Yann Tiersen im Posthof

Freitagabend, Posthof, großer Saal, abgedunkelter Raum und das erwartungsvolles Tuscheln des Publikums. Einzelne Glühbirnen, auf Mikrophonständer geschraubt, erleuchten die Bühne und schaffen eine heimelige Atmosphäre. Es wird gemunkelt YANN TIERSEN – the music genius himself – könnte vom linken Bühneneingang kommen. Die Nervösität im Raum steigt und lacht sich ins Fäustchen.

…..zwei Minuten später…….unerwartet kommt er von der anderen Seite. Graues, ungekämmtes Haar, junggebliebener Körper, schwarzes, rockiges Outfit, Ohrring am linken Ohr – Markenzeichen. Er sieht etwas müde aus, aber ohne Allüren. Begrüßung auf Deutsch, kein erleichtertes Lächeln – mögliche Anspannung? Nein, er nimmt seinen Platz auf einem Barhocker ein und legt einfach mit Akustik-Gitarre,  Bandbegleitung inklusive, los. …..zehn Minuten später……mein Mund steht noch immer offen. Ich kann es noch immer nicht glauben.

ER,  YANN TIERSEN himself, steht wirklich auf der Bühne vor mir – Gefühl wie bei einem privaten Wohnzimmerkonzert – und macht Musik. Nicht auf meiner Wohnzimmercouch und auch nicht nur diese 0-8-15 gecoverten Versionen von „comptine d´autre été“ (der von ihm komponierten Filmmusik zum Film „Die fabelhafte Welt der Amelie“). Nein, er spielt instrumentale, klassische, neue, erfrischend andere, erleichternde, schwermütige Musik. Jedes Stück ein Genuß, eine Einladung in „seine Welt“, ohne Worte, wenn nur sperrlich in zusammengebastelten Soundcollagen. Die Botschaft kommt bei mir und teilweise auch beim Publikum an.

Die Zeit steht still, die Musik trägt mich und meine Gedanken fort von hier, fort von diesem Universum, in „sein Musik-Universum“. Warme Klänge, altbekannte Takte, aufgepeppt mit poetischem Stimmengeflüster und unbekannten Instrumenten. So Art „Mini-Chembalon-Sound“ mit Klangtürmen und Synthesizer – nebenbei tobt sich der Schlagzeuger und ein anderes Mitglied auf dem Xylophon aus. Von Blockflöte bis Bass, von Ukulele bis gefidelte Violine mit abgerissenen Bogenhaaren. „The Master of Surrealism“ (meiner Meinung nach in der Musik zumindest) wechselt seine Instrumente häufig unter einem Stück.

Dennoch spielt er alle Instrumente, die er beherrscht, mit so viel Enthusiasmus, als wäre es seine „Luft zum Atmen“. Leidenschaft, Irrsinn, Bewunderung und so manche Fragezeichen scheinen aus so manchen Köpfen im Publikum zu steigen.  Trotzdem geben sie jedes Mal tosenden Applaus, der oft ernst gemeint, manchmal oft als „deine-Musik-ist-zwar-ganz-schön-und-gut-aber-etwas-eigenartig-aber-ich-klatsch-trotzdem-Mal“ ausartet. …..nach dem Beifallklatschen gibt YANN TIERSEN mit etwas schlecht gesprochenem Englisch, aber mit lieb gemeinten Gesten, dem Publikum zu verstehen, dass er uns mehr elektronische Musik präsentieren will.

Auch sein neues Projekt mit einem Berliner Künstler. Gesagt, getan.Dieser Teil ist nicht jedermanns Sache, meine auch nicht. Für den Elektro-Club ganz cool, aber die Beats und Soundklänge scheinen sich zu wiederholen und lassen meine Füße müde werden.

Tja, Konzerte von YANN TIERSEN sind weder für Leute, die Mucke zum Abtanzen und Draufgehen suchen, noch für Fans, die nur eine Konzertkarte ergattern wollen, um den „Master himself“ dabei zuzusehen, wie er die Musiknummern von „Die fabelhafte Welt der Amelie“ und „Goodbye, Lenin“ runterspielt. Alles in Allem, ein toller Abend, gemischte Begeisterung im Publikum, ungewöhnliche Klänge mit ungewöhnlichen Instrumenten (wie z.B. Vibraphon) und Soundsequenzen.

Unbedingt ein Konzerterlebnis wert. Statt „großkotzigem Franzosen“ ein wahrer Meister in seinem Fach, ein bescheidener Musiker ohne Allüren mit viel Herz für Fantasie. „Infinity“ ist nicht nur der Titel seiner neuen Platte, sondern auch das Gefühl, mit dem man womöglich seine Musik beschreiben könnte.

Fotos: Christoph Thorwartl

Ich, ein Mädel aus Linzer Umgebung schreibe liebend gerne Konzert-Reviews, Filmkritiken und so manch anderes über Kultur, Leute und dem ganzen Drumherum. Wortspielereien mit Gefühlen, die echten Tatsachen und Stimmungen sind mein Metier, in dem ich mich am Wohlsten fühle. Kultur wie sie leibt & lebt im Linzer Raum und sonstwo, am Puls der Zeit, niemals vergessen, sondern dokumentiert, hier auf subtext.at Das ist meine Welt, ahoi!