Massenphänomen E-Sports – Ein Überblick

Von außen betrachtet, wirkt es wie der Zuschaueransturm bei einem Konzert. 14 000 Fans strömten vor knapp einem Jahr in die LANXESS Arena in Köln. Diese Menschenmenge war jedoch nicht da, um ihre Lieblingsband zu sehen. Sie war gekommen, um anderen dabei zuzusehen, sich gegenseitig virtuell wegzuballern. Die „anderen“ sind professionelle E-Sports-Athleten, die für teils fünfstellige Monatsgehälter bei ihren Klubs angestellt sind. „Gegenseitig virtuell wegballern“ steht für das Counter Strike – Global Offensive-Turnier ESL One Cologne 2016 mit einem Preisgeld von einer Million Euro. Die 14 000 in der Arena anwesenden und etwa eine Million Online-Zuschauer zeichnen ein klares Bild: E-Sport ist ein Massenphänomen. Die Zahlen sind keine Ausnahme. Eine Einführung in die Welt des competitive gamings.

Zur Geschichte

Was nun der erste E-Sportstitel war, ist umstritten. Vor allem zwei Spiele scheinen aber eine Art ersten Ankerpunkt zu bieten: Quake und Starcraft: Brood War. Während Quake vor allem in den westlichen Staaten die erste E-Sport-Szene begründete, wurde Starcraft: Brood War zum Nationalsport der 2000er Jahre in Südkorea. Auf den großen LAN-Parties der 90er und 2000er begann man diese Games in kleinen Turnieren gegeneinander zu spielen. Im Laufe der Zeit wurden so aus anfangs hobbymäßig spielenden Jugendlichen immer ehrgeizigere Spieler, die sich anschließend zu Teams, genannt „Clans“, zusammenschlossen. Das Interesse an den Wettkämpfen stieg. Neue Titel kamen hinzu, wie etwa das erste Counter Strike, Warcraft 3 oder DotA. Die Preisgelder wurden höher, die Zuschauerzahlen ebenfalls. Mitte des letzten Jahrzehnts konnten koreanische Top-Starcraft-Spieler über Verträge und Preisgelder bereits sechsstellige Einnahmen pro Jahr aufweisen.

© Blizzard Entertainment

Starcraft: Brood War © Blizzard Entertainment

Im Laufe der Jahre wurden aus den großen Clans breit aufgestellte Organisationen mit Merchandise, Vereinshäusern, angestellten Spielern, Trainern und Streamern. Dazu kommen zehntausende Mitglieder und Fans in den offenen Communities und auf den Websites. Ein Trend der sich bis heute fortsetzt. Die in London beheimatete E-Sports Organisation Fnatic soll beispielsweise knapp 40 Millionen Euro wert sein (Stand 2015 Quelle: www.britishesports.org) und hat 2,6 Millionen „Gefällt mir“- Angaben auf Facebook.

Das Jahr 2010 – Starcraft 2

Im Jahr 2010 veröffentlichte Blizzard Entertainment den Nachfolger des vor allem in Südkorea kompetitiv gespielten und immens beliebten Echtzeitstrategiespieles Starcraft: Brood War. Starcraft 2 nutzte die von den vorangegangen E-Sporttiteln aufgebauten Ressourcen und Strukturen, um innerhalb weniger Monate zur größten E-Sportdisziplin der Welt zu werden. Vor allem in den Jahren 2011 und 2012 war der Hype um das Spiel gewaltig. Zwar verflog dieser in den kommenden Jahren, Starcraft 2 hatte dem E-Sport aber vor allem im Westen einen großen Popularitätsschub versetzt. 2011 fand die erste World Championship des zwei Jahre zuvor veröffentlichten League of Legends statt. Außerdem veranstaltete Spieleentwickler Valve das The International, seit 2011 die jährliche Weltmeisterschaft des von Valve entwickelten Nachfolgers des MOBA-Hits DotA, DotA 2. 2012 folgte noch der Counter Strike-Nachfolger Counter Strike: Global Offensive. Auch heute noch sind diese drei Spiele die großen etablierten Disziplinen des E-Sports: League of Legends (LoL), DotA 2 und CS: GO.

