Dirt 4: Rennspiel-Highlight aus dem Hause Codemasters

Der Rennspielspezialist Codemasters veröffentlicht mit Dirt 4 den fünften Teil seiner beliebten Rallyserie. Und was für eine Fortsetzung! Der Titel begeistert mit Abwechslung bei den Strecken, einem großartigen Fahrgefühl und einer der präzisesten Steuerungen, die ein Rennspiel je gesehen hat. Ein Pflichtkauf für alle kommenden Raimund Baumschlagers in Österreich, egal ob mit Gamepad, Tastatur oder Lenkrad.

Nach dem vielfach ausgezeichneten simulationslastigen Vorgänger Dirt Rally stand Codemasters mit Dirt 4 vor einer schwierigen Herausforderung. Einerseits Hardcore-Spieler, die mit dem Vorgänger gewonnen wurden, nicht zu vergraulen, andererseits auch Casualspieler zufrieden zu stellen. Ein Spagat, den der englische Entwickler und Rennspielprofi mit Bravour beim Gameplay und der Steuerung meistert, aber an anderer Stelle schwächelt. Denn während die Rennstrecken fordern und abwechslungsreich sind, wurden die Spielmodi stark abgespeckt.

 

Dirt 4
Publisher: Codemasters
Entwickler: Codemasters
Plattformen: PC, PS4, Xbox One
Testplattform: PC
Metacritic-Score: 80%
Preis: 49,99 / 59,99 €

 

Ein Rennspiel für alle

Gleich zu Beginn setzt uns Dirt 4  in ein Fahrzeug, um unsere fahrerische Qualitäten zu testen. Denn wie kaum ein anderes Rennspiel lässt sich der Simulationsfaktor sehr individuell auf die eigenen Fähigkeiten einstellen. Profis deaktivieren sämtliche Fahrhilfen und stellen jede noch so kleine Schraube auf ihre persönlichen Bedürfnisse ein. Von der Länge der Gänge bis zur Bodenfreiheit und Bremsstärke. Anfänger dagegen können sämtliche Fahrhilfen und sogar eine Bremshilfe aktivieren. Stark verbessert wurde auch die bereits im Vorgänger enthaltene Fahrschule Dirt-Akademie. Entweder beim freien Fahren oder bei 27 Lektionen lernen wir unter anderem, wie die Handbremse sinnvoll eingesetzt wird. Hier können andere Entwickler sich eine große Scheibe von Codemasters abschneiden: vorbildlich! Dirt 4 ist wohl das perfekte Spiel, um Neulinge an die Faszination Rennspiel heranzuführen.

Enthusiasten können jedes Detail am eigenen Auto einstellen

Sowohl für Einsteiger, als auch erfahrene Spieler ein Genuss: die Steuerung. Kaum ein anders Rennspiel lässt sich so exakt auf den Millimeter genau steuern. Ob Controller, Tastatur oder Force Feedback-Lenkrad, die Steuerung lässt einen nie im Stich und das Auto reagiert augenblicklich und extrem präzise auf jede Eingabe. Mit einem Force Feedback-Lenkrad verschwimmt dann der Unterschied zum eigenen PKW endgültig, ein Genuss und unserer Meinung die neue Referenz im Rennspielgenre!

Es zaubert einem einfach ein Lächeln ins Gesicht- wenn man in engen walisischen Wäldern seinen 200 Ps starken Ford Fiesta am absoluten Limit, jedoch stets kontrolliert um eine enge Kurve bewegt und maximal ein Blatt Papier zwischen Scheinwerfer und Abgrund passt. Die Autos unterscheiden sich hierbei realistisch. Während unserer allradbetriebener Subaru auf der Straße klebt wie Kaugummi unterm Tisch, bricht der hinterradbetriebene Lancia Delta aus den 90ern schnell aus – ideal, um mit angezogener Handbremse einen trifft in der Haarnadel hinzulegen. Es ist also Pflicht, sich auf jedes Auto ideal einzustellen um den ersten Platz zu erreichen. Apropos erster Platz. Wir empfehlen auch Anfängern, sofort auf einem der beiden höchsten Schwierigkeitsgrade einzusteigen. Auf den niedrigeren sind die Gegner speziell in den gewöhnlichen Rally Rennen keine wahren Gegner und fahren gefühlt nur mit dem zweiten Gang über den Asphalt. Eine Herausforderungen stellen die KI-Kontrahenten primär Abseits der klassischen Rally-Etappen in den anderen Spielmodi dar. Hier fahren sie aggressiv, leisten sich aber immer wieder mal realistische Fehler, sodass ein spannendes Rennen aufkommt, das nicht zu selten in der letzten Kurve entschieden wird.

Nichts ist schöner als mit Handbremse durch die Kurve

Ebenfalls nur oberflächlich ist das Schadensmodell. Wir können zwar unser Auto in viele Einzelteile zerlegen und diese dann zwischen den Events wieder reparieren. Am Fahrverhalten ändern diese aber kaum etwas. Auch mit nur mehr drei Reifen ist unser Ford Fiesta genauso exakt manövrierfähig wie mit vier Gummis.

