„Der Sturm“: Gewaltiger Auftakt im Theater Phönix

Am 11.9. fand die Premiere des Stückes „Der Sturm“ im Theater Phönix statt. Sowohl Schauspiel und gesangliche Einlagen als auch Ernst und Humor, surreale und reale Lebenswelten lassen sich in Susanne Lietzows Inszenierung miteinander verbinden.
Prospero (Peter Badstübner), ehemaliger Herzog von Mailand, wird von seinem Bruder Antonio (Marcus Off) entthront, entführt und mit seiner Tochter Miranda (Rebecca Döltl) auf dem Meer ausgesetzt. Sie gelangen zu einer Insel, dessen Bewohner- Caliban (Sebastian Pass) und der Luftgeist Ariel (Felix Rank)- sich Prospero zu seinen Sklaven macht.
Als die Königin von Neapel (Judith Richter) mit ihrem Sohn Ferdinand (David Fuchs), Antonio und deren Gefolge an der Insel vorbeisegelt, scheint sich für Prospero eine Möglichkeit zur Rückkehr und Rache zu ergeben. Mit Hilfe von Ariel wird ein Sturm entfacht, der die Reisenden stranden lässt. Dennoch rechnet Prospero nicht mit allen Folgen, welche die Ankunft seiner Feind/inn/e/n mit sich bringen: Die betrunkenen Napolitaner Stephano (Marcus Off) und Trinculo (David Fuchs) möchten den Inselthron für sich einnehmen, Unterstützung bekommen sie dabei von Caliban. Während sich Miranda und Ferdinand ineinander verlieben, ist Antonio bereits dabei, weitere Intrigen zu planen…

Die Neuübersetzung und Bearbeitung von Brandon Larch behält schwarzen Humor und zum Teil auch poetische Sprache, die mit Alltagssprache und Kraftausdrücken verknüpft wird, bei. Dadurch bleibt Shakespearscher Charakter erhalten, der leichter zugänglich als das Original ist.

Des Weiteren ist die aktuelle Inszenierung mehr eine Komödie mit grotesken, gesellschaftspolitischen Elementen denn eine Romanze. Überspitzt sind Slapstick- Szenen, in denen die Königin vor Müdigkeit plötzlich in den Sand plumpst oder eine sprechende Muschel, die Sozialkritik äußert. Ihr Einsatz ist möglicherweise bereits zu offensichtlich und langwierig. (Gelungener) Verfremdet wird zusätzlich, als ein Schauspieler beispielsweise meint, nicht mehr weitergehen zu können, da er schon am Ende der Bühne angelangt sei und keinen Abgang machen möchte.

Vor allem die Aussagen und Handlungen der Figuren sind es auch, die Kritikpunkte hervorbringen: Miranda fragt Ferdinand, ob es stimme, dass Männer außerhalb der Insel Frauen Zugang zu Bildung verwehren, sie misshandeln etc.; woraufhin dieser zwar bejaht, jedoch mit dem Zusatz, dass er selbst anders sei. Mit Geschlechterrollen wird bei Ariel gespielt, der in Frauenkleidern von einem männlichen Schauspieler verkörpert wird.
Die Muschel hingegen spricht von ihrer Vision, mit der Natur friedlich in Einklang zu leben.

Bei den Charakteren handelt es sich um keine reinen Opferfiguren: Prospero wurde zwar entthront, wendet sich allerdings schwarzer Magie zu, macht sich die Bewohner seines neuen Wohnortes zu Sklaven und braucht lange, um Ariel gegenüber sein Versprechen einzulösen. Der Bewohner und Prosperos Sklave Caliban wiederum sinnt genauso auf Rache. Er wäre auch ohne seine Perversionen ein unsympathischer Charakter.

Abgesehen von der Darbietung hat das Schauspielteam gesangliche Leistungen gezeigt. Rank trifft die höchsten Töne, Pass klingt bedrohlich, Fuchs´ und Döltls Stimmen harmonieren miteinander (Musik: Gilbert Handler). Von klassischen Sonetten, wie man sie vielleicht aus dem Musikunterricht kennt, ist in diesem Stück nicht mehr viel zu erkennen.
Daneben sind dank der Technik Möwen, Wellen, Stürme oder gar Zauberei bestens auf der Bühne umgesetzt. Diese ist zugleich rustikales Wohnzimmer mit Kamin und Insel einschließlich Palmen, Muscheln, Sand und 36000 Liter Wasser (Bühnenbild: Marie Luise Lichtenthal). Speziell das Wasser und nicht überall gewollte Reflexionen seien eine Herausforderung gewesen, der man mit Beleuchtung, Chlor oder Salz entgegengetreten ist.
Neben diesem Zentralelement wird durch einen Tierkopf das Jäger-Dasein vermittelt, möglicherweise als Metapher dafür, dass Menschen in dem unvorhersehbaren Ende selbst zur Beute werden.

Dem Phönix Theater gelingt es nicht nur, Surreales mit Realem zu kombinieren, sondern „Der Sturm“ von Shakespeare zeitgenössisch, humorvoll, grotesk ohne Lächerlichkeit(en) und kritisch zu gestalten. So kann Theater auch (jungem), wenig theateraffinem Publikum Spaß machen.

Die kommenden Aufführungstermine sind der 14., 17-21.9., jeweils um 19. 30 Uhr – weitere Infos hier

Foto: Christian Herzenberger

Katharina ist Sozialwissenschaftlerin und Redakteurin. Sie beschäftigt sich vor allem mit gesellschaftlichen (z.B. frauenpolitischen) und kulturellen (z.B. Film, Theater, Literatur) Themen. Zum Ausgleich schreibt sie in ihrer Freizeit gerne literarische Texte: https://wortfetzereien.wordpress.com/