SBÄM Fest 2: Punk-Spektakel in Wels

Punk Rock Fans aus halb Europa pendelten am ersten Maiwochenende nach Wels. SBÄM Fest war angesagt. In seiner zweiten Auflage konnte das Festival von Grafikdesigner/Labelchef/Veranstalter Stefan Beham mit einem Line-Up aufwarten, dass eine riesen Dichte an Hochkarätern der Szene im Alten Schlachthof Wels versammelte. Wir haben uns das Spektakel vor Ort angeschaut.

Freitag

Die Warm-Up Party am Donnerstag mussten wir leider noch auslassen. Am Freitag um 13 Uhr begannen dann aber auch für uns pünktlich 2 Tage SBÄM Fest. Erste Band auf der Bühne waren die Grazer Missstand. Der Auftakt für ein prall gefülltes Programm im für die Mittagszeit bereits recht ordentlich besuchten Schlachthof Saal. Die Anwesenden bekamen rohen, ungeschliffenen Punk in deutscher Sprache zu hören. „I Can’t Relax In Hinterland“ heißt die aktuelle Platte, die wir euch an dieser Stelle wärmstens empfehlen können.
Als nächstes waren The Murderburgers aus Glasgow an der Reihe, die nicht nur mit schottischem Akzent und den Entertainmentqualitäten von Sänger „Fraser Murderburger“, sondern auch mit augenzwinkernden Songs über Arbeitslosigkeit, Rausch und psychische Probleme. Ein Fest für Fans von Bands à la Screeching Weasel oder den Lillingtons.

Die Wonk Unit vermochte es kurz darauf unsere Herzen in Windeseile zu erobern. Erstens weil sie ihre Fans liebevoll „Wonkers“ nennen. Zweitens weil sie sich auf keinem Auge ernst nehmen und stattdessen eine wahnwitzige Mischung aus Hardcore/Punk, Ska und Rocksteady auf die Bühne knallen, die durch die Grundschul Poesie in den Lyrics noch den letzten Schliff bekommt. Ein Auszug gefällig? „Horses from my window, Horses in their winter clothes, It’s really grey in the fields today, I’m glad i’m not a pony“. Nicht nur wir hatten verdammt viel Spaß dabei.

Ein wenig mehr in die Folk-Richtung durfte der geneigte Punk danach mit Joe McMahon abdriften. Gemeinsam mit seinen „Docineers“ bewegt er sich solide in den Fußstapfen von Dave House & Co – alleine dieses Prädikat dürfte klar machen, dass die Stimme zwischen „Reibeisen“ und „ich treffe trotzdem jeden Ton“ umherschwirrt.

In den letzten beiden Jahren haben es Astpai etwas ruhiger angehen lassen was die Anzahl ihrer Livekonzerte angeht. Der erfreuliche Grund: Ein neues Album steht in den Startlöchern. Es heißt „True Capacity“ und soll am 22. Juni erscheinen. Neben bewährten Knüllern wie „Honest Or Sentimental“ wurden am SBÄM Fest auch zwei neue Songs zum besten gegeben. Die Freude über den vollen Saal und viele Kumpelbands im Lineup schien den vier Weltenbummlern ins Gesicht geschrieben und das Energielevel rutschte selten unter die 110% Marke. Eines der stärksten Konzerte an Tag 1.

Die Stimmung sollte bei den nächsten Konzerten aber noch um einiges ausgelassener werden. Zum melodischen Pop Punk von The Bombpops bildeten sich die ersten Moshpits. Poli van Dam und Jen Razavi verstanden es hervorragend, das Publikum anzustacheln und Bewegung in den Saal zu bringen. Durfte natürlich nicht fehlen: „Be Sweet“ – Eine Huldigung an den verstorbenen Teenage Bottlerocket-Drummer und Freund der Band, Brandon Carlisle. Einer der rührendsten Momente des Abends.

Danach: ein Gig der Marke „Nau Servas“. No Trigger waren die wohl ersten, die den altehrwürdigen Schlachthof-Konzertsaal in seinen Grundfesten erschütterten. Nach dem Gig zu meinen Kollegen meinte ich noch humorvoll „eine Dog Eat Dog-Revival-Band“, aber das würde der Performance nicht genügen. Seit 2000 Knüppeln sich die sechs Männer aus Massachussets durch den Melodic Hardcore – die aktuelle EP „Adult Braces“ mit im Gepäck, einen ersten riesigen Moshpit, und eine Luftfeuchtigkeit wie in einem Aquarium nach dem Konzert! Thumbs up, sicher mit das eindrucksvollste Konzert des Festivals.

