du davor nicht kanntest. Und die Editors sind ja jetzt zu fünft.
Ed Lay: Wenn jeder im Raum diese Magie spürt, dann ist das einfach ein total überwältigendes Gefühl.

subtext.at: Ist die Dynamik zwischen dir und Tom über die Jahre eine andere geworden? Hat sich das Grundgefühl der Editors verändert mit der Zeit?
Ed Lay: Ja, sicherlich. Tom ist viel selbstsicherer geworden. Und wie bereits gesagt, wir sind nun zu fünft, was auch eine neue Dynamik ins Spiel bringt. Nun ist es so, dass jeder seine Ideen und Vorstellungen mit einbringen kann. Das war bei uns nicht immer der Fall. Außerdem sind in der Zwischenzeit auch Babys zur Welt gekommen, was einen sicherlich auch verändert.

subtext.at: Was ist wohl die größte Fehlannahme, die Leute über die Editors haben können? Dass ihr immer ein Haufen Elend und ständig emotional angeschlagen seid?
Ed Lay: Ja, so etwas in der Art trifft es schon ganz gut (lacht). Klar, die Songs sind dunkel und voller Emotionen, wenn wir sie auf der Bühne vortragen, aber hey, wir sind ansonsten fünf normale Jungs, die gerne Fußball auf der Konsole spielen.

subtext.at: Keine Horrorspiele? Ich bin enttäuscht.
Ed Lay: Nein, nicht so sehr. Wir haben kein Ouija-Brett, mit dem wir Geister beschwören (lacht).

subtext.at: Was würde wohl der junge Ed Lay von dem heutigen halten? Dieselbe Frage auch an dich, Elliott.
Ed Lay: Hm, gute Frage. (überlegt) Vielleicht, dass es eine gute Entscheidung war, die Band damals zu gründen.
Elliott Williams: „Dude, you’re killing it“, hätte ich wohl gesagt (alle lachen)! Mein dreizehnjähriges Ich würde mich und das, was ich heute tue, bestimmt lieben.

subtext.at: Das ist wohl schwer anzunehmen.
Elliott Williams:
Mein dreizehnjähriges Ich wäre extrem glücklich (lacht)!

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