HEATHER NOVA: „Ich finde immer einen Weg, mich auszudrücken“

Es ist wohl unvermeidlich, dass Worte wie Ausgeglichenheit, Ausgewogenheit, Einklang oder Harmonie nicht in Verbindung mit Singer/Songwriterin Heather Nova fallen. Die 48-Jährige von den Bermudainseln hat in diesem Jahr bereits ihr neuntes Studioalbum veröffentlicht – beachtlich, wenn man sich vor Augen führt, wie schnelllebig das Musikgeschäft manchmal sein kann. Die Fanbase macht’s möglich.

Im Gespräch wirkt Nova geerdet und bei sich selbst. Wenn sie nach den richtigen Worten sucht, schließt sie dabei die Augen und gestikuliert schon mal sachte mit den zarten Händen. Ein Interview über Ausdrucksmöglichkeiten, innere Barrikaden und das Bermudadreieck.

subtext.at: Heather, dein aktuelles Album heißt „The Way It Feels“. Ich habe mich gefragt, ob du als Songwriterin manchmal Schwierigkeiten hast, die richtigen oder passenden Worte für deine Gefühlslage zu finden?
Heather Nova: Klar, natürlich. Das ist ja auch die Herausforderung, wenn man einen Song schreibt. Dieser Prozess ist nicht immer einfach, aber ich genieße ihn. Diese Herausforderung nehme ich gerne an. Du suchst die passenden Wörter, wie du dich ausdrücken möchtest, aber sie müssen auch musikalisch gut klingen und zum Sound passen. Es muss sich zusammenfügen und mit der Melodie im Einklang sein. Es ist, als würde man vor einem Puzzle stehen. Es muss alles gut miteinander verschmelzen. Wenn alles zueinander gefunden hat, dann berührt es dich erst.

subtext.at: Ist dieser Prozess schwieriger oder leichter zu bewältigen, je älter man wird und je mehr Songs man schreibt?
Heather Nova: Dieser Prozess ist für mich gleich geblieben, was auch mysteriös ist. (überlegt) Ich mache Musik ja schon eine ganze Weile und es ist erfreulich, dass es keine Formel beim Songwriting gibt. Jeder Song, den du schreibst, birgt etwas Mysteriöses in sich. Das mag ich. Es wird nie langweilig.

subtext.at: Gibt es Gefühle, die du nicht in Worte fassen kannst?
Heather Nova: Als Songwriterin? Nein. Ich finde immer einen Weg, mich auszudrücken. (überlegt) Manchmal so, dass es gar nicht offensichtlich ist. Von Zeit zu Zeit drücke ich mich visueller aus, benutze Metaphern. Ich bin auch jemand, der automatisch in Metaphern denkt.

subtext.at: Wie findet man denn die „richtige“ Metapher? Im Song „The Archeologist“ benutzt du etwa die römische Provinzstadt Pompeji als Sinnbild für eine zerbrochene Beziehung, was nicht gerade offensichtlich ist…
Heather Nova: Man macht eine Erfahrung, diese setzt bestimmte Gedankengänge in Gang. Es wird eine bestimmte Atmosphäre kreiert und die Kreativität fließt nur so aus dir heraus. Nachdem ich in Pompeji war, habe ich einen Haufen an Songs geschrieben, die sich damit beschäftigen – unter der Oberfläche zu graben, nach den Ursachen zu forschen. Es ist eine Geschichte über das, was sich unter der Oberfläche verbirgt, was nicht sofort sichtbar und dennoch wertvoll ist. „The Archeologist“ war der beste Song. Du folgst einfach dieser Inspiration und schaust, wohin sie dich führt. (überlegt) Zu diesem Zeitpunkt hat es sich für mich so angefühlt, als wäre ich eine Archäologin innerhalb meiner Ehe. Ich habe Ursachenforschung betrieben, um sie zu retten. Leider hat es nicht funktioniert.

subtext.at: Ist es positiv, unsere Emotionen stets unmittelbar auszudrücken, ihnen freien Lauf zu lassen, damit sie sich nicht anstauen?
Heather Nova: Es macht vieles einfach. Gleichzeitig ist es schwierig, weil wir uns auch schützen möchten. Die größte Herausforderung in unserem Leben besteht darin, verwundbar zu sein. Es gibt auf der Platte einen Song, „I’m Air“, der davon handelt. Darum geht es. Den Mut zu haben, verletzbar zu sein. Für mich ist es auch schwer, weil ich auf jemand bin, der gerne eine Mauer um sich herum aufbaut. Ich weiß, wovon ich spreche. Es gehört zu uns Menschen dazu. Ich lege vieles offen, wenn ich schreibe, bin sozusagen nackt, aber im privaten, alltäglichen Leben bin ich eher vorsichtig und reserviert.

