Sammy Amara von den BROILERS im Subtext.at Interview. © Markus Wetzlmayr / @wetphoto / www.wet-photo.at NO USE WITHOUT PRIOR WRITTEN PERMISSION // KEINE VERWENDUNG OHNE VORHERIGE SCHRIFTLICHE ERLAUBNIS.
Sammy Amara von den BROILERS im Subtext.at Interview. © Markus Wetzlmayr

Broilers: „Das Persönliche ist wichtiger als das Business!“

„(sic!)“ – lateinisch für „genau so!“, so heißt das neue Album der Düsseldorfer Punk-Legenden Broilers, das diesen Februar erscheint. Ein Album, lauter als die letzte Platte. Eine direktere Platte. Frontmann Sammy Amara hat uns eine Woche vor dem Release ein Interview gegeben, warum das so ist. Ein Gespräch über Mainstream, sprichwörtliches „In-die-Fresse-Hauen“ und gesellschaftliche Abgründe.

subtext.at: Gibt es eine Frage, die du gleich hinter dich bringen möchtest?
Sammy: Die nach dem Bandnamen. Die willst du aber doch nicht wissen, oder?

subtext.at: Natürlich nicht.
Sammy: Dann ist ja alles gut (lacht). Dann hab ich keine weiteren Fragen (lacht).

subtext.at:  Dann fangen wir gleich mit dem Aktuellsten an, der neuen Platte „(sic!)“. Übersetzt bedeutet das in etwa so viel wie „Genau so!“ – gehe ich richtig in der Annahme, dass sich dieses „sic!“ darauf bezieht, dass ihr in der Vergangenheit alles genauso gemacht habt, wie ihr das wolltet?
Sammy: Tip-Top, genauso ist es. Wenn wir dieses „sic!“ mal metaphorisch gesehen vergewaltigen, dann ist es genau so, wie du es gesagt hast.

subtext.at: Ist es dann eigentlich eine Tugend für Musiker, dass sie nichts bereuen und das auch nicht bereuen dürfen, was sie in ihrer Vergangenheit getan haben?
Sammy: Nein, das sehe ich nicht so. Musiker sind auch nur Menschen. Wir alle haben Sachen im Leben getan, die wir nicht geil finden und vielleicht auch bereuen. Die haben uns dann aber auch an den Punkt gebracht, wo wir heute stehen. Wir lernen aus allem in unserem Leben – aus Erfahrungen und Fehlern. Wenn man das dann auch mal verstanden hat, fährt man damit auch gut.

subtext.at: Was glaubst du, was der Sammy von 1996 zu dem Sammy von 2017 sagen würde, wenn er sich seinen musikalischen Werdegang ansehen würde?
Sammy: 1996? Da hab ich die erste Single rausgebracht und war noch voll auf Skinhead. Ich bin mir nicht sicher – aber vielleicht würde er sagen: „Cool, dass ihr mit dem neuen Album noch mal die Kurve gekriegt habt, euer letztes Album „Noir!“ war ja sehr poppig.“ Das könnte der kleine Sammy sagen. Der alte Sammy sagt: „Ja, es war poppig, aber es fühlte sich gut an!“. Es freut mich, dass wir mit dem neuen Album eines geschaffen haben, das wütender ist. Das ist alles in unserer Vita – verschiedene Alben, die sich verschieden anhören. Wenn du Bock auf was Ruhiges hast, findest du genauso etwas als wenn du einen „auf die Schnauze“ möchtest.

Sammy Amara von den BROILERS im Subtext.at Interview. © Markus Wetzlmayr / @wetphoto / www.wet-photo.at NO USE WITHOUT PRIOR WRITTEN PERMISSION // KEINE VERWENDUNG OHNE VORHERIGE SCHRIFTLICHE ERLAUBNIS.