Trotz dieser erheblichen Schäden fährt der Lancia perfekt weiter

 

Williams rockt die Rallye-Welt

Die Atmosphäre während der Rennen ist in Dirt 4 großartig. Wie im echten Rallysport sagt unser Beifahrer exakt jede Kurve an oder warnt uns vor Gefahren auf der Strecke. Wie brauchbar diese Informationen sind, hängt stark davon ab, wie viel durch Rennen verdientes Geld wir in unser Team stecken. Denn Codemasters lässt uns unser eigenes Team bauen. Neben Lackierung oder Namen stellen wir nämlich auch unsere Crew frei zusammen. Bessere Mitarbeiter leisten in der Theorie bessere Arbeit, während ein Ausbau unserer Anlagen zum Beispiel mehr Garagenplätze ermöglicht. Sponsoren wiederum setzten uns für jeden Event einfach zu erreichende Ziele, die es zu erfüllen gilt, um an ihr Geld zu kommen. Einen spürbaren Unterschied machen bessere Mitarbeiter am Ende des Tages aber nicht wirklich und verlieren so an Relevanz. Zumindest uns ist kein Unterschied zwischen einem mit A und einem mit E bewerteten Beifahrer aufgefallen. Trotz dieser Oberflächlichkeit motiviert das Verbessern des eigenen Rennstalls in der Kampagne ungemein. Gepaart mit dem Levelsystem hat Dirt 4 eine der motivierendsten Rennspiel-Kampagnen der letzten Jahre. Das Spiel erbt aber auch eine Schwachstelle der Vorgänger: bis auf kurze Siegerehrungen fällt die Präsentation außerhalb der eigentlichen Rennen langweilig aus und kann nicht mit der Formel 1 Konkurrenz aus eigenem Haus mithalten.

Das eigene Team ist ein zentrales Element der Karriere

 

Britische Strecken sind noch immer grausam

Alte Rallye-Hasen wissen, wovon ich rede: britische Pisten waren schon immer furchtbar. Matschiger Boden, tiefliegender Nebel, gemischt mit Regen. Auch im neuesten Spross der Dirt Serie bleibt England wieder eine der herausfordernsten Stationen. Generell kann man in dieser Hinsicht Codemasters nur Lob aussprechen. Klar sind die Szenarien mit gerade mal fünf verschiedenen Ländern überschaubar, jedoch bringen Kurssetzung, Streckenverhältnisse und Wetterbedingungen große Abwechslung in die Rennen. Von engen spanischen Asphaltstraßen bei strahlendem Sonnenschein, in denen das Schneiden der Kurve schon einmal in einem Felsen enden kann, bis hin zu schneebedeckten schwedischen Wäldern, in denen das Sliden um die Kurve zur Pflicht wird. Das Wetter ändert sich selbst während einer Prüfung dynamisch. So kann aus leichter Bewölkung schnell strömender Regen werden. Jeder Untergrund fühlt sich unterschiedlich an und verlangt ein angepasstes Fahrverhalten.

Bei der Grafik schwächelt Dirt 4 stellenweise. Während die Wagenmodelle sehr detailliert und traumhaft schön sind, ist die Landschaft bei genauerem Hinsehen wenig detailliert und die Texturen matschig.

Ob enge spanische Bergstraßen oder …

 

.. schwedische Eisstraßen bei Schneefall, beides sehr spaßig

 

Kürzungen bei den Modi

Wo Codemasters mit den variantenreichen Strecken punktet, patzt man bei den Modi und Fahrzeugklassen. Lässt man nämlich einmal die klassischen Rallye-Etappen außen vor, bleibt nur mehr Landrush und Rallyecross übrig. Selbst der mittlerweile sechs Jahre alter Vorgänger Dirt 3 hatte hier mit Gymkhana, Head-to-Head und Trailblazer mehr zu bieten. Es ist unerklärlich, wieso Codemaster hier dermaßen radikal den Sparstift angesetzt hat, immerhin war genau das immer eine Stärke der Reihe.

Landrush macht gewaltig Laune

 

Gelungen oder nicht ? – Fazit

Pro:

  • Extrem exakte Steuerung
  • Mit Tastatur, Gamepad oder Lenkrad gleichermaßen kontrollierbar
  • Motivierende Karriere
  • Abwechslungsreiche Strecken
  • Dynamische Wettereffekte
  • Spannende Rennen
  • Einsteigerfreundlich, aber
  • auch für Profis fordernd
  • Viele Einstellungsmöglichkeiten am Fahrzeug

Contra:

  • Kleine Modiauswahl
  • Schadensmodell nur optisch
  • Mitarbeiter machen wenig Unterschied
  • Schwache Präsentation

 

Dirt 4 ist ein großartiges Rennspiel geworden. Die Steuerung ist einer der exaktesten und besten ihres Genres. Gleichermaßen werden Einsteiger und Profis zufrieden gestellt und können durch die umfangreichen Einstellungsmöglichkeiten das Spielerlebnis an ihre Vorlieben anpassen. Die Strecken sind abwechslungsreich und fordernd, trotz weniger Regionen. Der Karrieremodus ist durch das eigene Team und Levelsystem motivierend. Gleichzeitig ist es aber enttäuschend, dass Codemasters die in den Vorgängern vorhandene große Auswahl bei den Spielmodi ohne ersichtlichen Grund stark gekürzt hat. Dirt 4 ist ein Pflichtkauf für sowohl Rennspielveteranen als auch für Spieler, die in dieses Genre ein erstes Mal eintauchen möchten.

Wertung der Redaktion: 88 %

Musikliebhaber, Festivalreisender, Konzertsüchtig, Vinylnerd, Photograph, Konzertveranstalter, Linz-Liebhaber