Bilderbuch

Unsere Jugend wird dahin sein…

… wie der Rauch aus dem Schornstein! „Ein Boot für uns“ heißt der Track von Österreichs wohl gerade steilst gehender Band, Bilderbuch. Ein Track vom Album „Die Pest im Piemont“, Bilderbuchs zweitem Album. 2011 ist das bereits erschienen. Mit „Magic Life“ ist spätestens 2017 klar: Die „Jugend“ von Bilderbuch ist dahin, Österreich ist im Pop endlich wieder wer! 

Die Kritiker überschlagen sich vor Freude. Releasekonzert in Berlin, eine Million Aufrufe für die Single-Auskopplung „Bungalow“: Bilderbuch sprengen gerade alle Superlative, die die Popmusik in Österreich in den letzten Jahren aufgestellt hatte. Doch was hat es mit dieser Band auf sich, die „auf einmal“ die Massen begeistert?

Ein Bild aus früheren Tagen: Bilderbuch-Frontmann Maurice Ernst!

Aus der Provinz

Aber zuerst mal zum Anfang. Wir schreiben das Jahr 2009. Bilderbuch ist, habe ich damals geschrieben, eine „Schülerband aus Kremsmünster, auf deren Schaffen man noch sehr gespannt sein darf“. Damals als, ja ich gebe es zu, als Floskel verwendet. Man darf anno 2017 durchaus lachend auf diese Feststellung zurückblicken, wenn man sich den weiteren Werdegang anschaut. „Nelken & Schillinge“ hieß damals das (erste) Album, welches schon damals durch geschicktes Klischee-durch-den-Kakao-Ziehen überzeugte. Damals rockiger – dem damaligen Zeitgeist entsprechend – und schon damals textlich herausragend. Songs wie „Bitte, Herr Märtyrer“, „Calypso“, „Kopf Ab“ und das auch heute noch immer, Verzeihung, geile „Tennisverein“ wurden zu Klassikern der damaligen oberösterreichischen Alternativ-Konzertszene.

Bilderbuch 2011 am Seewiesenfest in Kleinreifling

Auch mit „Die Pest im Piemont“ 2011 blieben sich Bilderbuch treu. Eine Fangemeinde hatten sie sich zumindest überregional schon erspielt, und sie schafften eines, woran viele Nachwuchsbands halt einfach scheitern: man redete über sie. Jetzt nicht nur, wenn man grade mal wieder eine neue Plattenkritik lesen konnte, sondern auf jeder Party und auf jedem Gelage. Live waren sie schon damals ein Erlebnis, und das zweite Album klang nicht nur musikalisch aufwändiger arrangiert.

Tracks wie „Pflaumenwein“, „Venezianischer Spiegel“ oder die Hymne meiner Studienjahre, „Ein Boot für uns“ zeugten von einer musikalischen Weiterentwicklung, die zu dieser Zeitnicht allzuviele Bands hinkriegten. Damaliges Highlight: Bilderbuch am wohl schönsten Fest ohne -ival des Landes, dem Seewiesenfest in Kleinreifling. Vor da gut 200 Leuten, um vier Uhr nachmittags, in einem Zelt. Zweites Highlight: FM4 Geburtstagsfest, Arena Open Air, 22. Jänner 2011. Zwölf Grad unter Null, tanzende Meute vor der Bühne.

Aufstieg

2013 schon im bummvollen WUK Wien

Eines fehlte halt noch: der richtige „Burner“, der die gläserne österreichische Decke durchbrechen konnte. Der folgte mit „Schick Schock“ im Jahre 2015, nachdem vorher mit EP, explosiven Liveshows und Co bereits ordentlich Spannung erzeugt wurde. „Schick Schock“ – wohl eines der prägendsten Alben, das in diesem Jahrzehnt hierzulande erschienen ist. Glamour, Knallig, und mit „Maschin“ endlich der Signature-Song, der wie die sprichwörtliche Bombe in der deutschsprachigen Musikwelt eingeschlagen hat. Neben „OM“, „Spliff“, „Feinste Seide“ und dem musikgewordenen Motto „Willkommen im Dschungel“ war der Durchbruch geschafft, mit „Plansch“ war auch die Festivalhymne vertreten. Ein Album, das alles vereint, was man braucht, um Erfolg zu haben.

Man fragt sich: was soll danach noch kommen? Eine Frage, wo viele Bands scheitern, wenn sie nach DER Platte plötzlich eine neue, noch bessere, oder zumindest andere abliefern sollen. Live-Erlebnisse: September 2013, bummvolles WUK in Wien, kompletter Filmriss danach. Oder am Nuke-Festival 2015 (R.I.P.) bei 38 Grad, brütender Hitze und dem trotzdem vorhandenen Bedürfnis, komplett durchzudrehen.

Magic life

38 Grad, die Party vor der Bühne aber noch heißer: Nuke Festival 2015

„Scheitern“ scheint im Repertoire von Bilderbuch allerdings nicht vorzukommen. Mit „Magic Life“ haben die Jungs nämlich noch einen draufgesetzt. Anstatt Glamour setzt man auf Stil, anstatt in-your-face setzt man auf subtilere Messages. Egal ob „I <3 Stress“, der Single „Bungalow“ oder „Babylon“ – die Zeichen stehen noch immer auf Party, allerdings schon ganz anders. 2017 klingen Bilderbuch funkiger, girarrenlastiger, aber auch, und vor allem: direkter in der textlichen Message. Egal, ob in Bungalow die Zeile„Komm vorbei in meinen Bungalow, by the Rivers of Cash Flow.“, oder das kritische „Investment 7“ – Bilderbuch sind politischer geworden. Kann man sich ja auch erlauben, wenn man sich etabliert hat. Man wird gehört. Stärker denn je gehört – und dessen scheinen sich Bilderbuch bewusst zu sein. Eines scheinen Bilderbuch immer zu schaffen: mit ihren Platten den Zeitgeist genau zu treffen, und ihn bis zu einem gewissen Grad auch zu prägen. Egal ob 2009  mit „Nelken & Schillinge“ oder 2017 mit „Magic Life“.

2015 mit „Schick Schock“ endgültig als Headliner etabliert: hier im Posthof Linz im Rahmen der Album-Release-Tour!

„Magic Life“ ist ein Album, das 2017 nur schwer zu toppen sein wird von einer Band, die auf die beste musikalische Weise erwachsen geworden ist, die man sich vorstellen kann. Von ganz kleinen Clubs auf die ganz großen Bühnen. Eine Platte, die den Spagat zwischen Message und Party so mühelos schafft wie wenige andere. Eine Platte, die wir angeben, wenn uns in 30 Jahren jemand fragt, was „ihr denn damals gehört habt“. Chapeau, Bilderbuch!

Bilderbuch kommen auf Tour! Am 26.8. als Abschlusskonzert in der Linzer Tabakfabrik, vom 17. bis 19. Mai zu instgesamt drei Shows in die Arena Wien (Karten nur noch für den letzten Termin erhältlich! 

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Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.