RHODES: „Mit deiner Glaubwürdigkeit ziehst du das Publikum auf deine Seite“

Eigentlich hätte ein Album wie „Wishes“ viel mehr Aufmerksamkeit verdient. Erschienen im September 2015, bot es alles, was das Indie-Herz höher schlagen lässt: Melancholie und Gefühl en masse, Songs und Refrains, die mal himmelhoch jauchzen und dann wieder zu Tode betrübt sind. Sogar ein hübsches, ernst zu nehmendes Taylor Swift-Cover hat es auf die Bonus-Version des Albums geschafft.

2013 machte der britische Sänger und Songschreiber aus Hertfordshire in England schon von sich Reden. Nach der ersten EP und einer zweiten, die im darauffolgenden Jahr erschienen ist, hielt „Wishes“ die musikalischen Versprechen dann ein. Erfreulich. Ein Interview mit Rhodes über Ehrlichkeit im Musikbusiness, Nervosität und Celebrity-Wahnsinn.

subtext.at: David, wie offen darf man als Songwriter an seine Kunst herangehen?
David Rhodes: Es ist schwierig, sich komplett zu öffnen und es ist gar nicht so einfach, sein Inneres vor Fremden auszubreiten. Klar, in dem Moment bist du verwundbar und verletzlich. Ich denke mir stets, dass es eine Menge Leute gibt, die auch durchmachen, was ich durchmache. Das macht es dann einfacher. Man teilt die Erfahrungen mit seinem Publikum. Jeder drückt sich anders aus und geht mit alltäglichen Dingen anders um. Es gibt unterschiedliche Ausdrucksweisen. Ich schreibe Songs, ein anderer drückt sich anders aus, um damit klarzukommen. Ich liebe es, meine Songs offen für Interpretationen zu lassen, mehrdeutig zu lassen. Manche Songs sind klarer strukturiert, andere nicht. (überlegt) Man muss sich schon darauf einlassen, sonst funktioniert es nicht. Du kannst nicht auf der Bühne stehen und dir die Frage stellen: „Möchte ich das wirklich live ansprechen, geschweige denn singen?“ Außerdem spielt der Ort auch eine wichtige Rolle.

subtext.at: Meinst du den Ort, an dem du dich gerade befindest, wenn du ein Konzert spielst?
David Rhodes: Genau. Bei mir hat das einen entscheidenden Einfluss auf mein Spiel, auf meine Gefühlslage. Wenn du mit einer Band unterwegs bist, sagen wir auf einem Festival, im Sommer, auf einem weiten Feld, dann musst du ein bisschen Lärm machen, wenn du verstehst. Wenn du vor 500, 600 Personen in einem Club spielst, allein auf der Bühne stehst und deine Songs vorträgst, dann ist es viel intimer und persönlicher. Ich bin auch mit einer Band in kleineren Clubs aufgetreten, doch ich habe festgestellt, dass es nicht passt. Es war zu groß und zu laut, deswegen habe ich es noch einmal durchdacht und entschieden, diese Art von Konzerten im Alleingang zu bestreiten.

subtext.at: Songwriting als Selbsttherapie – teilst du diese Ansicht?
David Rhodes: Definitiv, ja. Bei mir war es mit meinem Album „Wishes“ auf jeden Fall so. (überlegt) Es wird schwieriger, wenn du ein Label im Rücken hast, einen Manager und so weiter. Du schreibst nicht mehr allein für dich selbst und es kommen Leute auf dich zu, die unterschiedlicher Meinung sind. Es gab Zeitpunkte bei mir, da habe ich mir die Frage gestellt, für wen ich das eigentlich mache. Da muss man durch. Gedanken, ob man diesen oder jenen Song noch freundlicher für das Radio gestalten kann, die muss man beiseite schieben. Da sollte man sich nicht reinreden lassen. Es ist schwierig, eine Balance zu finden. Du willst das tun, was du liebst, aber dir nicht den Kopf mit solchen Dingen zermartern. Als ich damit angefangen habe, Songs zu schreiben, tat ich das für mich allein. Ich saß in meinem Zimmer und hatte keine Ahnung, dass ich einmal die Möglichkeit haben werde, diese zu veröffentlichen. Und das ist auch der Punkt, denn wenn du anfängst, dir zu viele Pläne und Gedanken zu machen, dann nimmt das die Magie weg, die dabei entsteht, wenn du musizierst.

