OPEN AIR OTTENSHEIM: erfrischend anders seit 23 Jahren

Man muss sagen: Das Open Air Ottensheim ist schon irgendwie ein seltsames, kleines Festival. Seit 23 Jahren wird es vor den Toren von Linz veranstaltet und bietet zwei Tage lang qualitativ hochwertiges, extravagantes musikalisches Programm in idyllischer, fast schon familiärer Atmosphäre, fernab jeglicher Festival-Klischees. Speisen und Getränke, bei denen man ins Schwärmen gerät, diverse Info- und Plattenstände, ein Beautysalon(!) und eine Fahrradwerkstatt sorgen für ein kunterbuntes Rahmenprogramm am Festivalgelände. Dazu kommt eine Besuchermischung, wie man sie sonst auch nur selten sieht. Von Musiknerds und Hippiepärchen, über junge Familien mit Kindern, bis hin zur versammelten Dorfjugend ist alles vertreten. Mit Fug und Recht behaupten wir: das Open Air Ottensheim ist wohl eines der vielfältigsten und besten kleinen Festivals des Landes.

Freitag – Tag  1
Freitag – 18 Uhr. Der Wettergott zeigte sich gnädig. Der angekündigte Regen blieb bis auf einen kurzen Schauer aus. Mister Georgie Gold betrat die Bühne, um in seiner gewohnt skurrilen Art mit Sister Jones die erste Band anzukündigen. „Come closer, you fucking assholes!“, forderte er das langsam eintrudelnde Publikum auf. Ebenso wunderbar skurril waren die Bühnenoutfits der Band. Sie trugen Strumpfhosen über den Köpfen. ihre übergroßen Gesichter konnte man stattdessen auf Stöcken, die hinten ins Sakko gesteckt waren, bewundern. Mit ihrer unvergleichlichen Mischung aus Soul, Brass, tanzbaren Beats, drückenden Gitarrenriffs und viel Humor trugen sie die Songs ihrer beiden Alben Number 9 und Paul Is Dead vor. Die Band hätte sich auf jeden Fall einen besseren Slot verdient gehabt. Aber irgendjemand muss ja schließlich den Eisbrecher machen.

Scarabeusdream brachten danach das „andere Pinkafeld“ nach Ottensheim. Wilde Schlagzeugparts trafen auf avantgardistische Klaviertöne und schräge Vocaleffekte. Keine Musik, die man normalerweise mit Sommer, Sonne und Festivals in Verbindung bringt, sondern eher in finsteren Konzertsälen vermuten würde. Dennoch verstand es das Duo, eine mitreißende, energiegeladene Perfomance hinzulegen. Definitiv eine positive Überraschung.

Die Hip-Hop-Heads wurden danach mit dem Auftritt von Ill Mindz (AKA Def Ill und Digga Mindz) beglückt. Voller Motivation, mit einigen Feature-Gästen, aber ob der derzeitigen politischen Situation verständlicherweise etwas angefressen (Stichwort: Zeltstädte) präsentierten sich die beiden. Der guten Stimmung tat das aber keinen Abbruch. Man kann auch durchaus abgehen, während man gesellschaftliche Missstände anprangert. Der Herr Def Ill sowieso.

Dann für uns das große Tageshighlight – Jambinai. Die südkoreanische Band benutzt neben klassischem Bandsetup aus Drums, Bass und Gitarre auch traditionelle koreanische Instrumente. Damit zauberte die fünfköpfige Besetzung furiose Post-Rock-Feuerwerke, die von Crescendo zu Crescendo glitten und dabei kaum jemals an Intensität einbüßten. Dem Eindruck nach waren wir in unserer Begeisterung über den Auftritt nicht alleine. Denn die grandiose Performance wurde auch vom restlichen Ottensheimer Publikum entsprechend goutiert.

Nicht ganz erfüllen konnte die hohe Erwartungshaltung die afrikanische Combo Konono N°1. Absolut bemerkenswert ist zwar der Fakt, dass die Gruppe auf elektronischen Instrumenten musiziert, die sie teils selbst aus diversem Elektroschrott zusammengeschraubt haben. Allerdings verblasste dieser Wow-Faktor mit Fortdauer des Sets immer mehr. Es gab wenig Abwechslung. Ein Song ging fließend in den nächsten über, die Beats variierten kaum. So hatte man leider nach spätestens einer halben Stunde das Gefühl, bereits alles gehört und gesehen zu haben. Dafür legte Georgie Gold vorab einen äußerst eleganten Stagedive hin. Chapeau!