 

subtext.at: Wenn wir unsere Gefühle verbergen, denkst du, dass sie sich früher oder später dennoch ihren Weg bahnen?
Heather Nova: Denke ich schon, ja. Vielleicht kommen sie dann in unerfreulicher Art und Weise an die Oberfläche. Deswegen ist es gut, wenn wir darüber sprechen, was uns bewegt und keine Angst davor haben, obwohl es nur allzu menschlich ist (lacht).

subtext.at: „The Way It Feels“ gibt mir das Gefühl, dass du in deinem Leben Platz geschaffen hast für alle Art von Emotionen, eben für die Auf und Abs…
Heather Nova: Das meinte ich auch vorhin mit der Verwundbarkeit. Es ist real. Die Produktion tut dem Album auch gut, weil sie sehr natürlich und gleichzeitig atmosphärisch ist. Es ist keine Pop-Produktion, was mir sehr gefällt.

subtext.at: „I often am misunderstood, make a mess of things when I search for good“, heißt es auf dem Album. Hast du gelernt, mit schwierigen Situationen im Leben besser klarzukommen?
Heather Nova: Ach was, ich mache immer noch die gleichen Fehler wie früher (lacht).

subtext.at: Wieso das denn?
Heather Nova: Ich weiß es nicht (lacht). Weißt du, manchmal sind die Leute nicht bereit, die Wahrheit zu hören. Ich möchte über Dinge reden, ich will Klarheit schaffen, doch manche Personen reagieren defensiv darauf und schotten sich ab. Wir müssen Wahrheiten akzeptieren und wir müssen gleichzeitig sorgsam mit den Leuten umgehen. Das ist die Balance, die schwierig ist.

subtext.at: Was tust du dann, um eine Balance und Harmonie in deinem Leben zu kreieren?
Heather Nova: Ich bin sehr gerne draußen, in der Natur. Da fühle ich mich verbunden. Ich laufe und gehe gern spazieren. Das hilft, den Kopf freizukriegen. Wie eine Meditation.

subtext.at: Hast du von Wien schon etwas gesehen?
Heather Nova: Ich bin vorhin die Straße entlanggegangen und auf einen Friedhof gestoßen. Das war jetzt nicht sonderlich berauschend (lacht).

subtext.at: „When you love, then you can’t keep your heart from breaking“ singst du auch auf dem Album. Liebe ohne Herzschmerz, eine Wunschvorstellung?
Heather Nova: Man sollte darauf vorbereitet sein, dass früher oder später dein Herz gebrochen wird. Wenn du liebst, so musst du auch das riskieren, richtig? Davor kannst du dich nicht in Acht nehmen. Deswegen heißt es ja auch „falling in love“ – man hat…

subtext.at: Keine Kontrolle darüber?
Heather Nova: Genau. Man kann sich nicht davor schützen.

subtext.at: Stimmt es eigentlich, dass dir dein Sohn bei der Zusammenstellung der Songs geholfen hat, bei der Reihenfolge?
Heather Nova: Ja, es stimmt. Ich habe den Rohmix oft in meinem Auto gehört, als ich ihn zur Schule gefahren habe. Es gab verschiedene Fassungen als CD mit unterschiedlicher Reihenfolge der Songs. Der erste Song ist für mich immer immens wichtig und dann reihst du nach und nach das Material. Ich habe mir diesmal so lange den Kopf darüber zerbrochen, wobei es dumm ist, weil die meisten Leute sich gar nicht mehr ein ganzes Album anhören. Sie picken sich ein, zwei Songs raus und fertig. Ich hasse den Shufflemodus (lächelt). Eine Platte ist für mich wie eine Reise und diese Zufallswiedergabe macht alles zunichte. Wie gesagt, ich habe Wochen damit verbracht, über die Reihenfolge nachzudenken. Mein Sohn meinte dann irgendwann, dass diese Zusammenstellung doch am besten sei, die auch final auf dem Album zu finden ist.

