folkshilfe: Raus aus den Schubladen!

Die folkshilfe. Volksmusik? Reggae? Mundart-Pop? Man kann sie in keine Schublade stecken – muss man aber auch nicht. Wer die drei Oberösterreicher schon mal live gesehen hat, weiß, dass ihre Konzerte vor allem eines machen: mächtig viel Spaß. Dass sie auch abseits der Bühne nicht zur spaßbefreiten Fraktion zählen, haben sie im Interview bewiesen.

subtext.at: Die erste Frage, die ihr gerne hinter euch bringen möchtet?
Mathias: Wie es uns geht – uns geht’s gut!
Florian: Wir wünschen uns, dass du die erste Frage stellst (lacht).

subtext.at: Ok, dann gleich mal eine etwas provokante Frage. Der Posthof ausverkauft – das schaffen nicht unbedingt viele Bands. Zynisch gefragt – seid ihr das erfolgreichste Crossover-Projekt, das Österreich derzeit zu bieten hat?
Florian: Das ist sicher etwas, was man nicht pauschal beantworten kann. Wir haben zur richtigen Zeit für unser Projekt einen Boost bekommen – und das Glück gehabt, über den ORF auch mit einer Steirischen, die schon von Haus aus polarisiert, ins Rampenlicht zu kommen. Obwohl die Steirische vielleicht gleich mit der Volksmusik assoziiiert wird. Aber natürlich ist es ein geiles Gefühl, als Linzer Band den Linzer Posthof auszuverkaufen.
Gabriel: Wir machen das, was wir halt gerne machen – dass der Funke da so überspringt, ist natürlich geil.

subtext.at: Ihr wart also die Band, die das Glück hatte, dass der Songcontest gerade zum richtigen Zeitpunkt kam?
Florian: Das Coole war, dass wir eine der Bands waren, die auch als Band wahrgenommen wurden. Wir sind als Band gekommen und sind als Band gegangen. Die Leute haben Bock, uns live zu sehen – wie man auch zum Beispiel am Wurmfestival gesehen hat. Das ist fast schon eine Ehre, wenn die folkshilfe neben Bands wie Rakede, Johann Sebastian Bass und Olympique auch dazu passt. Das Publikum bestätigt uns – das taugt uns. Da fängt dann auch der Crossover für uns an. Da geht’s aber nicht nur darum, einen Synthi und eine Quetschn zu kombinieren. Wir sind neben der folkshilfe auch als Musiker tätig – und hätten nicht geglaubt, dass eine Band, wo eine Steirische dabei ist, so einschlägt.

Wurmfestival THE END - Folkshilfe

subtext.at: Also seid ihr die Antipathie zur klassischen Volksmusik?
Florian: Wir haben gar nichts mit der Volksmusik zu tun – bis auf Tatsache, dass wir eine Steirische dabei haben. Ich hab das auch nicht gelernt – ich kann klassische Volkslieder gar nicht spielen. Der Mathias hat klassische Gitarre studiert, ich Jazzgesang, der Gabriel studiert Schlagzeug – es ist also nett, zu sagen, Folkshilfe sei eine Volksmusik-Band, das ist es aber nicht. So wie wir alle in Österreich mit der „Volksmusik“ aufgewachsen sind, sei es Frühschoppen oder ähnliches, ist auch unser Zugang.

subtext.at: Wie sehr seht ihr die Gefahr, nur wegen der Steirischen in die Volksmusik-Schublade gesteckt zu werden?
Florian: Der Österreicher denkt ja an sich gerne in Schubladen. Das haben wir alle gelernt – man startet sicher ganz anders in der Wahrnehmung, muss sich aber auch Einiges erkämpfen. Um es kurz auszudrücken: die Gefahr ist sicher sehr hoch, ja. Einfach nur wegen der Quetschn. Wir haben dann auch ein Musikvideo zu „Seit a por Tag“ gemacht, wo nicht mal eine Quetschn zu sehen ist. Über unsere Agentur haben es dann einige Leute in England gehört – und die haben gemeint, dass es ein cooler Reggae-Song ist. Aber Otto Normalverbraucher denkt sicher an Künstler, die mit uns gar nichts zu tun hat.

