DEFTONES: Die Kraft der zwei 💕

Zwei allseits bekannte Attribute beinhaltet das achte Album der Deftones. Einerseits: Wohl dosierte HĂ€rte. Außerdem: Eine melodische Begierde. Wer vereint eigentlich solche GegensĂ€tzlichkeiten besser als diese Band aus Sacramento, Kalifornien? „Gore“ ist zu gleichen Teilen dick bestrichenes Zuckerbrot und hart klatschende Peitsche. Oder: Das GefĂŒhl, durch Teer zu waten.

Eigenwillige Titel wie „Pittura Infamante“, „Geometric Headdress“ oder „(L)MIRL“ und erneut ein Tiercover. Nach weißem Ross (siehe „White Pony“) und Schleiereule (Album „Diamond Eyes“) folgt nun ein Flamingoschwarm. Alles beim alten. Daneben keilen sich gnadenlose Grooves und KettensĂ€gengitarren zu jeder Sekunde um den Verstand. Glatte Gewalt hier, im Takt schwingende Kapriolen da. Wer gewinnt die Oberhand?

Die Single „Prayers / Triangles“ lockt noch hypnotisch wie der betörende Ruf einer Sirene aus der Ferne, mit etwas Mystischem, EntrĂŒcktem. Eine transzendentale, leicht spacige AtmosphĂ€re herrscht vor. Ein Song, der einen eigenwillien Sog entwickelt und qualitativ wunderbar an alte Zeiten anknĂŒpft. Die nachfolgden drei, „Acid Hologram“, „Doomed User“ und „Geometric Headdress“, klingen so, wie es der medial prĂ€sentierte Songwriter-Clinch von SĂ€nger Chino Moreno und Gitarrist Stephen Carpenter vermuten lĂ€sst. Sie umkreisen sich, dreschen aufeinander ein, keifen und kratzen und finden doch wieder zueinander, als wĂŒrde ein unsichtbares Magnetfeld fĂŒr den nötigen Zusammenhalt sorgen. Das Material schlĂ€gt also in eine hĂ€rtere Kerbe. Versönlicher wird es erst beim stimmungsvollen „Hearts / Wires“ . Hier bleibt die Zeit fĂŒr Kontraste, Zwischentöne, denn wenn „Gore“ heavy tönt, ist das nicht Mittel zum Zweck, sondern die BrĂŒcke zu atmosphĂ€risch dichten Alternative-Klanglandschaften. Mit der PrĂ€zision eines Schweizer Uhrwerks hantiert aufs Neue die Rhythmusabteilung, allen voran Über-Schlagzeuger Abe Cunningham. Das soll nicht unerwĂ€hnt bleiben.

Gore

Einen stilistischen Quantensprung darf man sich selbstverstĂ€ndlich nicht erwarten, dennoch fesselt „Gore“ mit einer fiebrigen, in sich stimmigen Ausstrahlung. Moreno spielt nicht mit der Schwere des Lebens (hallo, Jonathan Davis?), sondern beschreibt sie. Es sind dunkle ErzĂ€hlungen aus zwielichtigen Welten, ĂŒber gottlose DĂ€monen und heilige FlĂŒche, die auf ihm lasten. Wie passend, dass Alice In Chains-Gitarrist Jerry Cantrell als seelischer Tröster im epischen „Phantom Bride“ musikalisch vorbeischaut und GrĂŒĂŸe hinterlĂ€sst.

„Gore“ ist ein Album, welches kein StĂŒck weit ĂŒberrascht, sondern demonstriert, mit welcher QualitĂ€t im hĂ€rteren Segment die Band agiert. Von den VorgĂ€ngern unterscheidet sich die Platte allenfalls im Detail. Man bekommt das, was man erwartet. Soll heißen: Gute und ergreifende Rockmusik. Das Feuer, es lodert noch.

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„Koi No Yokan“-Rezension auf subtext.at
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