„Last but not liest“: Cartoons über Literatur

Was wären Goethes letzte Worte 2016?  Wie können Katzen zu Schreibblockaden beitragen? Wodurch haben es die Gebrüder Grimm geschafft, dutzende Märchen aufzuschreiben? Und wie würde eine Bücherverbrennung 2.0 aussehen? Diese und andere Fragen beantworten 46 Cartoonist_innen in der Sammlung „Literarische Cartoons“. In dieser sind keine Werke und Schriftsteller_innen der Weltliteratur zu berühmt, um sie auf den Arm zu nehmen.

„Tja, Herr Hitler, Wenn Sie Ihr Buch auf der Bestsellerliste sehen wollen, dann müssen sie wohl alle anderen Bücher verbrennen“, so eröffnet Andre Sedlaczeks Cartoon die Sammlung „Literarische Cartoons“. Dem Sprechenden- einem rauchenden Mann in Anzug- steht ein grübelnder Hitler gegenüber, mehrere Schritte vom braunen Schreibtischpult entfernt, vor einem braunen Dackel, inmitten grün tapezierter Wände. „Hm“, denkt Hitler über den Ratschlag, der eine neue Dimension der Motive der Bücherverbrennung aufwirft.

Von Sedlaczek und der ersten Bücherverbrennung in dieser Sammlung geht es zu 88 weiteren Cartoons, gezeichnet von ungefähr halb so vielen Cartoonist_innen. Der Inhalt: das gefährliche Leben eines Literaturkritikers, neue Formen der Popliteratur,  ein Poetry Slam, Träume und Alpträume eines Zettels, Bücher gegen Einschlafprobleme; eine Katze, die sich auf die Tastatur legt; ein Affe, der in einen jungen Wärter verliebt ist, ein belesener Hund, der „böllt“  (Heinrich Böll) und vieles mehr. Wenn die Texte der Cartoons Anspielungen zu Werktiteln und Literat_innen enthalten, so sind diese vor allem als Wortspiele in Namen (z.B. Sancho Panzer aus „Don Quijote“, Shakespear) und Aussagen (ins Gras beißender Günter,…) zu finden. Ein besonders schöner Kalauer ist das Denglisch in der Mitte des Buches: „Last but not liest“ ist über Huses Cartoon zu lesen. Einer Grafik in Graustufen, von einem dünnen Rand umgeben, stimmige Poesie an der Bushaltestelle.

Lyrik ist in “Literarische Cartoons”  in beinahe jeder Alltagssituation vorhanden. Gedichte werden sogar an öffentlichen Toiletten vorgetragen, der Vers „fließt stetig das Nass“ (Bettina Bexte) bekommt dadurch einen ironischen Beigeschmack. Mit Ironie begegnen den Betrachter_innen auch Cartoons über widersprüchliche Situationen und gegenwärtige Ereignisse. Lesen führe nach ein bis zwei Jahren zur Sucht, meint ein vom Alkohol gezeichneter Mann zu seinem dünnen Gegenüber mit Brille.

Greser & Lenz - Lesen macht suechtigGreser & Lenz – „Lesen macht süchtig“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dabei bringe speziell die Lektüre von gedruckten Büchern auch Vorteile mit sich, so ein Cartoon von Beck. Am Ende sei keine lange Liste widerwärtiger Kommentare zu finden. In einem weiteren Cartoon führt die Betrachtung des Facebookprofils zu einem Duden als Geschenk.

Bezüge zu Gegenwartsereignissen und aktuellen Diskussionen stellen Cartoons zu den Geschwistern Grimm – die Schwester und Ghostwriterin eingerechnet-, zur Bücherverbrennung 2.0 im Hexenzirkel mit Kindle und „Delete“- Taste, zu bettelnden Literat_innen und zu Goethes letzten Worten dar. „Mehr Energiesparlicht“ könnten diese 2016 lauten. In einem Jahr, in dem manchen Kindern verboten wird, während des Fernsehens zu lesen. Von strengen Blicken gestraft und mit Kappe auf dem Kopf sitzt das Kind mit Buch in der Hand zwischen den Erwachsenen. Auf einem hellgrauen Sofa mit einem etwas dunkleren Hintergrund, von den Cartoonisten Schilling & Blum signiert.

Wer an dieser Stelle schmunzelt, hat dies möglicherweise zuvor auch bei dem Gedicht des hungrigen Dichters und bei der Beschreibung eines esoterischen Buchhandels getan. „Obszöne Titel, grellbunte Aufmachung, perverser Inhalt. Die verschämten Kunden blicken zu Boden. Ein Tag wie jeder andere im esoterischen Buchhandel“,  ist zu einem Cartoon von Matrattel zu lesen. Seine Figuren und Gegenstände mit Schatten, und die nicht detailliert gezeichneten Gesichter haben Wiedererkennungswert.

Matrattel - Verleger

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Matrattel – „Verleger“


Selbiges trifft auf Figuren von Martin Zak zu. In allen vier Cartoons haben sie große, weiße Augen, gebogene Nasen und eine gelbe beziehungsweise ins Orange gehende Haut. Bei Karsten Weyershausen sind es hingegen kräftige Farben und die ovale Form der Bilder, die Wiedererkennungswert haben.

Die meisten Cartoons in „Literarische Cartoons“ sind farbig – mal matt, mal in leuchtenden Farben-,  manche sind Schwarz-Weiß oder in Graustufen gehalten. Die einen sind mit viel Details gezeichnet (Poster im Buchladen, Lichtschalter im Haus,…) und haben Rahmen ergänzt bekommen, die anderen sind minimalistisch ausgestattet (keine genauen Gesichtszüge, Umrisse von Figuren und Gegenständen,…) und kommen mit dem weißen Hintergrund des Papieres aus. Die erste erkennbare Gemeinsamkeit der Cartoons ist nur ihr Überthema.

Ihre Witze erschließen sich schnell, sind allerdings oft weder feingeistig noch besonders tiefgründig. „Ich hab so viel Schlechtes über Alkohol gelesen, dass ich mit dem Lesen aufgehört habe…“ bei Heike Drewelow ist nicht originell. Ähnliche Sprüche zu Rauchen und Co. sind nicht nur in sämtlichen Sprücheportalen, sondern auch immer wieder in sozialen Netzwerken zu finden. „Auf Feuchtgebiete sollte ich mir beizeiten auch mal wieder einen runterholen“ ist ebenfalls ein naheliegender Vorsatz, Zeichen mit Seiten zu verwechseln nicht sehr kreativ. Dennoch sind auch humorvollere und gelungenere Witze in „Literarische Cartoons“. In „Zumutung Mitmensch“ (Nicolas Mahler) wird der Wunschtraum einer Welt ohne Mitmenschen zwar nicht genau beschrieben, dafür rechnet der Schreiber schon mit Verrissen.

„Literarische Cartoons“ ist insgesamt eine nette, nicht tiefsinnige Sammlung von Cartoons über Literatur. Sie bringt den_die Betrachter_in eher zum Lächeln als zum Lachen, lässt sich aber zwischendurch und nebenbei ansehen.

„Literarische Cartoons“ ist 2016 im Holzbaum Verlag erschienen und um 19,95 € zu erhalten.

 

Katharina ist Sozialwissenschaftlerin und Redakteurin. Sie beschäftigt sich vor allem mit gesellschaftlichen (z.B. frauenpolitischen) und kulturellen (z.B. Film, Theater, Literatur) Themen. Zum Ausgleich schreibt sie in ihrer Freizeit gerne literarische Texte: https://wortfetzereien.wordpress.com/