THE COMMON LINNETS: „Mit Fleetwood Mac verglichen zu werden, ist ein Kompliment“

Das offene, wandlungsfähige Bandprojekt aus den Niederlanden hat innerhalb eines Jahres noch einmal eine Wandlung durchgemacht. Nach dem überraschend frühen Ausstieg des Musikers Waylon, ist die vom Erfolg gekrönte Formation um Sängern Ilse DeLange nicht weiter geschrumpft, sondern bemerkbar angewachsen. Am Sound der Common Linnets hat sich auf „II“ dementsprechend einiges getan. Merklich voller tönt dieser aus den Boxen. Nichtsdestotrotz zimmert die Gruppe immer noch beseelten Countrypop und Folkrock, wie er im Buche steht: Angenehm, einladend und auch schon mal zupackend.

Wunderbare Harmoniegesänge erwarten einen, zu deren Ehren sich die Härchen am Arm aufrichten und die selbst Stevie Nicks absegnen würde, wenn sie Wind davon bekäme. Ein Interview mit Ilse DeLange und Mitstreiter JB Meijers über Musik als Ruhepol, Nummerierungen und Fleetwood Mac.

subtext.at: Ilse, 2014 erschien das Debüt der Common Linnets und nun gibt es schon den Nachfolger. Ich hätte ja gedacht, dass mehr Zeit zwischen dem ersten und dem zweiten Album vergehen wird.
Ilse DeLange:
Kann ich verstehen, dass du das so siehst.

subtext.at: Eure erste Platte wird noch im Radio gespielt und „Calm After The Storm“ scheint auch noch in den Köpfchen der Leute verankert zu sein.
JB Meijers:
Ja, hast du vielleicht recht.

subtext.at: Was waren die Beweggründe, so schnell einen Nachfolger zu veröffentlichen?
Ilse DeLange: Zufall, kann man sagen. Wir haben noch so viele Songs gehabt, um eine weitere Platte zu machen und wir haben immer Lust, Songs aufzunehmen, aber unsere Motivation lag nicht darin, möglichst schnell ein Album nachzulegen. Es ist ganz natürlich entstanden und wir hatten auch nie erwartet, dass der Erfolg nach dem ESC so groß sein würde. Ende Mai war ja der Song Contest, dann wollte ich dann und dann wieder zurück sein, ich habe einige Wochen mit meinen Freunden eingeplant, die jetzt auch die Common Linnets sind, um Songs für meine Soloplatte zu schreiben. So habe ich das gedacht, aber haha, es war natürlich anders (lacht). Es hat dann doch mehr nach Common Linnets-Material ausgesehen als nach Solomaterial. Es ging alles sehr, sehr schnell. Nummer 1 hier, Nummer 1 dort, es war ganz abstrakt. Wir hatten nie erwartet, dass einige Monate und jetzt einige Jahre später der Erfolg so weit reichen würde.

subtext.at: Du hast bei unserem ersten Treffen schon gesagt, dass die Common Linnets kein Duo darstellen, sondern ein offenes Projekt mit vielen Musikern sein soll. Viele haben das damals missverstanden.
Ilse DeLange: Die Songschreiber vom ersten Album sind jetzt auch die Künstler, die im Mittelpunkt stehen. Das ist ein Unterschied und das hört man auch. Jetzt gibt es ein Foto mit vier Leuten auf dem Cover. Man hört mehrere Stimmen und für mich entspricht die zweite Platte noch mehr meiner ursprünglichen Vorstellung. Ich möchte gern eine Band haben, und bei der ersten Platte war es mehr wie ein Duo, bestehend aus Waylon und mir. Jetzt singen auch Jake Etheridge, JB und ich singe auch mehr Harmonien als davor. Für mich ist es sehr cool, dass da die neue Platte ist. Vielleicht wollte ich die Musik einfach unbewusst schneller teilen mit dem Publikum.

subtext.at: Für meinen Geschmack ist „II“ mindestens genau so gut wie euer Debüt. Ich habe das Album um 2 Uhr nachts komplett gehört und finde, dass es mehr von allem gibt: Mehr Texturen, mehr Spielereien, es ist lauter, es ist leiser.
Ilse DeLange: Danke sehr, finde ich auch. Das zweite Album ist anders und eine natürliche Entwicklung für uns, denke ich. Wir sind nach dem Erfolg der ersten Platte auf Tour gegangen, da ist es natürlich ganz was anderes, in einem Raum zu sitzen oder in einem Studio zu sein und als Band aufzunehmen. (überlegt) Uns hat sich die Chance angeboten, um auf sehr natürliche Weise zu einer Band zusammenzuwachsen.
JB Meijers: Es war sehr gut für uns, dass wir das Material live ausprobieren konnten. Roadtested, sozusagen.

subtext.at: Viele vergleichen jetzt euer Zweitwerk mit Fleetwood Mac.
Ilse DeLange: Ja, hören wir oft. Sehr oft.
JB Meijers: Vielleicht wegen den Harmonien und dem Klangbild. Ich würde nicht sagen, dass wir nicht von Fleetwood Mac beeinflusst sind.
Ilse DeLange: Natürlich, wir lieben ihre Musik, aber es war kein Ziel, etwas zu machen, was nach Fleetwood Mac klingt.
JB Meijers: Es gab keine bewusste Entscheidung. Mit Fleetwood Mac verglichen zu werden, ist ein Kompliment.
Ilse DeLange: Ja, sicher.

