BIFFY CLYRO: Casus knacksus

Es schleicht sich an anstatt zu überfallen. Zwischen Ballfäusten und Hängeschultern, zwischen Pop-Leichtigkeit und Rock-Schwere, schlagen Biffy Clyro ein merkwürdiges, neues Kapitel ihrer Karriere auf. Früher lauerte hinter jedem eindeutigen Verlauf eine wüste Wendung – oder umgekert. Dafür liebte man sie. Jetzt sind es geregelte Bahnen, die den Weg des Trios auf „Ellipsis“ markieren. Was ist geschehen?

 

Fangen wir mit dem Positiven an: Den Schotten gelingt ein solider Brückenschlag zwischen allen auf den bisherigen Alben präsentierten Facetten. Die Schnittmenge von Alt & Neu trifft manchmal ins Herz, aber dennoch nicht immer ins Schwarze. Ausgerechnet die erstrebte Vielseitigkeit, produziert von Fachmann Rich Costey (Muse, Foo Fighters, Death Cab For Cutie), stellt das Manko dieses Rockalbums dar. „Ellipsis“ wirkt, trotz guter Ansätze und anständigem Songwriting, manchmal etwas ziellos. Die Platte ist weder besonders experimentell noch überaus ausufernd geraten, sondern im Kontext der Band geradezu konventionell. Das ist der Knackpunkt.

Konfrontativ geht es mit „Wolves Of Winter“ los. Der rockige Opener, gleichzeitig die Vorabsingle, demonstriert: „Wir sind keine Feiglinge!“ Das nachfolgende „Friends & Enemies“ geht überraschend in Deckung, setzt wieder zum Rückzug an, während ein lieblicher Kinderchor für Beschallung im Hintergrund sorgt. „Animal Style“ zeigt dann erneut die druckvolle Biffy-Seite, mit einem zuverlässigen Refrain, der punktet und, salopp gesagt, einfach Spaß macht. „Re-Arrange“ packt an vierter Stelle die Balladenkeule aus, inklusive Wohooo- und Wahaaa-Gesängen. Weitere werden im Verlauf der Platte folgen. Stimmig geraten, warm instrumentiert, poppig – „Re-Arrange“ ist ein kurzweiliger, stimmiger Aufenthalt auf den Spielplätzen des Pop. So lieblich hat man das Trio selten gehört.

„Herex“ verhält sich wie ein Chamäleon, wechselt Tempo und Struktur, wie man es von Simon Neil und Co. gewohnt ist. Ein Langzeitfavorit? „Medicine“ startet rein akustisch und schwillt dann immer mehr an, „Flammable“ überzeugt mit tollem Groove. „On A Bang“ bläst den Punk aus der Lunge, „Small Wishes“ zeigt Anzeichen von Country und Soft-Pop und in „Howl“ darf es dann sogar Power-Pop sein. Kurzum: Man spürt, sie möchten neue Wege gehen, sich nicht wiederholen und trotz aller Bemühungen stampft „Ellipsis“ hier und da auf der Stelle, weil es Homogenität vermissen lässt. Und wirklich große Songs.

Cover

Sagen wir so: Den Spagat zwischen Szenekodex und Mainstream-Potenzial haben Biffy Clyro mit „Ellipsis“ zwar mit Blessuren, aber nichtsdestotrotz halbwegs unbeschadet hinbekommen. Hat man seine hohe Erwartungshaltung einmal hinunter gesetzt, erfreut man sich an den unterhaltsamen Songs. Am Ende ist diese Platte wohl eins: Übergangswerk denn Neuerfindung.

Biffy Clyro live in Österreich, präsentiert von Barracuda Music, am 21. Oktober 2016 im Wiener Gasometer!

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