Sammy Amara von den BROILERS im subtext.at Interview. © Markus Wetzlmayr

subtext.at: Als ich zum Interview gefahren bin, hab ich ein Album einer Indie-Band gehört, das „Dystopia“ heißt. Auch ihr zeichnet in eurer neuen Platte eine „Dystopie“ – habt ihr auf der aktuellen Platte, die wütender ist, wieder mehr auf den Zeitgeist geachtet als auf „Noir“, das ja – um ein Klischee zu bemühen – eher Richtung Mainstream abgedriftet ist?
Sammy: Du meinst inhaltlich? Ja, ich glaube aber, dass die Dystopie, auf die wir uns hier beziehen, von den Menschen anders wahrgenommen wird. Ich finde es sehr ungut, wohin die Menschen politisch wandern. Die Menschen haben Angst – meiner Meinung nach irrationale Angst. Vor „Überfremdung“, dem „Verlust der Kultur“, davor, dass „ihnen etwas weggenommen“ wird – dabei sind die Gefahren andere. Unsere Zeit fühlt sich für mich ein bisschen danach an, wie es kurz vorm 2. Weltkrieg war. Das fing nicht mit Gaskammern an – es fing an mit „Wir gegen Die“ und „Die gegen Uns“ – das waren Kleinigkeiten, die sich immer mehr aufschaukelten. Irgendwann wurden dann halt jüdische Händler aus den Geschäften gezerrt – das hört sich pathetisch an, ist aber aktuell nicht weit weg. Wenns früher Juden waren, sind es heute halt Moslems. Es ist scheiße.

subtext.at: Natürlich haben sich die Broilers immer politisch positioniert, im Punk muss man das ja fast. Ich habe mal mit Mono & Nikitaman gesprochen, die musikalisch ja in einem ganz anderen Eck stehen. Dabei habe ich provokativ gefragt, ob man sich als Künstler, der öffentlich Meinung bezieht, auch hinterfragen muss, wenn die allgemeine Tendenz in die genau entgegengesetzte Richtung driftet. Spürt man da ein „Versagen“ seiner Message auch, weil man diese Leute nicht erreichen kann?
Sammy: Nein. Das, was ich schreibe, das fühle ich, und dazu stehe ich auch. Das, was ich auf dieser Platte geschrieben habe, habe ich mir auch von der Seele geschrieben. Wir sind eine kleine Band. Eine erfolgreiche Band, aber eine kleine Band, im Verhältnis gesehen. Wir sind nicht Helene Fischer. Von der würde ich mich freuen, wenn sie sich mal äußern würde. Ich verstehe aber auch, dass sie die Schnauze hält. Sie will ja Platten verkaufen. Aber wenn wirklich mal wieder ein Flüchtlingsheim brennt, dann erwarte ich von ihr, dass sie ihr Maul aufmacht. Auch wenn es Verkaufszahlen kostet. Es kostet immer Publikum, wenn man sich positioniert. Der Mainstream ist ja auch nicht links. Kulturschaffende sind es meistens, aber der Mainstream ist dann doch klar rechts. Was ist eure größte Tageszeitung bei euch, auflagentechnisch?

subtext.at: Die „Kronen Zeitung“ und „Österreich“.
Sammy: Und wir in Deutschland haben die „Bild“. Und die stehen politisch rechts – das sind Brandstifter, wenn man sie überhaupt noch „Zeitung“ nennen darf. Und wenn du nicht diesem Ideal folgst wie Andreas Gabalier, die Pfeife, und Angst hast, dass die ganze Menschheit schwul wird und dir jemand die Berge klaut, dann wirst du anecken. Da werden die Leute schnell den Vorwurf äußern, dass du dich als „Gutmensch“ einschleimst.

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subtext.at: Also eine Gratwanderung zwischen Business und Überzeugung, oder muss man etwaige persönliche Überzeugungen auch unterstützen, um im „Mainstream“ erfolgreich zu sein?
Sammy: Natürlich ist es auch eine Entscheidung gegen den Business-Aspekt. Aber das Persönliche ist wichtiger als das Business. Unsere Band hat Punk-Wurzeln, und wir sind Freunde, die gemeinsam Musik machten. Wir hatten das Glück, dass andere Leute das auch geil fanden. Dass wir uns davon ernähren können, ist auch Glück. Aber es macht keinen Sinn für uns, unsere Platten danach zu richten, was möglichst vielen gefallen könnte. Wir schreiben das, wozu wir stehen können – und das kann Plattenverkäufe kosten. Aber das wäre wurscht. Wir wären bereit dazu, das wieder als Hobby zu machen.