subtext.at: Besagtes Video wurde in der Linzer Tabakfabrik gedreht – die assoziiert man ja so gar nicht mit Volksmusik. Also eine bewusste Entscheidung, dort hin zu gehen?
Florian: Wir haben für uns für das Video drei Parameter definiert. Wir sind natürlich eine lustige Band, wo der Schmäh rennt. Wir wollten ein hochwertiges Video mit einer Story dahinter, und die Qualität sollte auch noch passen. Das war richtig schwer. Deswegen wollten wir das „Sudern“ anhand einer Choreographie thematisieren. Wie sich dann jemand was denkt, ist dann natürlich wieder eine andere Sache. Wir sehen uns schon als Indie-Band mit Hang zum Alternative, stark in Richtung Pop. Was aber bei der folkshilfe das Schöne ist, ist, dass Leute, die vielleicht ohne die Quetschn nie auf eines unserer Konzerte gehen würden, auch kommen. Das ist schon auch cool.
subtext.at: Bleiben wir gleich bei Pop und Volksmusik – beides, wo der Songaufbau jetzt nicht der komplizierteste ist, zumindest dem Klischee nach folgend. Wenn man euch hört – orientiert ihr euch auch daran?
Florian: Bei uns erklärt es sich von selbst, wenn man mal ein ganzes Konzert von uns gesehen hat. Das ist ein Bestandteil. Es ist nicht so, dass jedes Stück komplett einfach ist.
Gabriel: Harmonisch ist es schon.
Florian: Es ist gerade bei „Seid a poa Tag“ so passiert. Es ist schwierig, wenn man sagt, dass man gernreübergreifende Songs machen möchte. Wir skizzieren viele Dinge – andere sehen den Song etwa als Reggae-Song. Der ist ja auch nicht anders aufgebaut – außer wenn vielleicht da vorn ein Mensch steht, der cool auf Englisch singt. Das ist was ganz anderes, als wenn die folkshilfe mit einer Steirischen da vorne steht.

subtext.at: Also ein folkshilfe One-Drop-Song?
Florian: Es ist ja ein One-Drop-Song, ja. Zumindest in der Strophe.

subtext.at: Kommen wir mal zum unvermeidlichen Thema Songcontest. Wahrscheinlich auch für euch eine ganz andere Erfahrung als die, die ihr vorher machen durftet. Euer größtes, einschneidendes Erlebnis?
Gabriel: Man muss voll funktionieren, und man hat drei Minuten lang Zeit, sich zu beweisen. Das ist uns schwer gefallen. Da macht sich jeder das Bild. In der ersten Sendung haben wir „Seid a poa Tag“ gemacht, und in der nächsten ein ernsteres Lied mit drei Gitarren.

subtext.at: Der Songcontest ist also ein großer Bandcontest?
Florian: Der ORF hat eines gut gemacht – er hat sich sechs Bands ins Finale geholt, die auch wirklich Bands sind. Mit Abstrichen (alle lachen). Natürlich muss man sich für eine Fernsehsendung einiges überlegen – welche, ist aber dann schon egal. Da geht’s um Kleidung, den Auftritt und so. Das waren wir nicht gewohnt – wir wollen auf die Bühne abgehen, und andererseits wollen wir auch mit der Jogginghose auf der Straße Musik machen.

