Kayef: Weiblich, 15, geht auf ein Konzert…

Es gibt Konzerte, da ist die Bar eine ideale Unterstützung, um einen gelungenen Abend zu verbringen. Es gibt Momente, da braucht man eine Bar, um eine gute Zeit zu haben. Und es gibt Konzert-Momente, wo man unbedingt eine Bar braucht, um nicht schreiend davon zu laufen – einer davon am vergangenen Donnerstag im Linzer Posthof. Kayef stand dort auf der Bühne. Sagt euch nix? Seid froh darüber! Außer ihr seid 15, weiblich, das erste Mal verliebt, und braucht die tägliche Justin-Bieber-Dosis. Dann dürft ihr euch das anhören. Aber auch nur dann!

Eins vorweg: das, was Kayef seinen Fans bietet, ist durchaus solide. Wenn man auf Plastik-Pop steht. Oder wenn es eines der ersten Konzerte des noch jungen Lebens ist. Die Ausgangslage: man kommt um halb 7 in den Linzer Posthof, und will noch gemütlich was essen und ein Bier trinken. Dann folgt die erste Ernüchterung: das Konzert fängt um 19 Uhr an. Sicherheitshalber frage ich noch mal nach – und werde in dieser frühen Beginnzeit bestätigt, weil „die Konzertbesucher noch so jung seien und nach Hause müssen“. Oje, worauf hab ich mich da noch eingelassen? Naja, ein schnelles Bier geht sich noch aus. Ein Bier, das, wie sich herausstellt, lebensnotwendig war. Denn es geht wirklich um 19 Uhr los – mit dem „Support“-Act bzw. dem Live-Gitarristen der Kayef-Acoustic-Show, Jona Selle. Sagen wir halt mal so. Der mittlere Saal im Posthof – gut gefüllt. In den ersten drei Reihen halt. Dort tummeln sich scharenweise Teenie-Mädels. Dahinter: gähnende Leere. Wohlwollende Zuseherzahl: 100 Mädels, 3 Techniker, 1 Konzertfotograf, ungefähr fünf Ordner, sowie drei zwangsmitgeschleppte Freunde der Konzertbesucherinnen.

Als dann Jona Selle zum ersten Mal zu Gitarre greift, um mit einigen Solo-Nummern den Abend zu eröffnen, folgt: ekstatisches Gekreische. Zumindest hier hat man das Gefühl, in einem vollen Stadion zu stehen. Als dann als zweites ein „Bieberle“ aka Justin-Bieber-Cover (fragt mich jetzt nicht welches, is ja eh wurscht, klingt eh alles ähnlich!) gespielt wird, laufen einige der Mädels kreischend durch den ganzen Konzertsaal, als hätten sie gerade den Jackpot im Caesar’s Palace geknackt. Tinnitusniveau! Wobei man ja, bei aller unfreiwillig vorhandener Komik, sagen muss: die beiden Herren wissen, wie man sich hier richtig auf der Bühne präsentiert. Eh ok, ich hole mir inzwischen noch ein Bier an der Bar, wo sich noch einige der Leute verköstigen, die nachher zu Josef Hader nebenan in den großen Saal gingen. Und gut schmeckt es! Doch zurück in den Konzertsaal: dort betritt Kayef die Bühne – wiederum: Tinnitusniveau! Der Düsseldorfer präsentiert sich auf der Bühne dann routiniert – und findet es natürlich „mega“, dass soviele Leute gekommen waren. Optische Ähnlichkeiten zum großen Pop-Vorbild waren natürlich nur zufällig. Vergangenen Herbst war der Tourstopp in Linz krankheitsbedingt noch abgesagt worden – und so wurde aus der „Relikte letzter Nacht“-Tour (dem letzten, 2014 veröffentlichten Album) die „Offline“-Tour, die seiner 2015 erschienenen EP gewidmet ist. Natürlich werden da alle Hits präsentiert, die das Publikum auf Punkt und Beistrich textsicher mitperformt. Egal ob bei „Tattoo“, „Durchs Feuer“, dem Netflix-gewidmeten „Heute mach ich nichts“ – nachdem natürlich publikumsnah die Lieblingsserien abgefragt wurden – oder bei „Tattoo“. Jeder Refrain wird mindestens vier Mal mehr als notwendig gespielt – der Stimmung tut das keinen Abbruch. Ich beschließe, mir noch ein Bier zu holen – mittlerweile bin ich mit dem Kellner alleine an der Bar. Der fragt mich, ob es denn „wirklich so schlimm“ sei. Ich schaue ihn flehend an – er versteht, das Bier wird kommentarlos randvoll eingeschenkt! DANKE!

Drinnen der nächste Höhepunkt – eine Auserwählte darf mit den beiden einen Song auf der Bühne performen. Ausnahmezustand. Sogar der Ambulanzdienst wird benötigt, nachdem die erste vor Ekstase kollabiert ist. Natürlich wird auch genügend aus „Relikte letzter Nacht“ performt – egal ob „Tochter des Teufels“, „Nie wieder niemand“, und „Erzähl mir nichts von Liebe“, hier wird mitgesungen und geklatscht, was das Zeug hält. Die Ankündigung, dass bald was Neues erscheint, wird ebenso begeistert aufgenommen, wie die Frage bejaht wird, wer sich denn „das Ding kaufen“ würde. Zelebriert wird auch das Trinken aus einer Wasserflasche und einem Cola-Becher – ich beschließe, mir noch ein Bier zu holen. Danach wird auch die Bar zugesperrt – wie sich herausstellte, war ich der einzige Konzertbesucher, der auch an der Bar was gekauft hat. Dafür ist das Bier wieder randvoll. DANKE!

Im Konzertsaal folgen der obligatorische Encore, mit wenig Unterschieden zu oben. Dann ist das Konzert auch schon zu Ende – einige sind zu spät gekommen, weil sie natürlich auch nicht geglaubt haben, dass das „Spektakel“ wirklich um 19 Uhr anfing. Fazit: für Fans super – viele waren nicht vorhanden. Für Fans von Plastik-Pop super – ich weiß bis jetzt nicht, wie man das gut finden kann. Wobei, doch: sobald über Liebe, Trennung, und Nixtun gesungen wird, werden Leute das mögen. Das sagt auch Kayef – der sich wunderte, dass doch einige Jungen im Publikum waren. Zumindest derjenige, der das ganze Konzert stoisch in der Mitte der letzten Reihe stand, dürfte es ähnlich wie ich gesehen haben – ich fands eintönig.  Tja – so bin ich um 21 Uhr schon wieder daheim, und kann mich sogar noch den Fotos widmen, und danach einen Film genießen. Nachdem ich mir ein Bier aufgemacht habe.

Foto: Christoph Thorwartl

Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.