© Dreamhack: Robert Paul

Die Disziplinen

Obgleich die Spieletitel selbst nur einige Jahre intensive E-Sport Spiele bleiben, haben sich in den vergangenen Jahrzehnten bestimmte Spielegenres als besonders beliebt erwiesen. Das sind einerseits First-Person-Shooter, wie etwa Counter Strike, Overwatch oder Halo, Echtzeitstrategie, vor allem Starcraft und Warcraft, die MOBA-Titel DotA 2 und League of Legends und Sportsimulationen (FIFA).

First-Person-Shooter sind Kriegs- und Kampfsimulationen, in denen die Spieler aus der Ego-Perspektive einer Spielfigur möglichst präzise andere Spieler ausschalten, und/oder bestimmte Spielziele erreichen sollen (etwa das Einnehmen von Punkten auf der Karte). Die Titel werden vor allem im Team gespielt (CS: GO 5vs5, Overwatch 6vs6).

In Strategiespielen treten meist zwei Spieler gegeneinander an. Dabei steuern sie eine Vielzahl von Einheiten selbst, müssen auf den Spielkarten Ressourcen gewinnen, Basen bauen, Einheiten ausbilden und all das möglichst schneller und taktischer als ihr Gegenspieler schaffen.

Im Genre der „Massive Online Battle Arenas“ (MOBAs) treten zwei Teams aus meist fünf Spielern gegeneinander an. Jeder Spieler wählt aus einem Arsenal an Spielfiguren, die bestimmte Fähigkeiten verfügen. Ziel des Spieles ist das Zerstören der gegnerischen Hauptbasis, genannt „Ancient“ oder „Core“.

Sportsimulationen wie etwa die von EA vertriebene Fußballsimulation FIFA, erklären sich im Grunde von selbst. Gespielt wird klassischer Fußball, nur vor einem Bildschirm. In der Regel wird FIFA im 1-gegen-1 oder im 2-gegen-2 Format gespielt.

Die Wettbewerbe

Während in den 2000er Jahren die Wettbewerbe zum großen Teil noch von unabhängigen Organisationen veranstaltet wurden (World Cyber Games), werden vor allem die größten Turniere und Ligen seit den frühen 2010er Jahren von den jeweiligen Spieleentwicklern finanziert. Das bekannteste Beispiel ist das DotA 2 Turnier The International. Diese DotA 2 – Weltmeisterschaft hatte im Jahr 2016 über 20 Millionen Euro an Preisgeld und ist damit der lukrativste Weltmeistertitel der gesamten E-Sportszene. Dennoch gibt es nach wie vor große unabhängige E-Sport Organisationen. Die größte davon ist die „Electronic Sports League“ (ESL). Gegründet im Jahr 2000, weist die Online Liga heute 7,3 Millionen registrierte Nutzer auf und veranstaltet Ligen und Turniere in unzähligen verschiedenen Spielen für Amateure und Profis. Die großen Turniere der ESL zählen zu den prestigeträchtigsten der gesamten Szene.

© ESL: Helena Kristiansson

Die Spieler

Professionelle E-Sportler, genannt Progamer, waren anfangs vor allem in Südkorea anzutreffen. Inzwischen hat die westliche Szene stark aufgeholt, wenn nicht sogar die asiatische Partnerszene überholt. Die „Pros“ erhalten Sponsoring und Verträge. Dabei wird täglich bis zu acht Stunden trainiert. Je nach Disziplin leben die Progamer in ihrer Heimat und trainieren gemeinsam online (CS: GO) oder, vor allem in den asiatisch dominierten Disziplinen gebräuchlich, sie wohnen gemeinsam in einem „Teamhouse“ und trainieren und arbeiten von dort. Die besten Spieler haben hohe Monatsgehälter im fünfstelligen Bereich. Für weniger erfolgreiche Spieler ist es jedoch schnell schwer den Lebensunterhalt über den E-Sport zu finanzieren. Es hat sich daher eine große Szene starker Amateurspieler entwickelt, die zwar einem geregelten Job nachgehen oder Schüler und Studenten sind, aber dennoch ihre Disziplin auf hohem Level beherrschen und um Preisgelder und Prestige spielen.

Rückkehr nach Köln

Das Datum der nächsten ESL One Cologne steht bereits. Von 7. Bis 9. Juli ist es in der LANXESS in Köln wieder soweit und erneut werden Zehntausend Fans ihren Lieblingsspielern in CS: GO zusehen. Ein spannendes Turnier ist zu erwarten, wenn im Juli wieder die besten Teams der Welt versuchen werden, sich „gegenseitig virtuell wegzuballern“.