THE COMMON LINNETS: „Unsere Klangsprache ist wie aus einem Guss“

Die Stadt Nashville aus dem amerikanischen Bundesstaat Tennessee lässt sich wohl mit ruhigem Gewissen als Musik-Mekka bezeichnen. Ob Jack White, Taylor Swift oder aktuell die Kings Of Leon, viele Karrieren wurden in dieser Stadt begründet. Auch für die Niederländerin Ilse DeLange hieß es irgendwann: Koffer packen. Nachdem sie in Holland bereits auf eine erfolgreiche Pop-Karriere zurückblicken konnte, war die Zeit reif für etwas Neues. Oder auch back to the roots, denn für Country hat sich die Blondine schon immer interessiert. Den ersten Weggefährten fand sie in Waylon, einem ebenfalls aus den Niederlanden stammenden Sänger. Gemeinsam sind sie die Common Linnets – ein offenes, wandlungsfähiges Bandprojekt.

Das heuer erschienene Debütalbum entstand in Nashville, doch der Durchbruch kam mit dem Auftritt beim Eurovision Song Contest 2014. Wäre Österreich und speziell Conchita Wurst nicht angetreten – The Common Linnets wären wahrscheinlich als Sieger hervorgegangen. Der Erfolg kam trotzdem, denn sowohl die Single „Calm After The Storm“ als auch das Album sind weltweit erfolgreich.

Eigentlich hätte unser Interview mit Ilse DeLange und Waylon stattfinden sollen, doch die Promotion übernimmt sie kurzerhand alleine. Aktuell wurde bekannt, dass der Musiker das Bandprojekt wegen künstlerischer Differenzen verlässt. Da ist er, der Haken an der Geschichte.
Ein Interview über Begegnungen, die Chemie zwischen zwei Menschen und Seelenverwandschaft.

subtext.at: Ilse, wenn du jemanden das erste Mal triffst, braucht der Verstand angeblich nur zwei Sekunden, um zahlreiche Schlüsse zu ziehen. Kannst du dich daran erinnern, wie es bei dir und Waylon war?
Ilse DeLange: Oh, das ist schon etwas her. Ich weiß leider nicht mehr genau, was ich in dem Moment gefühlt habe, denn ich war ein Teenager. Er auch. Ich denke, wir waren beide um die vierzehn Jahre alt und in der damaligen Countryszene in Holland aktiv, die nebenbei bemerkt sehr klein war und ist. Er hat Songs gespielt und ich habe gesungen. Natürlich ist er mir aufgefallen, weil nicht besonders viele junge Leute an Countrymusik interessiert waren. Er strahlte für mich etwas Besonderes aus. Selbst in der Masse von Leuten stach er irgendwie hervor, schon als Kind. Ja klar, ich erinnere mich an diesen Augenblick (lächelt). Als ich dieses Seitenprojekt unter dem Namen The Common Linnets gründen wollte, war er einer der ersten Personen, die ich kontaktiert habe.

subtext.at: Lass uns darüber reden, wenn die Chemie zwischen zwei Menschen stimmt. Manchmal macht es einfach „Klick“, wenn sich zwei Leute begegnen. Denkst du das auch?
Ilse DeLange: Ja, klar.

subtext.at: Dir war also bewusst, dass du und er auf einer Wellenlänge seid?
Ilse DeLange: Ja, weil wir die gleichen Interessen hatten. Die Kids in unserem Alter zu der Zeit standen auf LL Cool J, auf Rap halt. Sicher, auch ich habe diese Sachen gehört und verfolgt, aber ich fand es damals einzigartig, dass noch jemand anderes die selbe Musik mögen könnte wie ich. (überlegt kurz) Ja, es gab eine Verbindung zwischen uns – die jedoch erst mal verfolgen ist. Als wir noch Teenager waren, haben wir nicht gemeinsam gesungen und Songs geschrieben. Jeder von uns hat seinen Weg in die Musikszene in Holland angetreten. Ich habe Popmusik gemacht und dann zwei Alben veröffentlicht, die auch einen Countryanteil hatten und sehr erfolgreich waren. Waylon hat das in etwa gleich gemacht, obwohl auch er ein Stück weit von dem abgekommen ist, was uns ursprünglich verbunden hat. Ich wollte aber immer wissen, was er denn eigentlich so macht, wo er musikalisch steht – aber aus der Ferne, aus einer gewissen Distanz heraus. Es war nicht so, als wären wir die engsten Freunde gewesen und gemeinsam zur Schule gegangen.

subtext.at: Wie ist die Situation jetzt? Gibt es ein starkes Band zwischen euch, das euch verbindet?
Ilse DeLange: Zwischen uns beiden? Ja. Uns Inspirieren die gleichen Künstler und wenn wir gemeinsam singen, fühlt es sich so natürlich an. Es gibt definitiv eine Chemie zwischen uns. Unsere Stimmen harmonieren sehr gut miteinander, wir betonen die selben Wörter auf die gleiche Art. Wir wissen irgendwie, wie es zu sein hat und wie unsere Klangsprache aussehen soll. Unsere Klangsprache ist wie aus einem Guss. Das ist absolut etwas, was wir miteinander teilen.

subtext.at: Eure Performance beim Eurovision Song Contest heuer traf für mich den Nagel auf den Kopf – es schien so, als wärt ihr sehr selbstsicher, alleine und auch miteinander.
Ilse DeLange: Das haben wir versucht, ja.

