Acoustic Lakeside: why don’t we just love each other?

Acoustic Lakeside? Wie sollte man das jemandem erklären, der das perfekteste Festival des Landes für Musikgenießer noch nicht kennt? Nunja: stellt euch einen Badesee vor. Mit Bierbar daneben. Und eine Bühne, direkt am See. Und danach noch eine zweite, kleinere Bühne, mit Lagerfeuer. Und ein Partyzelt (mit Bierbar!). Und Musiker, die ihre Werke oft anders interpretieren, als man es von ihnen gewohnt ist. Denen man näher ist, als man es in kleinen Konzerthallen teilweise ist, ja, mit denen man den oben erwähnten Badesee teilt. Klingt paradiesisch? War es auch heuer wieder. Die netten Leute vom Acoustic Lakeside Festival im Kärntner Sittersdorf sorgten auch heuer wieder für das Highlight des österreichischen Festivalsommers. 

Donnerstag

Einen überraschenden, aber dafür umso schöneren Auftakt des Festivals lieferte mit KAIKO wohl eine der spannendsten Bands des Landes ab. Deren Gig in Oberösterreich war ausgefallen, und so nahmen sie kurzerhand den Weg nach Sittersdorf in Südkärnten auf sich. Und es hat sich gelohnt: selten wurde ein Festival am Sonnegger See schöner eingeleitet als mit KAIKO, die den „Strand“ des Festivals bespielten. Und, wie eigentlich immer, das Publikum in ihren Bann zogen. Eine der wohl unterschätztesten Bands, die auch akustisch überzeugen kann (und fuck, war die letzte Nummer schön!).

Danach stand ein rein österreichisches Lineup auf der Festivalbühne, das quasi alle leiwanden Festln des Landes bespielt. Zum einen wären da mal The Crispies. „Death Row Kids“ heißt die Platte, mit der sie sich einen Namen gemacht haben. Zumindest hierzulande. Ideal zum Auftakt einer Party, die das Stichwort „legendär“ sicher verdient hatte. Man darf gespannt sein, wohin die Reise der Wiener Crew geht: werden sie noch härter? Oder doch etwas mehr laid back? Wir würden uns Zweiteres wünschen, sehen aber der Zukunft der Crispies sehr gespannt entgegen.

„Sag mir warum bist du so schlecht drauf?“ – das ist wohl die Line des österreichischen Hip-Hop-Sommers. Dafür verantwörtlich: Scheibsta. Der Salzburger Rapper und seine Buben rissen das Zelt am Acoustic Lakeside Festival zum ersten Mal so richtig ab. Da wurde dann auch das eine oder andere Bier ausgeschüttet – schade drum, aber für Nachschub war ja stets gesorgt. Eine energiegeladene, gewohnt souverände Liveshow, die keine Wünsche offen ließ und Scheibsta und seine Buben zurecht in die Liga der besten Liveacts des Landes katapultiert.

Auch außerhalb des Landes einen Namen gemacht hatten sich im vergangenen Jahr Leyya. Das mittlerweile zum Quartett gewachsene Live-Set mit oberösterreichischen Wurzeln ist so steil durch die Decke gegangen, wie man es insgeheim wohl gehofft, aber keinesfalls erwartet hätte. „Superego“, „Zoo“, „Butter“ – Nummern einer Platte, die nicht nur national für Furore sorgte. Live mittlerweile zu einem echten Brett vervollkommt worden. Wer da nicht tanzt, ist selber schuld!

Apropos Tanzen: dafür sorgten dann auch die Veranstalter, die VOGAL DJs. Erm, ja, recht viel können wir dazu nicht mehr berichten. Der Schädel brummte am nächsten Tag aber gewaltigst!