subtext.at: Vor zwei Jahren hast du in einem Interview zu eurer letzten Platte gemeint: „egal, wie man es macht, es wird darüber gelabert!“.
Sammy: Genau. Und wenn du das mal verstanden hat, dann bist du auch frei. „Gesudert“ wird immer.

subtext.at: Gibt es für euch einen Punkt, worüber ihr bei euren eigenen Platten „sudert“?
Sammy: Oh ja. Wenn ich die „Lo/Fi“ höre – die ist von 2004 – und wie ich da gesungen habe… das kann ich nicht mehr hören. Das war furchtbar. Damals fand ich Oi!-Bands geil, genauso wie verzerrte, gegrölte Stimmen. Andererseits fand ich Tiger Army geil, eine amerikanische ehemalige Psycho-Band, wo der Sänger eine sehr hohe, klare Stimme hatte.  Das habe ich versucht zu verknüpfen. Das klingt fürchterlich. Bis ich mich getraut habe, die Stimme nicht mehr zu verstellen, hat es bis 2007 gedauert. Dazu war für mich Mut erforderlich, nicht mehr zu grölen.

subtext.at: Glaubst du, dass der Erfolg der Broilers darauf beruht, dass ihr vom Oi!- bis hin zum Ska-Publikum alle ein wenig bedienen könnt, und sich alle bei euch ein wenig zu Hause fühlen?
Sammy: Vielleicht. (überlegt) Ich glaube, dass es eine Rolle spielt, dass wir authentisch sind. Das klingt jetzt blöd nach einer Marketingstrategie, aber wir sind, wie ich gerade gesagt habe, bereit, „mit wehenden Fahnen“ unterzugehen. Wir machen das, was wir für richtig halten – und das sieht man Leuten an. Wenn man euch in Klamotten steckt, die euch nicht gefallen, dann werdet ihr den ganzen Tag daran rumzupfen. Und das ist nicht anders, wenn du in irgendeine Rolle gedrängt wird.

subtext.at: Euch gibt es jetzt schon mehr als 20 Jahre lang – wie oft kommt es eigentlich noch vor, dass die Leute weniger eure Musik als euch als Person kritisieren?
Sammy: (überlegt) Weniger als früher. Weil das Internet ein bisschen geholfen hat, zu zeigen, dass wir keine arroganten Leute sind. Früher habe ich oft gehört – als wir noch wenig via Bewegtbild kommunziert wurden – dass ich arrogant sei. Bin ich aber nicht.  Dass ich auf Fotos manchmal so gucke, tut mir leid. Arroganz ist immer auch gepaart mit Unsicherheit – ist man unsicher, versteckt man sich unter dem Deckmantel der Arroganz.

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subtext.at: Die Barriere zwischen euch auf und dem Publikum vor der Bühne ist durch das Internet also kleiner geworden?
Sammy: Glaube ich schon, ja. Das ist ja manchmal auch absurd. Manchmal haben Leute das Gefühl, mich auf freundschaftlicher Ebene gut zu kennen. Die schreiben dann, dass sie unheimlich gerne „mal mit uns saufen“ gehen möchten. Weil wir zum einen gerne saufen (lacht), und weil uns die Leute wirklich gut kennen gelernt zu haben scheinen. Fast wie eine Fernsehfamilie. Das ist aber auch gut so – ich freue mich auch über solche Sachen. Ich bin großer Bruce Springsteen-Fan – und ich würde auch sehr gerne mal mit dem saufen!

subtext.at: Stichwort „Bruce Springsteen“ – da gab es ja auch viele Debatten, als ihr gemeint habt, dass ihr ihn gut findet. Auch wenn er auf vielen rechten Veranstaltungen gespielt wird, sind die Messages in seinen Lyrics doch andere. Habt auch ihr manchmal das Gefühl, dass eure Musik in Kreisen verwendet wird, die politisch ganz weit weg stehen?
Sammy: Bis jetzt selten, aber ja. Auf dem letzten Album gab es einen Song, „Ich will hier nicht sein“. Der beschreibt die Situation von Flüchtlingen aus der Sichtweise der Flüchtenden. Sinngemäß so wie „niemand verlässt seine Heimat freiwillig, um in Deutschland Halligalli zu machen“. Man verlässt nicht seine Heimat, um eine lebensgefähliche Flucht zu starten und dann mit acht Leuten in einem Zimmer im Flüchtlingsheim zu schlafen. Das macht man nur, um überhaupt zu überleben. Dieses Lied wurde dann von der „identitären Bewegung“ missbraucht – getreu dem Motto „Super, die Broilers haben es verstanden“. „Ich will hier nicht sein“ – also ab nach Hause!