subtext.at: Die Common Linnets symbolisieren für mich einen musikalischen Ruhepol. Die CD einlegen, auf der Couch Platz nehmen, in sich gehen und von Nashville oder Colorado träumen. Hört ihr das auch oft?
Ilse DeLange:
Habe ich noch nicht gehört, aber ich finde das sehr toll.
JB Meijers: Ich weiß, was du meinst. Ich als Produzent habe viele Schallplatten gemacht und da gab es immer den Tipp von der Plattenfirma oder vom Künstler selbst, dass es laut sein muss und schnell sein muss und alles wegblasen soll, am besten wie Metallica (haut auf den Tisch).
Ilse DeLange: Excitement (lacht)!
JB Meijers: Das ist mein Beruf und das habe ich viel gemacht, mit Erfolg. Ich mag das auch sehr, aber mit den Common Linnets wollten wir es anders machen. Nicht nur laut, sondern einfach machen und nicht viel darüber nachdenken.
Ilse DeLange: Nur schreiben, schreiben, schreiben. Alles muss organisch sein.
JB Meijers: Es muss natürlich klingen. Die Leute haben uns für verrückt gehalten (Ilse lacht)!

II

subtext.at: Wobei ich sagen muss, dass ihr jetzt nicht nur Songs habt, die ruhig und leise sind.
Ilse DeLange: Wir haben Songs wie „Walls Of Jericho“ und „As If Only“, die einen guten Kontrast zu den organischen und natürlichen Sounds darstellen. Wenn uns jemand mit einem Ruhepunkt oder Ruhepol assoziiert, dann sage ich: „Ja, cool.“ Cool zu hören (lächelt).

subtext.at: Wollt ihr eigentlich die Nummerierung beibehalten für die nächsten Alben à la Led Zepellin? Und besteht die Möglichkeit, dass auf dem nächsten Cover statt vier Leuten dann acht zu sehen sein werden?
Ilse DeLange: Ja, das kann sein.
JB Meijers: Wäre möglich, wir wissen das nicht. Hinter dem Titel, da haben wir uns gedacht, dass wenn wir einen Song als Titel nehmen, dann wird der Fokus auf diesen gelegt. Wir hätten es auch „The Diary Of The Common Linnets“ nennen können oder so.
Ilse DeLange: Oh mein Gott, nein (lacht).
JB Meijers: Die Songs sind für uns gleich wichtig im Moment. Wir haben uns gefragt, wie wir das Album denn jetzt nennen sollen und uns am Ende einfach für die Zahl 2 entschieden, das zweite Album eben. Aus ästhetischen Gründen haben wir die römische Schriftart gewählt. Wir wissen natürlich, dass Led Zeppelin das auch gemacht haben.
Ilse DeLange: Viele Leute haben auch gefragt, ob es eine Relation zu unserem zweiten Platz beim Eurovision Song Contest gibt, worüber wir überhaupt nicht nachgedacht haben (lacht).

subtext.at: Fühlt sich das zweite Album jetzt auch noch mal wie ein Debüt an, wegen all diesen Neuerungen?
Ilse DeLange: Eigentlich fühlt sich das Common Linnets-Abenteuer für mich an wie am Anfang meiner Karriere. Als ich in Holland angefangen habe, interessierte ich mich auch für Countrymusik. Damals hat jeder ein bisschen darüber gelacht, weil es jetzt eine Countrysängerin aus Holland gibt.
JB Meijers: Altmodisch, blablabla.
Ilse DeLange: Damit Erfolg zu haben, da haben die wenigsten daran geglaubt. Aus diesem Grund habe ich auch in Nashville meinen ersten Plattenvertrag bekommen, weil in meiner Heimat hat jeder nein gesagt. Natürlich hat es mich gefreut, dass mein Debütalbum dann eines der bestverkauften Alben geworden ist in Holland. Das hat das Fundament gelegt. Erst war aber immer nein, nein, nein, damit kannst du nicht erfolgreich werden. Mit den Common Linnets habe ich dann mit einigen Leuten geredet und von Anfang an war der Ausgangspunkt, nicht über Radio oder so was nachzudenken, sondern einfach eine Platte machen und von Herzen schreiben. Ich habe ein bisschen Geld gespart von meiner Solokarriere und dann habe ich mich entschlossen, das Projekt selbst zu stemmen und es für mich selbst zu machen. Niemand muss mir dann sagen, wann das fertig sein muss, wann es erscheinen muss, oh, es gibt keine Single und so weiter. Ich mache nur das, was ich liebe und dann sehen wir, was passieren wird. Und dann: Kaboom (schnippt mit dem Finger)! Da sehe ich eine Ähnlichkeit zum Beginn meiner Karriere. Wenn man nichts erwartet, man aber loslässt und nichts forciert, dann klappt es. Es fühlt sich natürlich sehr gut an, diese positive Überraschung (lächelt).