 

Freitag

Wer sich am Freitag bereits zur Mittagsstunde in die schwüle Hitze des Vor-ein-paar-Stunden-noch-Partyzelts begab wurde mit etwas Unterhaltung, wie man sie auch nicht auf jedem Festival sieht, belohnt. Da wurde nämlich die Kultshow „Herzblatt“ inszeniert. Natürlich mit dem vollen Programm: Ein charmanter Moderator (der arme Kerl muss sich im Anzug todgeschwitzt haben), eine weibliche und eine männliche Teilnehmerrunde, ein paar schlüpfrige Fragen und Antworten („man sagt von mir, dass ich sehr gut in Französisch bin“ *hihi*), die Zusammenfassung von „Susi“ aus dem Off und natürlich eine Reise mit dem Herzblatt-Hubschrauber, die es für das frisch zusammengewürfelte Festivalpaar zu gewinnen gab. Eine Reise an den Sonnegger See um genau zu sein. Dem Publikum hat es jedenfalls gefallen. Den ersten Slot auf der Hauptbühne des heurigen Acoustic Lakeside Festivals durften Superior Street belegen. Superior Street sagen euch nix? Sollten sie aber! Stellte man sich beim Linecheck noch die Frage, wie Schlager-Nummern Platz am Acoustic Lakeside Festival finden könnten – selten hatte man eine schlechtere Auswahl gesehen an Liedern, zu denen man checken kann – wurde man dann während ihres Sets eines Besseren belehrt. Ein klein wenig erinnerten sie an Calexico, das Quintett aus Völkermarkt. Hier ist definitiv Potenzial vorhanden!

 

Auf der Jack Daniels Campfire Stage hatten danach Ursina die Ehre, den ersten Vortänzer zu geben. Die Schweizer Singer/Songwriterin gab auch gleich den Ton an, der uns im Vergleich zu den vergangenen Lakesides dann doch überraschte: es wurde bedeutend ruhiger. Macht ja nix – gefühlvolle Stimme hat die gute Dame auf alle Fälle, und eine sichtliche Freude zu spielen ebenso.

 

Nach den Superior Street durften Dawa den Versuch starten, das Publikum vom See wegzubegeben. Die Wiener sind mittlerweile eine fixe Größe der österreichischen Musiklandschaft und ein immer wieder gern gesehener Act auf Festivals hierzulande. Dementsprechend leichter fiel es der Truppe, den Bereich vor der Bühne zu füllen. Trotz der sehr hohen Temparaturen und doch recht frühen Uhrzeit fand sich eine gute Meute ein, die zu Hits wie „Open Up“ und „Roll the Dice“ fleißig das Tanzbein schwang. Dawa: solide, energiegeladen, gut wie immer, wir waren glücklich.

Weiter ging es dann wieder zur kleinen Bühne und zu den nächsten Wienern von Attic Giant. Eigentlich noch eine kleine Band, schaffte die Indie Gruppe es sehr schnell, sich einen Namen zu machen: aufgenommen bei Grand Hotel van Cleef Booking (Thees Uhlmann) und hohe Zugriffszahlen bei Spotify. Zurecht, würden wir nach ihrer ersten Live Performance am Acoustic Lakeside behaupten. Ruhiger. aber schöner Indie, den man am besten mit geschlossenen Augen genießt. Ideal um die Uhrzeit also, um sich vor die Bühne zu legen, den Kopf auszuschalten und einfach zu genießen. Nicht mehr und nicht weniger.

Danach zu einer DER Überraschungen des Festivals: Warhaus. Zugegeben, die Band war uns bis zu diesem Acoustic Lakeside kein Begriff. Erst, als man die Namen „Maarten Devoldere“ und „Balthazar“ verknüpfte, machte es „Klick“. hier wird dann schon mehr Gas gegeben – Zurückhaltung ist nicht unbedingt die Sache von Warhaus. Merkbar auch dadurch, dass die Tanzmeute vor der Bühne schon zu früher Zeit größer und größer wurde. Große Weiterempfehlung!

Einer der Artists, auf den man besser ein Auge werfen sollte, ist Ansa Sauermann. Der Dresdner Artist verkörpert deutsches Songwriting im Jahre 2017 nahezu perfekt. „Weiße Liebe“ heißt das Album, das in gut zwei Wochen erscheint. Der Name ist Programm. Mal melancholisch, mal poppiger betrachtet Ansa Sauermann verschiedenste Facetten des Lebens. Und tut das mit einer Stimme, die man durchaus als „gewaltig“ bezeichnen kann. Sollte man auch nur im Entferntesten etwas mit deutschem Songwriting anfangen können, ist Ansa Sauermann sicher einen Abstecher wert.