subtext.at: Also wird die Message von Texten nicht immer verstanden, auch von „gemäßigteren“ Hörern?
Sammy: (überlegt) Heute erscheint das Video zu „Keine Hymnen heute“ – was für mich ein megagutes Lied finde. Einer schrieb aber in den Kommentaren: „Scheiß Musik. Scheiß Text (welcher Text?). Ich versteh das Lied überhaupt nicht!“ Ok, über „Scheiß Musik“ kann man streiten. A-moll, C, F, G, immer dasselbe. Über „Scheiß Text“ kann man nicht streiten, nein. Vielleicht versteht man ihn nicht auf Anhieb – es kommen einige Metaphern vor, und es ist ein sehr politischer Text. Und ja, daran sieht man – nicht alle Texte werden von allen verstanden.

subtext.at: Bleiben wir gleich bei dieser Single. Eine politische Single, meiner Meinung nach sehr auf den Punkt gebracht, und viel direkter als alles auf „Noir“. War es ein Ziel für euch, Messages wieder „straigt auf die Fresse“ zu geben?
Sammy: Ziel nicht, aber es musste sein. „Noir“ war eine schwermütige Platte. Aber auch die Zeit, als ich „Noir“ geschrieben habe, war eine schwermütige, dunkle Zeit für mich. Da ging es mir auch emotional nicht gut. Jetzt für „(sic!)“ ging es mir vielleicht auch nicht gut, aber mich hat eher das Globale angekotzt. Der Rechtsruck etwa, der weltweit gerade geschieht. Das hat mich angewidert, und macht mir immer noch Angst. Deswegen sind die Themen wütender – weil es uns alle angeht. „Noir“ war eher in sich gekehrt, „(sic!)“ geht eher wieder nach Außen.

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Sammy Amara von den BROILERS im subtext.at Interview. © Markus Wetzlmayr

subtext.at: Also auch bewusst so, die Kommunikation wieder direkter anzulegen. Glaubst du, dass diese direkte Kommunikation wieder direkter sein muss?
Sammy: In dem letzten Lied, „Als das Alles begann“, wir das Passive angekreidet. Das Schlimmste, was man tun kann, ist, am Rand zu stehen, nichts zu tun und die Fresse zu halten. Das hat damals schon den Nazis den Boden geebnet. Natürlich hatten Leute Angst – aber jetzt ist die Zeit, zu positionieren. Genauso, wie es mir lieber ist, wenn sich jemand mit offenem Visier als Nazi zu erkennen gibt. Natürlich kann man ein „besorgter Bürger“ sein – aber unter diesen besorgten Bürgern gibt es halt sauviele Rassisten. Und Faschos, die sich als „Patrioten“ tarnen. Patrioten sind aber Patrioten, und Faschos sind Faschos. Deswegen ist es mir sehr recht, wenn Leute Position beziehen.

subtext.at: Musiker sind ja oft ihre schärfsten Kritiker. Gibt es etwas an „(sic!)“, das dich schon jetzt daran stört?
Sammy: Ich finde den Refrain zu „Unsere Tapes“ nicht so gelungen, wie ich es wollte. Es war ein schwieriges Lied für mich, und es fallen mir viele Wege ein heute, wie es besser gewesen wäre. Ich bin nicht der größte Fan dieses Liedes – dennoch ist es ok. Aber jetzt müssen es die Leute bewerten.

subtext.at: Und zum Abschluss: was soll auf deinem Grabstein geschrieben stehen?
Sammy: „Er war stets nach Kräften bemüht!“ oder „Schade!“.

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Fotos: © Markus Wetzlmayr

„(sic!)“  erscheint am 3.Februar auf CD, Download und Vinyl. Live auch in Österreich am 31. März im Gasometer Wien!

Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.