Enno Bunger – Flüssiges Glück

Enno Bunger, einer der Meister der deutschsprachigen Melancholie, ist zurück: Mit mehr Instrumenten, etwas weniger Traurigkeit und auch etwas Wut, aber immer noch mit gewohnt großartigen Texten im Gepäck.

„Wir sind vorbei“, sein Konzeptalbum aus dem Jahr 2012 ist ein kleines Meisterwerk. So traurig, so gefühlvoll haben nur wenige von der Zeit nach dem Ende einer Liebe gesungen. Purste Melancholie, all der Schwermut – Enno Bunger hat es verstanden, Gefühle ungewohnt einfach und doch komplex in Worte und Musik zu fassen. Drei Jahre danach kehrt er mit „Flüssiges Glück“ wieder zurück. Und liefert dabei einen Nachfolger ab, der etwas mehr Lebensmut beinhaltet. Das Album hat mehr Power, erzeugt mehr Druck und so politisch wie in „Wo bleiben die Beschwerden?“ hat man Bunger wohl bisher noch nie gehört. Es ist also vieles anders, aber bedeutet das auch, dass es besser ist?

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„Klumpen“ oder „Zwei Streifen“ klingen noch am ehesten nach dem „alten“ Enno Bunger. Doch mit dem Opener „Scheitern“, mit „Neonlicht“ oder „Nichts immer alles jetzt“ rückt die Musik stärker in den Vordergrund und verdrängt ein kleines bisschen die Intensität von Bungers Stimme. Hier könnte man natürlich von einem Makel sprechen, aber das Gesamtpaket des Albums ist trotzdem so stimmig, die Texte so toll, und die wichtiger werdende Musik so rhythmisch mitreißend. Vor allem auch beim vorletzten Song „Am Ende des Tunnels“. „Flüssiges Glück“ zeigt einen frischeren Enno Bunger, einen, der manchmal sogar in Richtung Sprechgesang abgleitet („Renn!“ und „Wo bleiben die Beschwerden?“). Es ist also am Anfang vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig, aber doch ein wunderbares Album geworden.

„Wo bleiben die Beschwerden?“ ist die erste Single-Auskopplung aus dem aktuellen Album. Mit diesem Lied offenbart er seine politische Seite und beschäftigt sich mit dem Rassismusproblem in Deutschland. Singt und spricht über die Rechten, die Neonazis, die NSU-Morde und die PEGIDA-Aufmärsche. Und dass in Wahrheit die offenbar breite Akzeptanz in der Bevölkerung für solche Gesinnungen das allergrößte Problem seien. „Ist unser Mitgefühl etwa in einem Flüchtlingsheim verbrannt?“, fragt er und rüttelt damit auf, schmerzhaft fährt er mit dem Finger in die Wunde, die es in Deutschland, aber genauso auch in Österreich gibt. Und mit „Wir können was dafür, wenn wir nichts dagegen tun“ fordert er dazu auf, nicht tatenlos zuzusehen. Ein bemerkenswertes Lied, gerade in dieser  Zeit.

Auch wenn man sich vielleicht einen weiteren Melancholie-Bunger erwartet hat – „Flüssiges Glück“ weiß nicht zu enttäuschen. Die neuen Wege, die der Sänger geht, sind nicht unbedacht gewählt. Man geht gerne mit ihm auf diese Reise, lässt sich mitziehen und ist gespannt, was da alles noch kommen wird. Und so wird dieses Album wohl noch einige Runden auf Heavy Rotation drehen. Und für die erwartbare Winterdepression gibt es ja immer noch „Wir sind vorbei“.

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29 Jahre alt - Literarischer Blogger (Neon|Wilderness), Autor ("Volle Distanz. Näher zu dir"), Medienblogger (dominikleitner.com), Printschreiber (MFG Magazin), freier Journalist (u.a. BZ), CD-Kritiker (subtext.at) und Detektiv (365guteDinge)