 

Mit ihrem neuen Album „Blank Spots“ im Köfferchen reiste die Band Catastrophe and Cure aus Wien zum Acoustic Lakeside an. Neben der neuen Platte tummelten sich auch Lieder fein akustisch neu herausgeputzt für das wunderschöne Festival. Schon Wochen vor dem Festival haben sich die Jungs in den Proberaum eingesperrt und die Songs neu arrangiert. Vier Jahre dauerte es für Catastrophe and Cure, wieder  aufs Acoustic Lakeside zu kommen. Viel zu lange, wie wir finden. Songs wie „Like Crazy Doves“ oder „Shipwreck“ gehören nicht nur zu jedem Set der Band, sondern passen einfach perfekt zum Festival. Musikalisch waren die Jungs wie immer ausgezeichnet.

 

Für die optisch opulenteste Erscheinung an diesem Abend sorgte allerdings L.A. Salami. Der Londoner Artist ist wohl DER Artist, den man booken sollte, wenn man ein Lagerfeuer veranstaltet und den passenden Act dazu sucht. L.A. Salami ist nämlich ein exzellenter Songschreiber, der das Abendrot am Acoustic Lakeside auf der Campfire Stage ideal untermalte. Charismatisch ist der Bursche obendrein, und ein durchaus angenehmer Zeitgenosse, wie wir erfahren durften. Kurzum: ein Artist, in den sich Musiknerds schnell verlieben können!

Die Höchste Eisenbahn – eine Band, die wahrscheinlich schon zu oft mit Zugmethaphern beschrieben wurde. Wörter wie „gemütlich wie ein Regionalexpress“ oder „sie nehmen einen auf eine besondere Reise mit“ sind einfach aufgelegt, beschreiben den Auftritt am Lakeside aber trotzdem außergewöhnlich gut. Mit sanfter Pop-Musik wurde mit Songs wie „Isi“ oder „Timmy“ auf den Co-Headliner Naked Lunch vorbereitet. Die beiden Stimmen von Francseco Wilking und Moritz Krämer ergänzen sich perfekt, die beiden sind nun schon seit 2011 fix zusammengespannt und bezaubern seit sechs Jahren das popaffine Publikum quer durch den deutschsprachigen Raum.

 

Die unbekannten, kleinen Singer Songwriter sind oftmals die eigentlichen Highlights eines Festivals. Das traf eindeutig beim Isländer Svavar Knútur zu. Selten zuvor habe ich so einen sympathischen Musiker auf einer Bühne stehen gesehen. Textlich war das zwar keine riesige Abwechslung und kein literarischer Erguss, aber vollkommen egal, er erzeugte Stimmung rund um diese großartige und sehr kräftige Stimme. Das Ganze gepaart mit dieser Warmherzigkeit und diesem Humor reicht vollkommen aus, um glücklich zu sein. Er ging auf das Publikum und auf die Location ein, brachte keine Standardwitze, die auf jedem Festival gebracht werden, sondern ganz individuelle Geschichten. Zuletzt ganz großen Pluspunkt für diesen Abgang: eine Zugabe wurde selten schöner und liebenswerter angekündigt. Es beweist sich wieder: Künstler aus Island sind meistens gute bis sehr gute Musiker.

„The Sun“ ist wohl der bekannteste und zugleich epischste Song der Klagenfurter Band Naked Lunch. Und bei so einem Heimspiel in eigenen Bundesland ist wohl auch für weit herumgekommene immer was Besonderes – zumindest fühlte es sich in den Publikumsreihen so an. Egal, ob man gemütlich am Seeufer lauschte oder an der Front wild abshakte. Eine gute Mischung aus Songs zum Knutschen und eben zum Tanzen machte die besondere Setlist aus. Bei einer Band, die schon über 25 Jahre im Business ist kann, kann man live nichts bekriteln. Deswegen umso schöner, Naked Lunch in so einem bezaubernden Setting zu erleben. Dass die Herren Welter und Co schon Indie-Rock machten, der auch heute noch passt, als viele der Besucher noch nicht mal geplant waren, sei hier wieder nur am Rande erwähnt.