Nicht so ganz überzeugend danach: Iron Chic. Wobei – wohl auch nur für uns. Denn das Motto „Come with us if you want to live“ war danach Programm. Ob des Moshpits eigentlich ein Wunder, dass nach dem Konzert der New Yorker keine Casualties zu beklagen waren. Vielleicht nicht so brachial wie der Vorgänger und der danach kommende Abriss, aber durchaus für einen frühen Punk-Abend erfrischend.

Die Satanic Surfers haben im April mit „Back From Hell“ (welch passender Titel) den ersten Langspieler seit 13 Jahren veröffentlicht. Wie sich das zu solchen Anlässen gehört, haben die schwedischen Skate Punk Veteranen dazu auch eine handvoll an Liveterminen in Aussicht gestellt. Und wie könnte es anders sein? Das SBÄM Fest war einer der ersten Anlässe, um das neue Material live zu hören. Seit den 90er Jahren haben sich die „Surfers“ einen Kultstatus im europäischen Punk Untergrund erspielt. Dementsprechend frenetisch wurden die Fünf bei ihrem Auftritt ab der ersten Minute gefeiert. WAS. FÜR. EIN. ABRISS! Ausgelassener sollte die Stimmung erst am nächsten Tag noch einmal werden.

Viel Zeit zu verschnaufen blieb danach auch nicht. Kurz die Blase entleeren und das nächste Bier holen, dann standen mit Propagandhi schon die nächsten Legenden auf der Bühne. Auch hier gab es im letzten Jahr ein neues Album namens „Victory Lap“ auf die Mütze. Politisch und gesellschaftskritisch sind Chris Hannah damit vielleicht mehr denn je am Puls der Zeit. Bei ihrem Auftritt in Wels blieb der ganz große Wow-Effekt aber leider aus. Für „die hard“ Fans sicher ein großartiges Erlebnis. Für uns vielleicht auch angesichts der unrealistischen Erwartungen eher nur in der Kategorie „sehr solide“. Den abschließenden Late Night Act Karaoke Bash mussten wir dann leider wegen schwindender Kräfte und schwindender Zurechnungsfähigkeit auslassen.

Samstag

Nach so einem Programm am ersten Tag fiel das Aufstehen am darauffolgendem Morgen naturgemäß nicht leicht. Wir haben es trotzdem zustande gebracht pünktlich um 13:30 bei Never Been Famous zu erscheinen. Die sind hierzulande längst keine Unbekannten mehr, sind seit Anfang der 2000er Jahre unterwegs und noch immer nicht müde. Nur mit der Anzahl der Auftritte ist man etwas sparsamer geworden. Da müssen schon besondere Anlässe wie das Punk Rock Holiday im Vorjahr oder eben das SBÄM Fest in diesem Jahr herhalten. Das ihr melodischer Punk Rock immer noch Spaß macht, durften sie am frühen Nachmittag als erste Band unter Beweis stellen.

Wer über zwei Festivaltage gefühlt der Hälfte der Bands sein Drumset zur Verfügung stellt, hat wahrlich ein Sonderlob verdient. Shoutout an Stockkampf. Neben der noblen Kunst des Teilen zählen die Tiroler auch das Genre „Punk ‚N‘ Brass“ zu ihren Spezialitäten. Das würde zu einer späteren Stunde (mit mehr Bier intus) auf einem Open Air, wo man im Pit etwas Staub aufwirbeln kann zwar noch mehr Spaß machen, war aber auch auf dem SBÄM Fest aller Ehren wert.

Garantiert zu einer späteren Uhrzeit gespielt hätten wohl The Bennies, wenn sie an diesem Tag nicht noch einen zweiten Gig gehabt hätten. So gab es für Wels eine aberwitzige halbe Stunde „Psychedelic Reggae Ska Doom Metal Punk Rock From Hell“, ausgelassene Stimmung und spacige Leggings zu bestaunen. Genau zehn Minuten hätten sie Zeit um am Merch-Tisch herumzustehen und Bier zu trinken ehe sie weiterfahren müssten, verlautbarte die Band dem frenetische Publikum. Dementsprechend darf man sich den Andrang vorstellen. Für uns eine der Entdeckungen des Festivals!

Leider nicht so ganz anknüpfen konnten danach Templeton Pek. Die droschen in die Gitarren zwar hinein, waren naturgemäß wieder um einiges härter als die Vorgänger, konnten die Zuschauer allerdings nicht so überzeugen. Schade, aber immerhin konnte man die Zeit sinnvoll für einen Bier-Nachschub ausnutzen.

Einige Aushängeschilder aus dem Hause Fat Wreck Chords hatte man bis hierhin auf dem Festival ja schon zu sehen bekommen. Get Dead! gehören da wie auch The Bombpops zu den jüngeren Vertretern der Zunft, scheren sich aber ebenso keineswegs um Trends oder dergleichen. Sie verschreiben sich voll und ganz dem „California Sound“ mit ordentlich Leidenschaft, Schweiß und Bierdampf unter der Haube. Was das bedeutet, könnt ihr euch vorstellen – eine Sauna wär ein Scheiß dagegen gewesen.

