SEINABO SEY: Emotionale Stimuli

Future Soul, made in Sweden: Seinabo Sey artikuliert auf „Pretend“ ihre Liebe zum Pop, der sich gerne weit aus dem Fenster lehnt und mit postmodernem R’n’B kombiniert wird. Die 25-Jährige mit Wurzeln aus Gambia sorgt dafür, dass die Leidenschaften auf ihrem Debütalbum mustergültig zusammengebracht werden. Somewhat bittersweet.

Wenn Nina Simone und Aretha Franklin in ein zeitgemäßes Klanggerüst gesteckt werden, Mary J. Blige, Rihanna, Beyoncé oder Emeli Sandé auf einen Sprung vorbeischauen und Massive Attack, The Weeknd oder The XX ihr Wissen in Sachen Produktion beisteuern, kommt im besten Fall solch ein Resultat zustande. „Pretend“ ist ein Brückenalbum schlechthin und hat erfreulicherweise amtliche Songs in petto. Damit wäre es ein leichtes Unterfangen, als neues schwedisches Fräuleinwunder durchzustarten.

„Hard Times“ dürfte in all seiner Dramatik und Strenge etwa für jeden groovebedürftigen Musikliebhaber ein Freudenfest sein. Das quickfidele „Words“ zaubert einem mit lichten Tribal-Percussions, Streichern und Klavier ein Lächeln auf die Lippen. „Easy“ vollführt einen dunklen Gospel, „Younger“ frisst sich mittels Autotune-Refrain in den Gehörgang und die Single „Pretend“ bleibt mittels der „auf Holz klopfen-Phrase“, Volksglauben hin oder her, ebenso im Gedächtnis.

Diese junge Stockholmerin sucht ihr Heil in neuzeitlicher Musik, die Traditionen durchaus einfließen lässt. Ihre Tauchfahrt klingt mal elegisch, elegant und sinnlich, aber selten leicht und beschwingt. Die spannungsgeladene Inszenierung dürfte ihrem afrikanische Temperament geschuldet sein. „Troubles are part of the plan“, heißt es dementsprechend an passender Stelle. Sey klingt wie eine Frau, die schon vieles Dinge er- und durchlebt hat – wie den Tod ihres Vaters. Mit „Burial“ zollt sie ihm Tribut. Ihre Stimme und die Texte lassen weiter mutmaßen und Vermutungen anstellen. Auch in Interviews betont sie, dass ihre Karriere schon mit siebzehn Jahren hätte anfangen können, wäre nicht ihre Sozialphobie auf Bühnen aufgetreten und im Wege gestanden. Mittlerweile ist die Schüchternheit kein Thema mehr.

seinabocover

In vielen Winkeln dieser Platte steckt ein großes Pop-Verständnis, ohne zu bemüht zu wirken. Magnus Lidehäll, der an vielen Songs beteiligt ist und schon mit Madonna, Britney Spears, Katy Perry und Kylie Minogue zusammenarbeiten durfte, hat dem Material einen formidable Produktion verpasst. Die Schweden, wie machen sie das immer nur?

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