 

Bevor es am Freitag zum eigentlichen Headliner, bzw. bevor es im Partyzelt mit den Weekender-DJs ans Partymachen ging, war noch ein sehr gut bekannter Gast auf der „Side Stage“ zu begrüßen. Singer/Songwriter William McCarthy, oder auch bekannt als Sänger von der Band Augustines. Eine Band, die uns vom ersten Mal Hören an verzauberte und wo wir aufrichtig traurig waren, als sie ihre allerletzte Tour ankündigten – und mit der Tour das Aus der Band. William McCarthy tourt nun alleine, und auch wenn es nicht dasselbe ist, ist es dennoch ein wunderschönes musikalisches Trostpflaster, seine Stimme wieder live zu hören. Die Lieder einzigartig, kraftvoll und eben unbeschreiblich geben einen Einblick in viele erlebte Momente. Und so ein Konzert, wie er es am Freitag bot, gehört zu den Gründen, warum wir uns seit Jahren in das Festival verlieben. Das Publikum verwandelte sich ab dem ersten Song in einen wunderschönen Chor, gemeinsam wurde mit William McCarthy geklatscht, gesungen und gesummt. So versammelte sich das gefühlt gesamte Festivalpublikum rund ums Lagerfeuer und genoss in vollen Zügen das außergewöhnliche Konzert.

 

Den Freitagsheadliner markierte der schwedische Barde José Gonzalez. Ein zum niederknien schönes Set, quasi als Ruhepol und Kontrast zu dem, was danach noch so passieren sollte. In die Idylle des Sonnegger Sees passt die Musik des Wuschelkopfes mit der sanften Stimme natürlich auch wunderbar. Ein andächtiger Ausklang des Tages war also gewährleistet. Und ja, auch „Heartbeats“ hat der gute Herr zum Besten gegeben. Musik, in der man versinken möchte.

 

Weniger andächtig war dafür was danach im Zelt bei der Afterparty mit den Weekender DJs abging. Da musste man schon befürchten, die Bühne würde jeden Moment den Geist aufgeben und unter der Last von gefühlt 100 tanzenden Menschen zusammenkrachen. Es wurde viel Bier verschüttet, es gab ein paar mutige Stagedives und es wurde mitgegrölt zu Indie-Hits der letzten 20 Jahre. Das hat das Redaktionsteam in dieser Form und dieser Ausdauer noch nicht auf vielen Festivals gesehen. Geil!

Samstag

Am Nachmittag am See chillen und nebenbei auch literarisch verwöhnt zu werden ist eine Spezialität des Festivals. Heuer hatten wir das Vergnügen, den Texten der Bachmannpreisträgerin Stefanie Sargnagel zu lauschen. Ob nun die Lesung selbst unterhaltsamer war, oder die teilweise doch sehr extremen Reaktionen, ist in der Redaktion noch nicht entschieden. Eins steht jedoch fest: die provokante Art, wie die rote Baskenmützenträgerin ihre Texte zum Thema Regelblutung und Co. vortrug, ging so manchen Leuten etwas zu sehr in den Intimbereich. Doch nicht nur die Menstruation waren Themen, es gab auch Auszüge aus ihren Facebookpostings über ihre berufliche Karriere im Call-Center bei der Auskunft, oder über ihre Versuche im Fitnesscenter.

Bereits traditionell veranstaltet das Acoustic Lakeside im Sittersdorfer Wespen-Stadion schon das Fußballturnier, die FM4 Sandkiste. Bekannte Gesichter, ein paar Artists, die der runden Filzkugel nachjagen, tropische Temperaturen im Zelt. Ja, auch heuer hat das schon Spaß gemacht. Aber, aber: wo war das Veranstalterteam? Wo war das Nudistencamp? Nicht nur deswegen würde etwas Abwechslung dem Turnier guttun – zu „alltäglich“ auf dem Festival ist es geworden. Aber eigentlich ist es ja die Musik, die Festivalfreunde auf Reisen treibt. Und um die ging es auch am Samstag: da eröffneten Yalta Club den Konzertreigen.