„Fuaßboiplotz“, „Floschnpfand“, „Insel muss Insel bleiben“ – Turbobier zogen alle Register. Inklusive Wahlkampfparty der Bierpartei natürlich. Auf ihre ebenfalls recht beliebten Coversongs von Helene Fischer bis Adele verzichteten die trinkfesten Simmeringer diesmal allerdings. Ganz so frenetisch und textsicher wie bei ihren Solokonzerten war das Publikum dann zwar nicht. Einige neue Sympathien haben Turbobier am SBÄM Fest aber mit Sicherheit erobern können.

Schön voll war der Saal dann auch schon bei der schwedischen No-Fun-At-All-Aufwärmrunde mit Venerea. Aus Malmö kommen sie, Punk Rock machen sie. Kann man sich ja dann auch schon vorstellen, wie das klingt. Zweiter Tag an einem Festival, Abend, Bier – den Rest könnt ihr euch denken, oder zumindest am nächsten Tag riechen. Persönlich hätte man aber dann doch wohl eher mit „The Bennies“ an diesem Slot noch mehr Spaß gehabt – zugegeben, eine sehr, sehr, sehr hohe Latte.

Die Melodycore-Heroes No Fun At All haben sich seit 2001 einige Male aufgelöst und wieder zusammengetan, waren gelegentlich auf Tour und tauchten dann wieder für unbestimmte Zeit unter. In diesem Jahr ist aber tatsächlich ein neues Album namens „Grit“ von ihnen erschienen. Ähnlich wie am Vorabend bei den Surfers waren es auch am Samstag wieder die „alten Schweden“, die das sprichwörtliche Faß zum Überlaufen brachten. Die absperrungslose und securitylose Bühne wurde endlich so richtig für Stagedives missbraucht und davor wurde ausgiebig gefeiert. Ein weiteres großes Highlight für wohl fast alle Anwesenden.

Wenn für große Umbauten keine Zeit beibt hängt man statt dem handelsüblichen Backdrop eben einfach nur ein T-Shirt hinten auf die Bühne. Zumindest haben sich das die Donots gedacht. Und die hatten an diesem Abend auch noch so richtig viel Bock mitgebracht, die Hütte abzureißen. Mit großem Augenmerk auf den letzten beiden deutschsprachigen Alben „Karacho“ und „Lauter Als Bomben“ mit zielgerichtet eingestreuten Hits wie „Wake The Dogs“ und „Stop The Clocks“. Sänger Ingo, der gleich mehrmals persönlich den Circlepit ankurbelte und das Twisted Sister Cover „We’re Not Gonna Take It“ trugen ihr übriges zur ausgelassenen Stimmung bei. Ein mehr als würdiger Headliner für Tag 2. Danach gab es wieder Action bis spät in die Nacht mit The Photsans und (erneut) Karaoke Bash, der wir leider nicht mehr beiwohnen konnten – aber wir haben wilde Geschichten vernommen.

Fazit

Über diese Line-Up werden Punk Rock Fans in Österreich und halb Europa noch länger schwärmen. Wobei – warten wir lieber mal ab was für das SBÄM Fest #3 so daherkommen mag. Der Alte Schlachthof Wels hat sich als gute Locationwahl erwiesen, bot ausreichend Platz für Publikum und kulinarische Versorgung. Da sind wir auch schon bei einem der wenigen Kritikpunkte, der wohl von vielen BesucherInnen ähnlich zur Kenntnis genommen wurde: Die Essenspreise waren mit 11€ fürs vegane Curry und 6€ für Pommes dann doch etwas an der Zielgruppe vorbei kalkuliert. Den Imbiss auf der anderen Straßenseite dürfte das gefreut haben. Über die Organisation lässt sich ansonsten nicht meckern. Einen derart flüssigen Ablauf muss man bei dieser Anzahl Bands auf der Bühne auch erst einmal hinbekommen. Wir blicken zufrieden und verkatert auf das Erlebte zurück und freuen uns auf die nächste Auflage 2019. Diese findet übrigens von 01. bis 03. Mai gleichenorts statt. Early Bird Tickets gibt es auch bereits – hier. Wir sehen uns!

Fotos: Christoph Thorwartl / Andreas Wörister (Slihs Photography)

Schreibt Albumrezensionen, Konzertberichte und führt gerne Interviews - transkribieren tut er diese aber weniger gern. Immer wieder auch für Blödsinnigkeiten abseits seines Kerngebiets "Musik" zu haben. Hosted einmal monatlich die Sendung "Subtext on Air" auf Radio FRO, ist bei mehreren Kulturinitiativen und in einer Band aktiv.