MANU DELAGO: „Die Herausforderung liegt darin, mich nicht zu wiederholen“

„Musik wir ein 20-minütiges warmes Bad“, beschreibt Manu Delago seine Intention als Künstler hinter dem aktuellen Album, welches auf den Namen „Metromonk“ hört. Im subtext.at-Kosmos ist der Hangspieler längst kein Unbekannter mehr. Auch dieses Mal hat der 32-Jährige Interessantes zu erzählen.

Wie es ist, in Swasiland vor einem mannigfaltigen Publikum zu spielen und sich trotzdem heimisch zu fühlen. Wie es sich anfühlt, für seine Kompositionen eine Grammy-Nominierung zu erhalten und wie man subtile Botschaften in sein Schaffen einbaut. Ein Interview über Befürchtungen, sich nicht wiederholen zu wollen, neue Herausforderung und Rush Hours.

subtext.at: Manuel, nach der Vorabsingle „A Step“ dachte ich, dass dein kommendes Album dein zugänglichstes und kommerziellstes sein wird. Nach dem kompletten Hördurchgang von „Metromonk“ muss ich meine Meinung doch revidieren.
Manu Delago: Nun, es gab zwei grundlegende Ideen, nämlich einerseits Hang mit elektronischer Manipulation, mit Effekten zu versehen. (überlegt kurz) In einem relativ kurzen Zeitfenster sind viele Ideen zusammengekommen und die meisten Tracks sind einfach von einer Hang-Idee ausgegangen. Das zweite Konzept spielt auf meine eigenen Hörgewohnheiten an. Musik, die ich einerseits gern beim Aufwachen höre, die schön und leise und ruhig ist und andererseits Musik, die eine gewisse Lautstärke hat und einen Beat, die mich vorantreibt, wenn ich zum Beispiel laufen gehe. Das war immer schon so, aber ich hab das bei den vorherigen Alben immer sehr vermischt, da ist es immer auf und ab gegangen. Jetzt habe ich mehr an eine Vinyl-Platte gedacht, da CDs quasi nicht mehr existieren. Es gibt also eine A-Seite und eine B-Seite, eine laute und eine leise, ganz plakativ gesagt. Natürlich verschwimmen die Grenzen dennoch ein bisschen.

subtext.at: Ich habe stets auf den Höhepunkt gewartet, auf den „A Step“ musikalisch hinarbeitet, der aber nicht wirklich stattfindet.
Manu Delago: Der Track ist extrem minimal gehalten, was die Produktion angeht. Mein persönlicher Höhepunkt ist, wenn der Bass im allerletzten Chorus zum ersten Mal auf F-Dur wegschießt. Das ist für mich die Auflösung (lächelt). Es passiert zwei Mal und auch ganz spät. (überlegt kurz) Auf „Silver Kobalt“ fingen die Songs langsam an und hörten groß auf, gingen über sechs, sieben Minuten. Jetzt liegt jedem Song eine Idee zugrunde und diese Idee ist es halt dann, nicht mehr und nicht weniger. Das kann dann ein Song sein, der ruhig ist oder auf Atmosphäre baut oder eben auf einen Beat. Das ist auf „Metromonk“ relativ konstant.

subtext.at: In einem alten Interview habe ich deine Musik noch als bauchbetont bezeichnet. Diese Aussage muss ich auch revidieren.
Manu Delago: (überlegt) Kann ich schwer beurteilen. Ich kann nur sagen, dass ich nur dann ein Album releasen möchte, wenn ich das Gefühl habe, dass es irgendwas Neues zu sagen gibt. Ich möchte nicht ein Album machen, nur weil das letzte schon zwei Jahre her ist. „Metromonk“ ist nun auch früher gekommen, als ich es mir gedacht habe, aber die Inspiration und die Ideen war eben da.

subtext.at: Wird es mit der Zeit schwieriger, mit dem Hang-Konzept neue Wege zu finden?
Manu Delago: Ja, es wird schwieriger. Ich habe jetzt jedes Hang manipuliert, damit ein anderer Effekt zu hören ist. Es klingt elektronisch, aber unterbewusst kann man spüren, es kommt von einem Menschen und nicht von einer programmierten Maschine.

subtext.at: Was soll uns das Video zu „A Step“ eigentlich sagen? „Trotz aller Widrigkeiten bist du nicht allein“, ist es das?
Manu Delago: (überlegt) Freundschaft ist ein wichtiger Punkt, den du richtig interpretiert hast. Es ist die Idee vom Sprung ins kalte Wasser. „A step that you will never regret.“

subtext.at: Die Figuren mit den leuchtenden Köpfen am Ende…
Manu Delago: Die stehen symbolisch für vier Freunde (lächelt).

subtext.at: Was hat es mit dem Titel auf sich?
Manu Delago: Diese Suche hat sehr lange gedauert. Ich habe ganz viele Ideen gehabt, die aber alle zu plakativ für mich waren. In Bangkok, wo alles so schnell und laut war, habe ich dann diesen Mönch gesehen, der im ganzen Verkehr fast dahin geschwebt ist. Dieses Bild hat für mich diese zwei Hälften gut zusammengefügt, die ich auf dem Album haben wollte.