subtext.at: Der Auftritt hat mir sehr gut gefallen, weil ihr beide zueinander gedreht wart und sozusagen für den anderen gesungen habt, anstatt für das Publikum. Es schien sehr beseelt und intim.
Ilse DeLange: Das wollten wir zum Ausdruck bringen. Wir haben hin und her überlegt, wie wir dem Publikum den Zugang zu uns vereinfachen können, damit sie sich auch als Teil unserer Perfomance fühlen. (überlegt kurz) Wir haben alles klein gehalten. Wir hätten mehr Effekte und Lichter verwenden können, aber das wollten wir nicht. Zwischen all dem Bombast, der beim Song Contest vorherrscht, wollten wir etwas kreieren, dass dich wirklich hineinzieht. And it worked (lächelt).

subtext.at: Finde ich auch.
Ilse DeLange: Das visuelle Bild, was man sehen konnte, hat die Emotion und den Inhalt des Songs für uns nur verstärkt. So sollte es eigentlich immer sein (lächelt).

subtext.at: Jeder möchte glücklich sein und wen finden, mit dem man seine Emotionen teilen kann. Ist Waylon eine Art Seelenverwandter für dich?
Ilse Delange: Ich würde es nicht so bezeichnen, denn für mich ist es eher wie eine Bruder-und-Schwester-Beziehung. Er ist sehr eigensinnig, ich bin sehr eigensinnig, doch wenn wir zusammen sind, läuft alles ganz entspannt ab. Klar gibt es auch Momente, wo er von mir genervt ist oder umgekehrt. So etwas muss man akzeptieren. Wie gesagt: Eine Bruder-und-Schwester-Beziehung. That’s how it works.

subtext.at: Habt ihr noch gemeinsame Interessen außerhalb von Musik?
Ilse DeLange: (überlegt) Essen. Wir mögen beides gutes Essen (lacht). Viele Musiker sind „Foodies“ (lacht). Das ist eine Gemeinsamkeit von uns. Ich denke, dass er ein ganz anderes Leben hat und führt als ich es tue. Wir machen beide Musik, wir haben unsere Erfolge, aber er ist ein anderer Charakter als ich – und das ist völlig in Ordnung. Vielleicht sind wir der fehlende Teil des jeweils anderen.

 

subtext.at: Guter Punkt.
Ilse DeLange: Wir komplettieren uns gegenseitig.

subtext.at: Sich verstanden zu fühlen ist wichtig, damit ein Band zwischen Menschen entstehen kann. Was ist dir wichtig, wenn du jetzt Musik mit jemand anderem machen möchtest? Nach welchen Kriterien wählst du deine The Common Linnets-Mitmusiker aus?
Ilse DeLange: Der oder die muss unvoreingenommen sein. Klar, auch ich bin eigensinnig, aber du solltest trotzdem so offen wie möglich sein, um dir eine andere Sichtweise anzuhören. Ich betone, dass The Common Linnets kein Duo ist. Viele Leute glauben, dass die Band aus mir und Waylon besteht aufgrund der Performance, was ich verstehe, aber es sind viel mehr Leute daran beteiligt. Es ist eine Gruppe, ein Projekt, dass sich verändern kann und darf. Unser Debütalbum haben wir mit sieben oder acht Leuten aufgenommen. (überlegt) Waylon schreibt und singt, währenddessen gibt es Leute, die nur am Schreiben interessiert sind oder nur am Produzieren. Der Fokus ist auf Waylon und mich gerichtet, aber wir sind eine offene Gruppe. Wie war noch mal deine anfängliche Frage (lacht)?

subtext.at: Nach welchen Kriterien suchst du dir deine Partner für The Common Linnets aus?
Ilse DeLange: (überlegt) Du musst den Leuten in musikalischer Sicht so viel Freiheit lassen, damit sie sich selbst treu bleiben können. Das ist eine interessante Frage. (überlegt) Meine Mühlen arbeiten (lächelt).

subtext.at: Das ist völlig in Ordnung.
Ilse DeLange: Ich habe nie versucht, meine Vorgehensweisen genau zu analysieren. Vielleicht liegt ja auch genau darin das Geheimnis des Ganzen. Wenn du eine ernsthafte Beziehung haben willst, egal ob in musikalischer Hinsicht oder in einer Liebesbeziehung, dann solltest du nicht allzu viel darüber nachdenken. Du solltest es nicht analysieren müssen. Einfach fühlen. Das sollte reichen. Es sollte sich natürlich anfühlen und nicht erzwungen. Ich glaube nicht, dass es einer Beziehung gut tut, wenn man etwas erzwingen will.

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subtext.at: Man sagt ja, dass Liebe blind macht.
Ilse DeLange: Ha!

subtext.at: Teilst du diese Ansicht?
Ilse DeLange: Mhm. (überlegt) Schau, ich bin keine, die alles Schwarz oder Weiß sieht. Es gibt keine konkrete Antwort von mir auf diese Frage. Ich denke, dass Liebe in bestimmten Aspekten sicherlich blind macht, aber total? Das glaube ich nicht. Es gibt immer Raum für die Realität. Ich bin als Person so. Ist aber auch sehr individuell, jeder sieht das anders.

subtext.at: Das ist mir bewusst. Ich bin ja auch daran interessiert, welche Meinung du dazu hast.
Ilse DeLange: Wie gesagt, für mich ist das nicht Schwarz oder Weiß. Ich kann nicht sagen, dass Liebe blind macht – aber ich kann das auch nicht verneinen. Siehst du, deswegen haben wir ja auch diesen ganzen Batzen von Songs, weil wir das nicht eindeutig beantworten können (lacht)!

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