Yalta Club ist einer der aufsteigenden Bands und eröffneten zumindest musikalisch den zweiten Festivaltag. Die Band verbindet eine wunderbare Geschichte: Sängerin Coco traf zufällig während ihres dreimonatigen Aufenthaltes die Jungs, die in dem Moment am Weg zum Proben sind – aus den drei Monaten wurden sechs Jahre und Coco wurde zum Bandmitglied. Yalta Club sprüht auf der Bühne förmlich vor Energie. Schick angezogen performen sie ihre nicht ganz so akustischen Songs. Extra für das Acoustic Lakeside wurde dann aber ein Song so akustisch wie möglich performt. In ihren Texten verarbeiten sie aktuelle teilweise politische Ereignisse, die sie in positive Messages umwandeln. Das Lied „Love“ zum Beispiel ist ihre Antwort auf die Anschläge in Paris. Dieses eine Lied wurde dann auch für alle Festivalbesucher zu etwas ganz Besonderem. Als Zugabe wurde der Song ein weiteres Mal direkt am See komplett unverstärkt präsentiert – Gänsehauteffekt inklusive.

 

Die Berliner Künstlerin Phela eröffnete am finalen Festivaltag die Campfire-Stage. Und hatte vor allem mit einem zu kämpfen: dem phänomenalen Auftritt von Yalta Club, deren Zugabe im Publikum den Applaus bis zu dieser Stage hinüberschwappen ließ. Die Deutsche nahm es mit Humor: Ruhig, verträumt, passend zu einem relaxenden Tag am See. Kann man gerne mal so machen.

Einen schweren Stand hatte dann Boy Omega. Der schwedische Artist hatte mit den hohen Temperaturen zu kämpfen, die den See wohl genauso attraktiv machten, wie es ein Beatles-Reunion-Konzert wäre: unglaublich attraktiv. Dementsprechend fand sich leider nur eine kleine Menge an leidenschaftlichen Musikfans zu dieser frühen Stunde vor der Bühne ein. Schade – denn Boy Omega ist es wert, gehört zu werden. Auch wenn etwas die Abwechslung fehlte, war die Stimme durchaus markant. Gerne wieder in kleinerem, kühlerem, intimerem Rahmen!

 

Good Harvest, zwei Frauen aus Schweden, verzauberten am sonnigen Nachmittag aus der „Side Stage“. Sanfte Gitarrentöne treffen auf zwei klare aufeinander abgestimmte Stimmen. Hanna Enlöf und Ylva Eriksson sind die beiden Protagonisten hinter der Band, die sich am Samstag perfekt in Szene setzen konnte. So wurde man gemütlich auf das Tagesprogram vorbereitet. Und Funfact: die beiden haben auch schon vor dem Schwedischen König gespielt – da kommt man sich doch auch ein bisschen royal vor.

 

Fil Bo Riva, geboren in Rom, aufgewachsen in Dublin und mittlerweile in Berlin beheimatet, ist nicht nur die Lässigkeit in Person. Mit seiner an AnnenMayKantereit erinnernden Reibeisenstimme bietet er Singer/Songwriter-Pop mit Anleihen aus Folk und Soul und hat sich spätestens mit seiner im letzten Jahr erschienenen EP „If You’re Right, It’s Alright“ einen Namen gemacht. Bühnenunterstützung hatte er am Acoustic Lakeside nur an E-Gitarre und Drums an seiner Seite. Ansonsten wirkten die Songs in ihren Arrangements sparsamer und richteten den Fokus noch mehr auf seine Stimme, was absolut nicht verkehrt war. Songs wie „Like Eye Did“ und „Franzis“ entwickelten in ihrer dieses Mal reduziert dargebotenen Form nochmal eine ganz andere Dynamik und Strahlkraft. Extra-Pluspunkte gab es für das Johnny Cash Cover „Folsom Prison Blues“.

