We Invented Paris: „Was heute Indie ist, ist morgen Pop“

Die Baseler Indie-Kapelle We Invented Paris gehört zu den wohl spannendsten Indie-Acts, die die Schweizer Musiklandschaft zu bieten hat. Lange Zeit war es ruhig um sie geworden, bis mit „Catastrophe“ ihr neues Album erschienen ist. Dabei geben sich We Invented Paris pop-lastiger, was aber in diesem Zusammenhang nichts Schlechtes bedeuten muss. Im vergangenen August erschienen, gehen We Invented Paris mit dem Album natürlich auch wieder auf ausgedehnte Europa-Tour, und wir haben Mastermind Flavian vorab zum Interview gebeten. 

subtext.at: Eine Frage, die ihr bitte gleich zu Beginn hinter euch bringen möchtet?
Flavian: Ja wir haben Paris wirklich erfunden, wissen viele nicht, ist aber so!

subtext.at: 2014 schrieben wir über ein Live-Konzert von euch im Musikclub Lembach in Österreich Folgendes: “ Eine Reise, die von intimen Plätzen und Momenten bis hin zu musikalischen Ekstasen und poppig rockigen Feuerwerken führte“ – würdet ihr das auch als Quintessenz eurer Musik sehen?
Flavian: Schön gesagt! Wir mögen die Abwechslung und wenn man an einem Konzert nicht nach 3 Songs eigentlich alles gehört hat, sondern noch weiter auf eine Reise genommen wird.

subtext.at: Das erste Mal persönlich gesehen habe ich euch vor einigen Jahren am Acoustic Lakeside Festival. Es wird ja oftmals behauptet, dass Akustik-Konzerte „zerbrechlicher“ seien als verstärkte: seht ihr das auch so?
Flavian: Ha! Das war ein sehr spezielles Konzert an dem ich mir bei einem Sturz eine bleibende Narbe geholt habe. Zerbrochen ist zum Glück nichts. Akustik-Konzerte können enorm viel Energie entwickeln.

subtext.at: Habt ihr auch oftmals das Gefühl, dass gerade von Bands in eurem Genre quasi erwartet wird, auch akustisch zu spielen? Warum ist das so?
Flavian: Die Entwicklung kam glaube ich ich mit Balcony TV etc. aber klar es macht ja auch Sinn Songs voll reduziert zu spielen. Ein starker Song kommt auch alleine an der Gitarre rüber.

subtext.at: „Catastrophe“ heißt eure neueste Platte – gerade Musiker sind oft deren eigene größte Kritiker. Gibt es etwas auf dem Album, das ihr im Nachhinein schon so kurz nach dem Release anders machen würdet?
Flavian: Klar, es gibt immer sehr viele Dinge die man nach einem Albumprozess anders machen würde. Aber es fühtl sich momentan ehrlich gesagt so gut und richtig an wie noch nie zuvor.

subtext.at: Nach dem Vorgänger, „Rocket Spaceship Thing“, wurde es ruhiger um We Invented Paris. Was war das Ausschlaggebendste für diese Pause?
Flavian: Wir waren fast 5 Jahre non-stop auf tour oder im studio am arbeiten, da brauchte ich einfach mal Luft um keine nächste unmittelbare Deadline anstehen zu haben und Zeit zu haben etwas neues zu entdecken und entwickeln.

subtext.at: Auf „Catastrophe“ sind sehr poplastige Elemente zu hören. Was persönlich ist für euch „Pop“ – bezieht ihr das rein auf das „Populäre“ oder sind da andere Faktoren ausschlaggebend?
Flavian: Pop ist genau so wie Indie ein sehr vielseitig eingesetzter Begriff. Was heute Indie ist, ist morgen Pop, ist übermorgen wieder Indie. Für mich muss sich Musik, ein Song aufregend und echt anfühlen. Klar eine Keytar ist im Kontext der 80er Jahre enorm Pop, aber genau diese Herausforderung ein solches Pop-Instrument an der Grenze zwischen voll-peinlich und voll geil trotzdem mit voller Überzeugung zu spielen und sich eigen zu machen hat mich sehr gereizt.

subtext.at: Postapokalyptischer Elektro-Retro vom Feinsten“ titelten „Haubentaucher“ über euer neuestes Werk. Überspitzt formuliert: seid ihr nach dem Raketenstart also ein wenig in der Vergangenheit gelandet?
Flavian: Ich glaube wir landen unser Leben lang in der Vergangenheit. Sogar die Weltgeschichte wiederholt sich immer wieder. Ich bin zwar in den 80er Jahren geboren, habe sie aber musikalisch nicht wirklich miterlebt, deshalb war dies eher neues Land für mich.

subtext.at: Von Bands wird oftmals erwartet, sich mit neuen Werken auch „neu zu erfinden“ – würdet ihr sagen, dass ihr euch mit We Invented Paris und „Catastrophe“ neu erfunden habt?
Flavian: Wir haben uns definitiv aus unserer Komfort Zone raus bewegt. Für uns selbst fühlt es sich aber jeweils stringent und nachvollziehbar an, weil wir ja den gesamten Prozess erlebt haben. Wenn man dann mit etwas abstand das letzte Album mit dem jetzigen Album vergleicht klingt das doch sehr anders, aber trotzdem noch nach We Invented Paris.

subtext.at: Nennt mir bitte einen Grund, warum man sich „Catastrophe“ NICHT kaufen sollte!
Flavian: Wenn man Angst vor Veränderung hat und sich ungern auf neue Wege begibt wird «Catastrophe» sehr herausfordernd.

We Invented Paris – „Catastrophe“ ist am 25. AUgust erschienen. Live zu sehen ist das Schweizer Kollektiv hier:
07.10.2017 Köln, Luxor
11.10. München, Kranhalle
12.10. Erlangen, E-Werk
13.10. Hannover, Pavillon
14.10. Dresden, Groovestation
19.10. Berlin, Lido
20.10. Hamburg, Nochtspeicher
21.10. Oldenburg, Amadeus
3.11. Basel, Soca Plattentaufe
15.11. Zürich, Hafenkneipe
16.11. Bern, Roessli
17.11. Nyon, La Paranthese
15.12. Wil, Gare de Lion
14.3.18, Wien
15.3.2018, Graz, Orpheum

Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.