subtext.at: Fühlst du dich jetzt selbstbewusster mit der Band im Rücken?
Ilse DeLange: Ja, sicher. Ich habe auch sehr viel gelernt, um in einer Gruppe zu funktionieren. Das ist noch mal etwas anderes. Ich weiß, was ich will und ich habe eine starken Willen. Ich bin aber nicht die einzige Person in dieser Gruppe (lacht). Es hat einfach eine andere Dynamik.
JB Meijers: Die Entscheidungen muss die gesamte Gruppe eben treffen.

subtext.at: Bei Songwritern ist es bestimmt nicht verkehrt, wenn es gegensätzliche Meinungen gibt. Schließlich ergibt sich daraus eine Art von Spannung, die für die Musik nützlich sein kann.
Ilse DeLange: Das ist sicherlich so, ja. Anders klappt es auch nicht, da hat es auch keine Zukunft. Keine lange Zukunft.

subtext.at: The Common Linnets stehen ja nun für eine traditionelle und traditionsbewusste Art von Musik. Wie fühlt es sich für euch an, wenn die Leute dann bei euren Konzerten die Show durch ihre modernen Smartphones anschauen, anstatt sich vollends auf die Musik zu konzentrieren?
Ilse DeLange:
Ja, das passiert. Man hat sich schon daran gewöhnt. Ich liebe es, wenn Menschen ohne Smartphone vor der Nase das Konzert erleben. Sie lassen zu, dass es eine direkte Linie zwischen uns und ihnen gibt. Wir versuchen den Kontakt herzustellen. Wenn dann ein iPhone oder auch ein iPad manchmal zwischen uns ist, dann ist das schon lustig (lacht). Wie gesagt, man hat sich daran gewöhnt. Und wer sind wir, um darüber so kritisch zu urteilen? Wenn man uns aber die Wahl lässt, dann lieber ohne.
JB Meijers: Ich reise oft mit dem Zug und früher habe ich nach draußen geschaut, aus dem Fenster. Jetzt schaue ich auf mein Smartphone. Ich mache das ja auch selber, bemerke ich. Ich versuche, es zu reduzieren und einfach mehr zu genießen, nicht von allen Dingen ein Bild zu machen. Facebook, ja, da weißt du halt, was jemand macht. Jemand ist beim Frisör oder so (lacht). Klar, es ist auch positiv, weil man Kontakt zu Leuten haben und halten kann, aber es gibt auch viel, viel, viel Blödsinn. Wenn du zu Bruce Springsteen gehst, was ist da der Point? Dass du 50x das Konzert in schlechter Qualität auf YouTube siehst? Geh einfach hin und genieße es.

subtext.at: Wenn jemand zu Springsteen geht, dann wohl eher wegen ihm selbst und den Songs und nicht wegen Visuals, Leinwänden, Pyrotechnik…
JB Meijers: Es gibt ja auch eine Etikette, im Musikverein zum Beispiel. Ich kann mir nicht vorstellen, dass da jemand alles aufnimmt oder ein Selfie macht (lacht). Um zu deiner Frage zurückzukommen: Ich spiele Mandoline, die an ein digitales Mischpult angeschlossen wird. Die Grenzen zwischen Moderne und Tradition ist also fließend. Der Punkt eines Liveauftritts ist aber, dass du live spielst. Du bist dabei und erlebst das. Wenn man das filmt, dann siehst du das mit anderen Augen. (überlegt) Ein Freund von mir hatte Flugangst und er hat herausgefunden, dass wenn er die Landung filmt, dann ist er weiter davon entfernt.
Ilse DeLange: Dann hat er mehr Abstand dazu. Dann ist es nicht die Wirklichkeit, verstehe. Clever.
JB Meijers: Das war sehr interessant und hat mich wirklich zum Nachdenken angeregt. Das ist gut. Und wenn ein Konzert super war, dann erzählst du es weiter und nächstes Mal kommt der- oder diejenige einfach mit.
Ilse DeLange: Ich verstehe aber auch, dass man gerne eine Erinnerung haben will, was aber nicht heißt, dass man das ganze Konzert über filmt oder fotografiert (lacht).
JB Meijers: Ich habe ein Fotoalbum und da gibt es ein Bild von mir als Baby, dann eines von mir, als ich 2 war. Jetzt habe ich zig tausend Bilder auf meinem Rechner.
Ilse DeLange: Das geht so schnell.

subtext.at: Dürfen wir im nächsten Jahr eigentlich mit dem dritten Common Linnets-Album rechnen?
Ilse DeLange: Das wissen wir noch nicht. So schnell sind wir dann auch nicht, wir haben noch nichts geplant (lacht). Wir möchten erst mal auf Tour gehen und nächstes Jahr auch viele Festivals spielen. Nach dem Sommer können wir mal darüber reden, wie es geklappt hat mit dieser Platte. Wir müssen sehen, wie weit uns dieses Abenteuer bringen wird. Wir haben keine Ahnung.
JB Meijers: Wir hoffen, es geht noch lange.
Ilse DeLange: Wenn es an uns liegt, dann geht es immer weiter.

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