subtext.at: Fühlst du dich manchmal auch als eine Art „Metromonk“, wenn du durch eine Großstadt spazierst? Umgeben von einer Menschenmenge, aber trotzdem allein?
Manu Delago: Habe ich nie überlegt, aber eigentlich schon, ja. In London, wo ich lebe, ist das Tempo so hoch, von der allgemeinen Bewegung her. Man verliert sich leicht in der Rush Hour, wo jeder von A nach B steuert, aber die Welt um sich herum gekonnt ignoriert. Wenn man Kopfhörer auf hat mit einem coolen Sound, da kann man schon durchschweben. Das kann schon so sein.

subtext.at: Gegensätze scheinen dir überhaupt ein Anliegen zu sein. Das Thema um Anziehung und Abstoßung scheint dich ebenfalls weiterhin zu beschäftigen. Auf „Silver Kobalt“ gab es den Song „Plus Minus“, nun „Between Oil And Water“…
Manu Delago: Eigentlich war ich auf der Suche nach einer Bezeichnung für diese Trennlinie, die sich ergibt, wenn sich Öl und Wasser vermischen. Trotz Google habe ich keine gefunden. (überlegt) Wahrscheinlich werde ich davon angezogen, ja. Ich bin ein großer Fan von Dynamik und Abwechslung. Sonst wird es fad (lächelt).

subtext.at: Du scheinst aus der Schublade „Hang-Spieler“ ein Stück weit ausbrechen zu wollen.
Manu Delago: Es ist auch so, dass die Leute, die mich bei Björk oder Anoushka Shankar sehen, ganz überrascht sind, weil ich fast gar kein Hang spiele (lacht). Die Leute schreiben dann auf Facebook: „It was great, but you didn’t play the hang.“

subtext.at: Wie schaffst du es, die ganzen unterschiedlichen Facetten, die dich faszinieren, zu einem Ganzen zu verschmelzen?
Manu Delago: Die Herausforderung liegt darin, mich nicht zu wiederholen. Es sind immer mehr Dinge dabei, die ich schon einmal gemacht habe und die fallen dann raus. Ich versuche, Neues zu finden mit dem Instrument. Ich kann mir schon vorstellen, dass die Zeit zwischen Alben länger andauern wird, weil die Suche einfach länger beschäftigen wird.

subtext.at: Was bedeutet dir künstlerische Freiheit?
Manu Delago: (denkt lange nach) Für mich heißt das, dass ich mache, was ich will – ohne Reingerede. Es ist interessant, weil ich letztes Jahr als Komponist beim Album von Anoushka Shankar dabei war, da war der Prozess anders, weil ich Kompositionen auf den Tisch brachte, aber es nicht mein Album war. Ich war nicht verantwortlich für das, was am Ende herauskam. Es ist schon anders, wenn mehrere Leute mitreden und eine größere Plattenfirma dahinter ist. Jetzt ist es halt nominiert für einen Grammy (lächelt). Darüber freue ich mich natürlich, aber ich glaube nicht, dass mich das großartig verändern wird. Wenn mein Name drauf steht, dann ist es wichtig, dass es mir gefällt und einen neuen Beitrag zur Welt der Musik darstellt. Ich sehe mich schon eher in einer künstlerischen und nicht in einer strategischen Rolle.

subtext.at: Hat sich dein Weltverständnis verändert durch die vielen Tourneen?
Manu Delago: Ich mag es auf Reisen, neue Blickwinkel zu gewinnen und Zusammenhänge herzustellen. (überlegt) Ich habe ein Konzert in Swasiland in Afrika gespielt und es war interessant, dass die Leute eine 45-minütige Fahrzeit aus Mosambik auf sich nehmen, um sich das Konzert anzusehen und die reden dann Portugiesisch. Eine halbe Stunde südlich ist Südafrika gelegen und die reden dann Afrikanisch. Es kommen Weiße, Schwarze, ganz bunt durchgemisches Publikum. Thailand, Japan, Australien, wenn man das ganz oft macht und erlebt, dann ergeben sich schon neue Blickwinkel auf all diese Zusammenhänge auf der Welt. Die Essenz daraus ist wohl, wie klein eigentlich Europa ist und wie wenig Menschen hier leben.

subtext.at: Sind die Menschen aus deiner Sicht mehr im Hier und Jetzt verankert als bei uns?
Manu Delago: Würde ich schon sagen, ja. Ich war im Dezember zwei Wochen in Indien und dort ist das allgemeine Tagesgeschehen mehr Thema als große Ziele oder so. Interessant, dass du fragst, weil mein Song „Abrupt“ diese Thematik aufgreift.

subtext.at: Was soll mir dein Album mit auf den Weg geben?
Manu Delago: Bei diesem Album habe ich kein Problem, wenn sich jemand, je nach Tagesverfassung, nur die eine Hälfte anhört. Es ist fast so designed. Ein halbes, lebensbejahendes, ermutigendes und positives Doppelalbum. Das ist meine Message.

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Foto: Mirno de Nicolo

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