subtext.at: Wie ist denn eigentlich seine Sicht der Dinge, was den ganzen Prozess des Musikmachens seiner Mom angeht?
Heather Nova: Da solltest du ihn am besten fragen (lacht). Ich habe keine Ahnung. Er ist damit aufgewachsen, ich mache ja nichts anderes. Ich denke aber, dass er den Inhalt von so manchen Songs genauer unter die Lupe nehmen wird, wenn er älter ist (lacht).

subtext.at: Fällt es dir einfach, Familie und Musik unter einen Hut zu kriegen?
Heather Nova: Die Familie, mein Sohn, kommt immer zuerst. Bislang hat er mich stets auf Tour begleitet, nur heuer nicht. Er ist jetzt zwölf und die Schule geht vor. Darüber ist er alles andere als glücklich (lächelt).

subtext.at: Du hast mittlerweile dein neuntes Studioalbum herausgebracht. Es gibt nicht viele Künstler, die das heutzutage noch schaffen.
Heather Nova: Ich habe es mir auch nicht vorgestellt, dass ich so lange Musik machen und veröffentlichen darf. Ich wollte ein einziges Album aufnehmen, im Studio und dann herausbringen. Das war mein Traum. Die Vorstellungen, es würde noch einmal passieren, die hatte ich nicht. Und dann passierte es wieder. Und wieder. Ich fühle mich wirklich gesegnet und ich bin glücklich, weil ich das ausüben kann. Wenn ich im Studio bin, bin ich glücklich. Es ist wunderbar, wenn du deine Songs anderen Musikern überlässt und sich das Material dann weiterentwickelt.

subtext.at: Was hat es mit diesen seltsamen Besitzern der Privatpension auf sich, in der du dich während der Aufnahmen aufgehalten hast?
Heather Nova: Die Songs sind in Charleston, South Carolina entstanden und ich war während der Zeit in einem B&B einquartiert. Die Besitzer waren um die 80 Jahre alt und sehr seltsam. Als ich fragte, weshalb alle Fenster verbarrikadiert sind, meinte der Herr: „Keine Sorge, Schätzchen, ich habe hier genug Waffen, um dich zu beschützen.“ Das ist eben der Süden von Amerika (lacht).

subtext.at: Hörst du dir deine alten Platten eigentlich noch an?
Heather Nova: Eigentlich nicht, nein. Vor kurzem habe ich mir aber „Glowstars“ von 1993 angehört und was soll ich sagen, es fühlt sich so an, als hätte eine andere Person diese Platte aufgenommen und nicht ich (lacht). Wie gesagt, sonst höre ich sie mir nicht an.

subtext.at: Warum nicht?
Heather Nova: Keine Ahnung. Vielleicht, weil dieser Prozess damit beendet ist. Und ich spiele ja einige Songs von früher live. „The Way It Feels“ habe ich mir relativ oft angehört, weil ich die Produktion einfach liebe. (überlegt kurz) Dir selber zuzuhören, ist schon irgendwie seltsam.

HeatherNova_Cover

subtext.at: Wenn wir jetzt einen Haken von „Glowstars“ zu „The Way It Feels“ schlagen, welche Erfahrung war für dich die wichtigste, die du erleben durftest? Was hast du über dich selber gelernt?
Heather Nova: Gute Frage. (überlegt) Da gibt es sicher etwas…

subtext.at: Vielleicht die Sache mit den Fehlern, die du zum wiederholten Male machst? Diese Erkenntnis?
Heather Nova: Ich weiß nicht. Vielleicht, dass man zuhören sollte. Auf sich selbst hören. Sich die eigene Individualität zu bewahren und nicht zu sein wie jemand anderes. Es gibt für jeden von uns einen Grund, weshalb wir hier sind. Wie erkläre ich das… Ich fühle mich, als ob es genau meine Berufung ist, hier zu sein und Musik zu machen. Zu singen. Wenn ich diese Verbindung spüre, zwischen meiner Musik und dem Publikum, darum geht es. Go for it.

subtext.at: Zum Schluss möchte ich die Frage stellen, was es eigentlich mit dem Bermudadreieck auf sich hat. Da du auf den Bermudas lebst, kannst du vielleicht diese Phänomene näher erklären, warum Flugzeuge und Schiffe spurlos verschwinden…
Heather Nova: Ich glaube, dass sich damit die ganze Welt zu beschäftigen scheint – außer uns, weil wir dort leben. Ich habe keine Ahnung, was dort vor sich geht (lacht). Es ist mysteriös. Mysterien sind gut.

 

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