Wurmfestival THE END - Folkshilfe

subtext.at:  Beim Songcontest ist es oft so, dass die Songs nicht von den Interpreten geschrieben werden – wäre das ein großes Problem für euch?
Florian: Kann man pauschal so wohl nicht sagen. Wir hatten das Glück, dass wir unsere beiden Songs selbst geschrieben hatten.
Mathias: Ich glaub, da geht’s eher um das Zwischenmenschliche. Wenn uns jemand den Song hinknallt und sagt, dass ihr den jetzt halt spielt, hätten wir wahrscheinlich ein Problem damit, ja. Wenn es ein Musiker ist, und wo das Ganze ein durchdachter Prozess ist, dann warum nicht? Es kommt immer darauf an, wie man an das herangeht. Im Fall des ESC ist es passiert – da wurden wir auch nur minimal Ideen eingebracht
Florian: Sagen wir mal so – es gibt Studiomusiker, die gehen in ein Studio und spielen schnell was ein, einfach weil sie es den ganzen Tag so machen. In Amerika ist es dann ähnlich – da gibt es eine riesige Songwriter-Szene. Da wird zwischen Artist und Songwriter ein großer Unterschied gemacht. Es gibt großartige Songwriter, die vielleicht mal selber Artist waren, wo es aber nicht so gut funktioniert hat. Die haben dann geswitcht. Bei Uns war es Julie Frost, die etwa „Umbrella“ geschrieben hat. Die ist zu uns gekommen, und hat dann Inputs gegeben. Das war schon interessant.

subtext.at: Aus eurer Sicht auf die folkshilfe – seid ihr unglücklich, dass ihr im Finale singen musstet?
Mathias: Wie wir uns vorgenommen haben, in die Vorausscheidung zu gehen, haben wir gesagt, dass es ideal wäre, wenn wir die vier Liveshows spielen, weil man das deutschsprachige Publikum super erreicht. Rein textlich hörts mit den Landesgrenzen dann schon auf. Auch wenn wir einige englische Hooks haben.
Florian: Das ist wie bei La Brass Banda – den bayrischen Slang verstehen ja nicht mal wir.
Mathias: Wir sind sehr glücklich, wie es gelaufen ist (schmunzelt).

Wurmfestival THE END - Folkshilfe

subtext.at: Ihr seid von großen Konzerthallen bis zu Zeltfesten oft gebucht. Ein großer Unterschied für euch?
Mathias: Es ist schon eine Ehre, etwa in Linz im Posthof zu spielen, wo 900 Leute nur wegen dir kommen.
Florian: Wir hätten auch größere Hallen füllen können. Das ist schon geil. Aber dadurch, dass wir in die erwähnte Schublade schnell abgeschoben werden, sind sicher Unterschiede da. Wir selektieren schon, wo wir auftreten.
Mathias: Gerade durch den ORF, wo uns mehr Leute kennen, müssen wir aussieben. Sonst unterstützen wir die Schublade, in die wir ohnehin gesteckt werden, noch zusätzlich.

subtext.at: Aber die Tendenzen, dass euch jeder Zeltfest-Veranstalter booken will, ist schon gestiegen?
Mathias: Ja, klar.
Florian: Das ist aber oft so, bei vielen Bands. Wenn man da wüsste, was da alles reinkommt.

subtext.at: The Makemakes werden aber auf Zeltfesten wohl eher nicht gebucht…
Florian: Klar, stimmt. Eine Quetschn sagt halt leider doch viel aus.
Mathias: Macht es aber auch wieder interessant.
Florian: Es ist lustig – man hat wenigstens was, worüber man reden kann. In Österreich ist es eine Gradwanderung. Wenn La Brass Banda etwa in Bayern die Zeltfest-Tour spielt, ist das auch Hammer. Wir würden aber wohl in keinen Festzelten mit Bierbänken und Co. Spielen.
Mathias: Kommt aber wieder auf den Veranstalter an – man muss halt aufpassen. Das haben wir gelernt.

subtext.at: Zum Abschluss: was soll über die folkshilfe in zwei Jahren nicht gesagt werden?
Florian: Da fallen mir einige depperte Meldungen ein, die ich so nicht sagen darf (lacht).
Mathias: Private, beleidigende Dinge. Aber damit muss man rechnen.

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Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.