subtext.at: Ich nehme an, dass diese Überlegungen mehr werden, je größer, bekannter und erfolgreicher man wird.
David Rhodes: Deswegen hast du ja auch einen Manager, ein Plattenlabel. Es ist wichtig, Leute um dich zu haben, denen du vertraust. Ich weiß nicht, wie es in Österreich ist, aber in England gibt es diese Celebrity-Kultur, die besonders ausgeprägt ist. Wenn jemand einen Nummer 1-Hit gelandet hat, geht es nicht mehr um die Musik, sondern um alles andere. Das nervt mich. Jeder versucht den anderen auszustechen. Es bilden sich Kooperationen, um den eigenen Marktwert zu steigern. Ich halte mich davon fern. Mein Album habe ich selbst geschrieben und mit einem Freund aufgenommen. Ich hätte es auch mit Top-Produzenten in L.A. oder weiß Gott wo aufnehmen können, aber darum ging es mir nicht. Es hat mich riesig gefreut, dass ich im KOKO spielen durfte, einem angesagten Club in London, ohne irgendwas opfern zu müssen und ohne große Hilfe der Plattenindustrie. Ich bin mir sicher, dass auch ich einige Dinge hätte besser anstellen können, aber man muss es sich erlauben, wachsen zu können. Wenn du ganz oben anfängst mit allem, wohin willst du dann gehen, wie willst du dich weiterentwickeln? Ich lerne noch.

subtext.at: Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Leute von einem erwarten, stets aufrichtig zu handeln und ehrlich zu sein, doch wenn man das Spiel umdreht, sind die Leute auf einmal verschlossen und gar nicht mal so aufrichtig…
David Rhodes: Die Leute neigen gerne dazu, launisch zu sein. Das stimmt schon. Sie sagen dir etwas ins Gesicht und hinter deinem Rücken haben sie dann eine andere Meinung über dich. Ich schreibe recht persönliche Songs und ich denke, dass die Musik an sich und das Business drumherum zwei paar Schuhe sind und nicht folgenderweise etwas miteinander zu tun haben müssen. Das stört mich und ich merke, wie es vonstatten geht. (überlegt) In England läuft es normalerweise so ab, dass es einen neuen Künstler gibt, der erst von allen niedergemacht wird, später jedoch von allen gemocht und gelobt wird, wenn er eine Nummer 1 hat.

subtext.at: Verstehe.
David Rhodes: Jeder erzählt dir dann von dem neuesten Scheiß, obwohl du dich daran erinnern kannst, dass der oder diejenige gemeint haben, sie mögen die Musik nicht. Weiß du, wenn mein Manager oder jemand von der Plattenfirma über Business reden, dann stehe ich auf und gehe (lacht). Diese Belange interessieren mich nicht wirklich. Manchmal ist es beängstigend, wenn du überlegst, dass deine Karriere in den Händen von diesen Leuten liegt (lacht). Es läuft nicht immer so ab, möchte ich auch klarstellen. Es gibt auch viele Leute, die toll in dem Business sind und hervorragende Arbeit leisten.

subtext.at: Welche Wahrheiten haben Bestand, wenn es ums Songwriting geht?
David Rhodes: Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit. Du kannst auch aufrichtig sein und trotzdem einige private Details auslassen. Wie ich schon gesagt habe, ist es möglich, ehrliche Songs zu schreiben und Platz für Mehrdeutigkeiten und Interpretationen zu lassen. Die Leute müssen glauben, was du ihnen anbietest. Mit deiner Glaubwürdigkeit ziehst du das Publikum auf deine Seite. Wenn du es nicht ehrlich meinst, ist das früher oder später offensichtlich.