 

Die Herren Duscher & Gratzer machten es sich danach zwar nicht unter Palmen, aber dafür unter dem Dach der Jack Daniel’s Campfire Bühne gemütlich und waren sichtlich bis in die Haarspitzen motiviert. Die beiden FM4-Moderatoren packen das Publikum nicht nur gerne beim Schmäh, sondern analysieren ihre Hörerschaft auch gerne durch immerwährende Frage-Antwort-Spielchen, wie sie uns später auch im Interview erzählten. Vom Begriff „acoustic“ halten die beiden übrigens auch nicht viel. Hier gilt eher das Motto „Turn the amps up to eleven!“ Obwohl die Bühne direkt am See eher zum Sitzen einlädt, entstand mit Fortdauer eine ausgelassene Stimmung, die spätestens beim wohl größten Hit der beiden – „Nadine“ – die ersten Tanzbären in die erste Reihe lockte. Nach mehrmaligem lieb „Bitte“ sagen erlaubte der gute Tontechniker dann sogar noch eine Zugabe, obwohl auf der Hauptbühne ja schon The Boys You Know spielten. Man merke: Immer schön nett zum Tontechniker sein!

 

The Boys you know – wie Duscher und Gratzer schon bei ihren Auftritt verraten haben, standen sie zu tausend, oder aber mindestens zu zwölft auf der Bühne. Als nicht ganz so, wie man die Jungs normal kennt. Sänger/Katzenliebhaber/Facebookblogger Thomas Hangweyrer kündigte schon Wochen vor dem Konzert ein Spektakel der Sonderklasse an. Und behielt damit recht: jeder der 12 Personen beherrschte sein Instrument perfekt und gemeinsam harmonierten sie auch perfekt – sogar der Typ mit dem Shake-Ei im hinteren Bereich. Ein „Hit“ nach dem anderen wie etwa „ Teenager of the Year“ oder „All the other kids“ wurden stilsicher performt und die Band ließ keine Wünsche mehr übrig. Selbst Sängerin Barbara Wiesinger von Dawa wurde eingeladen ein Lied gemeinsam zu singen. Auch wenn man am Anfang mit den vielen Menschen kurz überfordert war, war das Konzert wunderschön.

 

Albert Af Ekenstam läutete den Abend auf der Campfire-Stage ein. Der Schwede bringt mit ruhigen, wohl arrangierten Nummern das Publikum zum Träumen. Wie L.A. Salami am Vortag: ideal um diese Uhrzeit. Wenn die Sonne untergeht und man warmen Klängen lauschen darf, kann ein Artist schon fast nix mehr falsch machen. Auch Herr Ekenstam tat das nicht: solide Kunst, einige Ausreißer nach oben, aber dann dennoch nicht der große „WOW!-Effekt“ wie bei L.A. Salami am Tag zuvor.

Die nächsten international angehauchten Wahl-Berliner (nach Fil Bo Riva) muss man wohl nicht mehr so groß vorstellen. Mighty Oaks sind mittlerweile zu einer Fixgröße im Indiezirkus gereift. Vor ihrer gnadenlosen Ohrwurm-Single „Be With You Always“ und dem zugehörigen Album „Dreamers“ gibt es derzeit sowieso fast kein Entkommen. Auch die erste Platte „Howl“ erreichte in Deutschland schon die Top 10. Live boten die Drei zwar standardmäßiges Programm, aber wer will sich schon darüber beklagen, wenn das Ergebnis so gut klingt. Den ansteckenden Folk-Pop Hymen von Mighty Oaks kann man sich nur schwer entziehen. Ein Highlight des Nachmittags!

