CITIZEN: Everybody Is Going To Heaven

Citizen sind eine junge US-Rockband aus dem beschaulichen Ohio. Mit ihrem überragenden Debütalbum „Youth“ spielte sich die Band 2013 auf Anhieb in zeimlich viele Herzen. Die Mischung aus herrlich klischeebefreitem Pop-Punk, Emo und Indie Rock, gepaart mit tiefschürfenden Geschichten über die Ängste und Erfahrungen, die das Erwachsenwerden so mit sich bringt, machten diese Platte so berührend und unvergesslich. Nun wollen Citizen mit „Everybody Is Going To Heaven“ aber auf gar keinen Fall eine solide Selbstkopie abliefern, sondern wenden sich bewusst in eine andere Richtung.

Bereits das letztes Jahr veröffentlichte „Silo“, sowie die beiden Vorab-Singles ließen erahnen, wohin die Reise gehen würde. Ein bedrohlich scheppernder Bass, stampfende Grooves und düstere Gitarren Leads prägen das Klangbild. Dazu ein Mat Kerekes der sich entweder bedrohlich durch die Strophen flüstert („Cement“), oder unerwartet brachial drauflos brüllt („Stain“), um dann ein ums andere Mal wieder die schaurig schönsten Refrains der Welt auf uns loszulassen. Diese beiden Songs dürfen aber nur bedingt als stellvertretend für das gesamte Album gesehen werden. Denn in den 40 Minuten Laufzeit wird jede, bis dato vielleicht nur angedeutete Facette im Sound der Band ausführlich erforscht.

„Dive Into My Sun“ ist so etwas wie die Quintessenz dessen, was Citizen auf diesem Album geschaffen haben – Trauer, Hoffnung, Chaos und Ordnung verschmelzen zu einem Ganzen. Dann folgt „Numb Yourself“, welches gekonnt die Brücke zum ersten Album schlägt, sich aber genauso nahtlos in den beklemmend düsteren Sound der übrigen Stücke einfügt. Wer nach den gewohnt großartigen Hooks sucht, wird (neben den beiden Singles) hier fündig! „Heaviside“ kommt dann genau zum richtigen Zeitpunkt und entschleunigt das Geschehen. Eine wunderschöne Ballade, nur von Gitarre, Vocals und dezentem Schlagzeugeinsatz getragen.

„My Favorite Colour“ ist ein bedrohlich dahinstapfendes Monster von einem Song und hält die Spannung in jedem Augenblick so hoch, dass man meint gleich müsse etwas reißen. Hier umarmen Citizen ihre neue Seite besonders innig. „Weave Me (Into Yr Sin)“ brodelt unter der Oberfläche auf Hochtouren, hält sich aber gekonnt in Zaum und entfaltet dabei eine fast schon hypnotische Wirkung. Auf die bereits angesprochene Single „Stain“ folgt mit „Ten“ der einzige Aussetzer der Platte. Nach verheißungsvollem Beginn verläuft sich die Band in einem extrem statischen und uninspirierten Refrain. Was eigentlich nach wütendem Ausbruch klingen soll langweilt hier leider eher.

Zum Glück lässt die Wiedergutmachung in Form von „Yellow Love“ nicht lange auf sich warten. Man gibt sich wieder reduziert und zurückhaltend, während der Silberstreif am Horizont heraufbeschworen wird („A distant joy is dancing all around me“).

Das absolute Albumhighlight kommt zum Schluss. „Ring Of Chain“ baut sich Schicht für Schicht um ein simples Gitarrenriff herum auf, treibt die Intensität (und die Gänsehaut) bis auf die Spitze während Mat Kerekes sich verzweifelt fragt – „A ring of chains takes place of me, but where am I?!“ und entlässt uns zum Ausklang mit Streichern und einem starken Kribbeln im Bauch.

Citizen haben sich rasant weiterentwickelt und sind (1€ ins Phrasenschwein) erwachsen geworden. Die Texte sind reflektierter und poetischer geworden, gehen aber immer noch unter die Haut. Das Songwriting ist clever und das Soundgewand wurde der Band von Produzent Will Yip auf den Leib geschneidert. Mag „Everybody Is Going To Heaven“ auf den ersten Blick für einige sperriger und unzugänglicher als der Vorgänger wirken, so entfalten die Songs eine unglaubliche Sogwirkung, wenn man sich erst vollends darauf einlässt. Dann gibt es für die Finger kein Entkommen mehr von der Replay Taste. Definitiv ein heißer Anwärter auf mein Album des Jahres!

 

Citizen Everybody Is Going To Heaven

Tracklist:
1. Cement
2. Dive Into My Sun
3. Numb Yourself
4. Heaviside
5. My Favorite Color
6. Weave Me (Into Yr Sin)
7. Stain
8. Ten
9. Yellow Love
10. Ring of Chain

Everybody Is Going To Heaven, VÖ: 23. Juli
Run For Cover Records

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Schreibt Albumrezensionen, Konzertberichte und führt gerne Interviews - transkribieren tut er diese aber weniger gern. Immer wieder auch für Blödsinnigkeiten abseits seines Kerngebiets "Musik" zu haben. Hosted einmal monatlich die Sendung "Subtext on Air" auf Radio FRO, ist bei mehreren Kulturinitiativen und in einer Band aktiv.