Nachdem der nominelle Headliner in Form von Venetian Snares aufgrund von zerstörtem Equipment leider absagen musste, konnte man sich zwischen dem offiziellen Latenight Act DJ Heinz und dem inoffiziellen entscheiden. Electric Ray And The Shockers hatten nämlich vor dem Klowagen außerhalb des Geländes ein Set aufgebaut und luden zum spontanen Häusl-Gig. Ein ziemlich irrwitziger Anblick, der aber gleichzeitig absolut zum Ottensheim Open Air zu passen schien. Und so versammelte sich eine tanzwütige Meute rund um das vermeintlich stille Örtchen zu Klängen à la Rockabilly und Surf- und Alternative Rock. Fazit: Der wohl einzig wirklich passende Abschluss für den Tag!

Tag 2

Der zweite Festivaltag wurde von den lokalen Youngsters Slavica eröffnet. Post-Punk, Indie und New Wave sind die Schlagworte, mit denen sich der Sound der Vier am Besten umschreiben lässt. Imponiert hat uns vor allem, wie cool und abgebrüht sich diese Junge auf der Bühne bereits präsentierten. Auch wenn die Zwischenansagen noch etwas holprig wirkten, war dieser Auftritt allemal ein großes Zukunftsversprechen. Eine Band, die man auf jeden Fall im Auge behalten sollte.

Für unterhaltsames Kontrastprogramm sorgte dann der Auftritt der beiden Liedermacher Christoph & Lollo. Seit 20 Jahren begeistert das komische Duo mit politischen und sozialkritischen Songs wie „Seit ich ein Kind hab“, „Karl-Heinz“, oder ihren satirischen Wahlkampfhymnen. Eine wahrlich willkommene Abwechslung zu den ansonsten großteils düsteren Klängen an diesem Wochenende.

Ganz anders sah das dann wiederum bei Vögel Die Erde Essen aus. Das Berliner Trio spielt eine Mischung Punk, Noise und Krautrock, die direkt in die Gehirnwindungen geht, aber nie verkopft klingt. Dass die Band sich auf der Bühne auch nicht unbedingt zu Ernst nimmt, sondern durchwegs sympathisch und spielfreudig rüberkommt, tat sein Übriges zu einem verdammt starken Auftritt.

Danach servierten die slowenische Künstlerin Maja Osojnik und ihr kongenialer Partner am Schlagzeug, Patrick Wurzwallner, mit Musik zwischen Chanson, Ambient, Avantgarde und Noise durchaus schwere Kost für so einen lauen Sommerabend. Besinnliche Momente, immerzu gejagt von erbarmungslosen Ausbrüchen prägten das Klangbild. Ein stetiges Spiel mit Laut und Leise, das einen nicht so schnell zur Ruhe kommen lässt.

Das Highlight des zweiten Tages waren mit ziemlicher Sicherheit Repetitor aus Belgrad. Laut, dreckig und explosiv – Rock’n’Roll, wie er zu sein hat. 90er Garagen-Retro-Rock trifft auf Elemente aus Grunge und Stoner-Rock. Großes Kino! Kollege Alex Dietrich hat das Trio letztes Jahr schon in der Stadtwerkstatt live gesehen und wir können seinem Bericht in allen Punkten zustimmen.

Auch an Tag zwei sollten die Hip-Hop Fans nicht leer ausgehen. Subcarpati vermischten ihre Beats mit traditionellen Klängen aus der rumänischen Heimat und schafften es, die gute Stimmung von Repetitor herüber zu retten und die Menge in Bewegung zu halten.Als Headliner des Abends kletterte der neonfarbene Koenig auf seinen neonfarbenen Thron hinter seinem neonfarbenen Drumset. Die One-Man Band sorgte mit grandiosem Schlagzeugspiel und einer Mischung Hip-Hop, Jazz und Electronic für ausgelassene Tanzlaune bis spät in die Nacht. Wer dann noch immer stehen konnte, für den gab es mit DJ Spinelly noch ein weiteres Late Night DJ-Set.

Damit gingen zwei großartige Festivaltage zu Ende. Liebes „Oheim“, es war uns eine Freude. Wir kommen gerne nächstes Jahr wieder!

Foto: Christoph Thorwartl

Schreibt Albumrezensionen, Konzertberichte und führt gerne Interviews - transkribieren tut er diese aber weniger gern. Immer wieder auch für Blödsinnigkeiten abseits seines Kerngebiets "Musik" zu haben. Hosted einmal monatlich die Sendung "Subtext on Air" auf Radio FRO, ist bei mehreren Kulturinitiativen und in einer Band aktiv.