Southside Festival – der erste Tag

Ideales Festivalwetter, kein Regen, entspannte (wenngleich auch sehr volle) Atmosphäre, Flunkyball-Rallyes am Weg zum Festivalgelände, der Presseplatz ist bezogen. Das Southside Festival 2014 steht in den Startlöchern. Acts wie Ed Sheeran, The Black Keys und Seeed versprechen bereits am ersten Tag hochqualitative Musik.
Bevor allerdings die Headliner auf der Bühne standen, boten die davor aufspielenden Acts bereits ein ansehnliches Warmup. „The Bots“ eröffneten pünktlich um 15 uhr das Festival, noch mit leichten soundtechnischen Problemen, dafür mit einer umso bemerkenswerteren Kopfbedeckung. Spaß hatten die beiden Amerikaner auf der Bühne aber dennoch. Gleich im Anschluss betraten auf der Blue Stage mit Twin Atlantic die ersten Indie-Rocker die Bühne. Abgehbar, tanzbar, aber nicht unbedingt unverwechselbar.

London Grammar im Anschluss brauchten keine großartige Show, um das Publikum in ihren Bann zu ziehen. Frontfrau Hannah beeindruckt eher durch ihre (verdammt gute) stimme als durch Ausdruckstanz. Ganz im Gegensatz zu Jennifer Rostock, die sich angezogener als bekannt, allerdings ebenso energiegeladen gab wie immer. Hier wurden wahrlich die letzten Besucher in Festivalstimmung versetzt. Schwänze, Sex und Schnaps gehören sowieso dazu, um das „Feuer“ zu entfachen. Und zum Schluss ist dann auch die Kleidung weniger geworden.

Weiter gehts: Metronomy machen da gehörig Stimmung. Gbenga Adelekan ist ein Poser vor dem Herrn, und das Publikum tanz hier wirklich von der ersten bis zur letzten Reihe. UK at its finest! Apropops UK’s Finest. Dazu gehören auch die White Lies. Die sind mit „Big TV“ mit ihrem dritten Album unterwegs, und können sich live immer noch, oder eher, mehr denn je hören lassen. Wenngleich die Stimmung im Vergleich zu Metronomy zuvor nicht ganz so ausgelassen war. Warum auch immer – die Jungs hätten sich fast mehr Zuspruch verdient. So bleibt „Farewell to the Fairground“ als Highlight des Konzertes bestehen. Traumhaft.

Groß auch der Kontrast danach. Während auf der einen Seite der gebürtige Israeli und nun in Großbritannien lebende Passenger solo neben seinem Solohit „Let her go“ auch Simon Garfunkels „Sound of Silence“ coverte und damit Schmusestimmung auslöste, geigten auf der anderen Stage Franz Ferdinand auf. Ja, genau die, die schon 2004 mit „Take me out“ und „Do you want to“ Weltruhm erlangten. Diese zwei Songs funktionieren auch heute noch am besten – aber auch die neuen Nummern dürfen sich sehen lassen. Tanzende Affen in der ersten Reihe natürlich inklusive. I want to take them still out!

Extase groß geschrieben wird seit jeher bei Bonaparte. Zurecht habe ich die mal als konzertfotografischen Orgasmus bezeichnet – Frontmann Tobias ist noch immer die gleiche Rampensau, die Bühnenshow ist nach wie vor Phänomenal, und Songs wie „Anti, Anti“ funktionieren fast besser als früher. Exzess, der leider für einige Besucher mit blutigen Nasen im Sanitätsstützpunkt endete. Nicht ganz so exzessiv trieben es danach „The Black Keys“. Was aber nichts heißen soll. Pat Carney und Dan Auerbach haben mit „Turning Blue“ eine neue Platte am Start, die sie auch hier am Southside präsentierten. Das – treue – Publikum dankt es mit tosendem Applaus, den man aber auch schon mal lauter gesehen hat. Die Livequalitäten des Duos, das hier zum Quartett ausgebaut wurde, wären eigentlich besser als hier gesehen. Vielleicht liegt es wirklich daran, dass „Turn Blue“ oft (an dieser Stelle sei gesagt: ungerechtfertigterweise) als „Sellout Record“ bezeichnet wurde.

Ed Sheeran danach ist so eine Sache. Als Singer/Songwriter großartig, als Rapper auch Jahre später noch gewöhnungsbedürftig. Macht aber nix – das (vorwiegend weibliche) Publikum in den ersten Reihen dankte ihm jede Silbe, die aus seinen Lippen kam. Angesichts dieser überwältigenden Stimmung, wo jeder Song textsicherst mitgesungen wurde, seien einzelne nicht ganz getroffene Töne verziehen!

Danach musste sich der ambitionierte Festivalbesucher entscheiden. Seeed, oder doch Lykke Li? Angesichts der schon gesehenen Show von Seeed, die mit „Augenbling“ einstiegen und all ihre Klassiker so laut vortrugen, dass man es auch am anderen Festivalende hören konnte, entschied ich mich hier für Lykke Li. Und wurde dabei nicht enttäuscht. Auch wenn – leider verständlich – alle auf den All-Time-Hit „I Follow Rivers“ warteten, war das gesamte Set gespickt mit Perlen, was auch zunehmend vom Publikum erkannt wurde – wurde die Stimmung im Verlauf des Konzertes doch immer besser. Vielleicht nicht die bessere Wahl gegenüber Seeed, aber die „richtigere“!

Den Abschluss des ersten Abends boten Fettes Brot. Erstaunlich, wie agil man auch um die 40 noch sein kann. Hits wie „Emanuela“, „Erdbeben“, „Schwule Mädchen“ und Co funktionieren auch heute noch. Da verzeiht man auch „Fußballgott“-Durchhänger – aber solange die Deutschen noch bei der WM sind, auch verschmerzbar. Und wenn man Macklemore-Beats verwendet und dabei besser klingt als das Original, hat man alles richtig gemacht!

 

Fotos: Christoph Thorwartl

Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.