subtext.at: Schwierigkeiten, die passenden Wörter zu finden?
David Rhodes: Die ganze Zeit über, ja. Texte zu schreiben, ist eine knifflige Angelegenheit. Zuerst habe ich eine Melodie und die Wörter müssen dann dazu passen. Du willst manchmal etwas sagen, doch es passt einfach nicht zur Musik. Dann heißt es weiter grübeln. Manchmal singe über Dinge, die nicht besonders schön sind, doch die Art, wie ich es tue, ist nicht beleidigend oder anrüchig. Ich thematisiere Beziehungen, zu meiner Familie, zu meinen Eltern, die sich sehr früh scheiden ließen und mache meine Kindheit zum Thema. Viele Dinge habe ich damals nicht verstanden und ich habe nach und nach gemerkt, welchen Einfluss sie auch mich gehabt haben. Ich bin bei meiner Mutter groß geworden, zusammen mit meinen zwei Schwestern. Das war ein emotional aufgeladener Haushalt sage ich dir (lacht). Mittlerweile verstehe ich, auch durch das Schreiben, wie ich selbst ticke und fühle. Das war nicht immer der Fall.

subtext.at: Wie bleibst du bei der Sache, wenn die Motivation mal nachlässt?
David Rhodes: Ich nehme mir immer Auszeiten, gehe spazieren. Diese Ruhe tut mir und meinen Songs gut. Da bin ich sehr einzelgängerisch.

subtext.at: Als jemand, der auf der Bühne steht, kommunizierst du ja mit recht vielen Leuten. Bist du im Privaten auch gut darin, dich auszudrücken und anderen mitzuteilen?
David Rhodes: Ich denke schon, ja. Ich bin dabei, Wege zu finden, mich effektiver und besser auszudrücken. Ich war immer jemand, mit dem die Leute gerne gesprochen haben. Es wurde mir gern etwas anvertraut. Das hat mir sehr geholfen, Personen besser zu verstehen und verschiedene Perspektiven nachzuvollziehen.

subtext.at: Demnach bist du nicht nervös, wenn du auf die Bühne gehst?
David Rhodes: Mir hat immer die Idee gefallen, auf der Bühne zu sein. Es gibt Personen, die gehen auf eine Bühne, um im Mittelpunkt des Geschehens stehen zu dürfen und um Berühmtheit zu erlangen. Darum geht es mir nicht. Ich möchte etwas ausdrücken, die Leute berühren, in ihnen ein Gefühl wecken. Ich habe lange in Bands gespielt, von dem her ist es einfach, auf der Bühne zu sein. Schwer war das Singen. Das musste ich erst lernen. Ich bin immer noch nervös, doch es fällt mir jetzt leichter.

subtext.at: Was ist deine liebste Erinnerung, wenn du an die Entstehung von „Wishes“ denkst?
David Rhodes: James und ich, mit dem ich das Album aufgenommen habe, hatten dieses wunderbare Studio an der Küste von England. Ich weiß noch, als wir die Aufnahmen beendet haben und ich mir Gedanken über die Reihenfolge der Songs gemacht habe. Ich bin also zum Strand gegangen und habe die Seele baumeln lassen, es war Herbst. Gleichzeitig habe ich immer gewollt, dass sich die Leute mein Album im Herbst anhören, weil es von der Musik her einfach am besten in diese Jahreszeit hineinpasst. Und da saß ich also auf einem Felsen, in Gedanken schwelgend – eine verdammt kitschige Szene (lacht)!

subtext.at: Wenn du das Album zusammenfassen könntest, wie würde diese Beschreibung aussehen?
David Rhodes: Es ist eine filmische, dynamische Platte. Eine ehrliche, die trotz der Schwere Hoffnung für einen bereithält.

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