 

Ein Geheimtipp war die Band Cari Cari vielleicht noch vor einigen Wochen. Der große Zustrom am Acoustic Lakeside bewies, dass die Band zumindest bei so manchen Musikliebhabern ein Plätzchen im Herzen erspielt hat. Außerhalb von Österreich in der USA oder aber auch in Australien hat die Band schon einige mehr Fans – typisch für Österreich, erst als letztes zu merken, welche heimischen Talente vorhanden sind. Eine Band mit einem klaren Ziel: ihre Musik für einen Quentin Tarantino Film herzugeben. Dass sie das Talent für die Arbeit im Filmmusikbusiness haben, haben sie schon mit ihrer Mitarbeit beim Soundtrack für die Netflixserie „Shameless“ bewiesen. Musikalisch haben sie ihre Songs perfekt auf den Filmemacher abgestimmt. Alleine die Tatsache, dass sich der werte Herr Tarantino bald zur Ruhe setzen möchte, könnte ihren Traum platzen lassen. Sollte es jedoch mit dem Tarantin-Film jedoch nicht klappen, können sie auch so die Menschen glücklich machen, in dem sie weiter so schöne Shows bieten wie am Acoustic Lakeside.

 

Mittlerweile hatte sich sich die nächtliche Dunkelheit (yay, Abkühlung!) über den Sonnegger See gelegt. Wir befanden uns also mitten im Hauptabendprogramm. Auf der Bühne: ein gewisser Mister Jake Bugg. Das ehemalige musikalische Wunderkind mit dem Faible für Rockmusik der 60er und 70er Jahre ist mittlerweile 23 Jahre alt und kann bereits auf drei Studioalben zurückblicken. Wie die Zeit doch verfliegt! Auch er bot ein unverändertes Set mit voller Backingband und spulte ein routiniertes Programm ab. Solide und trocken runtergespielt, aber so richtig wollte der Funke dann nicht überspringen. Da wäre mehr drinnen gewesen, schade drum!

 

Als überraschendes und an diesem Tag fast alles überstrahlendes Highlights entpuppte sich dann Dan Owen am Campfire. Was für eine gewaltige Stimme! Der junge Brite vereint Blues, Folk und Pop, hat bisher einige Singles und EPs veröffentlicht und arbeitet an seinem Albumdebüt. Etwas, worauf man sich heuer definitiv noch freuen kann. Den Hang zu teils etwas kitschigen Texten verzeiht man ihm spätestens, wenn man gesehen hat, wie er bei der Zugabe wild stampfend und Gitarre und Mundharmonika ans Äußerste bringend zum grande finale ansetzt.

 

Dagegen sollte der Hauptact des Abends wieder deutlich zurückhaltender ausfallen. Ben Gibbard, seines Zeichens Frontmann der Indie-Heroes Death Cab For Cutie und The Postal Service, stand da alleine auf der Bühne und versetzte so manchen Festivalbesucher zurück in seine frühen Teenager-Jahre. Tatsächlich bestand die Setlist, wohl nicht nur zu meiner Überraschung, fast ausschließlich aus Songs seiner Hauptband. Ob neuere Stücke wie „Black Sun“, oder Klassiker wie „The Sound Of Settling“ und natürlich „I Will Follow You Into The Dark“ – dem Fan-Herz wurde einiges geboten. Ein würdiger Abschluss eines wunderbaren Festivals, auch wenn es kein ganz großes Ausrufezeichen mehr werden sollte.

 

Danach hieß es natürlich wieder – ja richtig – Afterparty mit den Weekender DJs. Was soll man an dieser Stelle noch über dieses Spektakel sagen? Es war eine Kopie des Vorabends, die uns die letzten Kräfte (und auch ein paar Erinnerungen) raubte und vermutlich noch tagelang Auswirkungen auf unsere Körper haben wird.

Liebes Acoustic Lakeside, dass wir uns in dich verliebt haben, ist kein Geheimnis mehr. Dass das auch heuer so war, dürfte ob unserer Lobeshymnen auch so rüberkommen. Hoffen wir zumindest. Danke für drei Tage Sonne, Spaß, Musik, Bier, neue/alte Bekanntschaften und das Gefühl, an einem Festival mit größtem WIR-Gefühl zu sein. Da verzeihen wir dir auch, dass es ein bisschen weniger „magische“ musikalische Momente gab als in den letzten Jahren mit Dry The River, Steaming Satellites, den Augustines und vielen mehr. Ein Festival, wo wir es mit Yalta Club halten: why don’t we just love each other? Wir sehen uns 2018!

Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.