Tonfabrik: Smog über der Stahlstadt!

Würden Ja, Panik, Shy-Sänger Andi Kump, Sven Regener, und Willi Warma in der Linzer Stadtwerkstatt auf ein Bier gehen und dabei über Musik philosophieren – es käme wohl genau das heraus, was die „Tonfabrik“ auf ihrem aktuellen Werk „Smog“ präsentiert. Ein Album, angesiedelt irgendwo zwischen Diskurs und Stahlstadt-Nostalgie.

Dementsprechend gehts im Titeltrack „Smog“ gleich um die sagenumwobenen Willi Warma. Sehnsucht nach der Vergangenheit, dabei machen wir gleich noch mal einen auf Gesellschaftskritik dazu. Das rumpelt schön dahin, wie man es angeblich damals auch gehört hat. Macht auch 2016 noch Spaß. Genauso wie eigentlich die ganze Platte an sich – man glaubt sich in die Vergangenheit zurückversetzt. In viel schreibenden, aber meistens wenig sagenden Pressetexten bezeichnet man das dann als Chanson-Punk. Ich bleib da eher beim Punk als beim Chanson.

Aja, zwei Bands hab ich eingangs ja noch erwähnt. Den Einfluss der – mittlerweile leider nicht mehr existenten – Shy kann die Tonfabrik auch nicht leugnen. „Diese Stadt“, eine Liebeserklärung an die Stadt. Auch mal schön, in einem Pop-Song mal was anderes als die Holde anzuhimmeln. Allein dafür schon ein Danke! Auch Melancholie hat sich danach in das Repertoire der Band eingefunden. In „Wiederholungstäter“ wird in bester Sven-Regener-Manier herumgeschunkelt – und stimmlich relativ nah am (schwierig zu erreichenden) Original. Quasi das Delmenhorst der Stahlstadt. Verstörend fast, in einem ganz, ganz eigenen Sinne. Vielleicht daher auch der „Chanson“ im Pressetext.

Lautstark! Musikcontest 2016 @ Posthof Linz

Klassisch wirds danach. „Sudoku“ ist dann endlich mal ein klassischer Pop-Song – mit allem, was dazu gehört. Musikalisch nicht auf ausgefeilt getrimmt, drückt das eher auf die Ohrwurm-Drüsen in den Gehörgängen. Wäre man auf einem Live-Konzert, würde man sich genau in diesem Moment ein Bier an der Bar holen. Allerdings nicht aus Frust, wie man das oft sonst so tut. Passend dazu dann auch der Song „Getränkeautomat“ – stilistisch kauft man hier dann wieder eher beim Element of Crime’schen Getränkemarkt „Hoffmann“ ein. Hat man halt zwei Songs vorher schon ähnlich gehört.

Für den Song „Universum Linz“ danke ich an dieser Stelle hier einfach mal ganz subjektiv. Endlich wird die Dorf-Großstadt Linz thematisiert – ich spreche hier ja vom „kulturellen Inzest“, weil hier wirklich jeder noch jeden kennt. Aber vielleicht ist ja gerade das auch der spezielle Charme der Stahlstadt, wer weiß? Nach einem kurzen Klassik-Beziehungs-Pop-Intermezzo mit „Eins und Eins“ gehts dann aber auch in die Ferne – der Stahlstädter muss ja auch mal raus, in dem Fall natürlich nach Berlin.. Danach wird aber „unterm Mond gebraten“, darüber lamentiert, dass“ alles vorbei geht“, nur um dann das „letzte Schiff“ zurück in die Stahlstadt zu kriegen. Herrscht dort etwa Stillstand? Anscheinend – so ruhig hat man die Tonfabrik die Tracks zuvor nicht gehört.

Lautstark! Musikcontest 2016 @ Posthof Linz

Ein verstörendes Album, wie oben erwähnt. Hochwertiger Deutsch-Pop hier in Linz? Warum eigentlich nicht? Eine Prise Shy, garniert mit einem Willi-Warma-Aufguss. Eingangs habe ich nicht geglaubt, dass der Spagat mit so vielen Einflüssen funktionieren kann. Ich wurde eines besseren belehrt. Ich hätte nicht gedacht, dass man stilistisch in diese Richtung abdriften kann, ohne sich lächerlich zu machen, ob der Qualität der Vorbilder. Auch hier wurde ich eines besseren belehrt. Ein Album, das wohl nur in Linz und Umgebung wirklich funktionieren kann. Ein Album, das aber vor allem hier funktioniert. Kaufen, anhören, auf ein Konzert gehen! Und endlich wieder mal habe ich das Gefühl, dass aus Linz wieder mal was richtig Besonderes gekommen ist, auch wenn man manchmal das Gefühl hat, dass hier zu viel auf einmal gewollt wurde.

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Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.