Tonfabrik: nicht unbedingt wohlerzogen!

„Spiel nicht mit den Stahlstadtkindern!“ – der Pressetext zum neuen Release der Linzer Formation Tonfabrik schlägt gleich mal rauhe Töne an. „Wohlerzogen“ nennt sich das Werk, welches am 14. September das Licht der hiesigen Musikwelt entdeckt. Bei näherem Hineinhören befinden wir: nein, musikalisch „Wohlerzogen“ sind die drei Herren aus der Stahlstadt mit Sicherheit nicht! 

„Ein Potpourri aus Rebellion, Alltag, Stahlstadtkult und Nostalgie.“ So charaktarisiert sich das Linzer Trio Christoph Leitner-Kastenhuber (Gitarre, Stimme), Michael Jakobi (Bass) und Friedolin Baumann (Drums), besser bekannt als Tonfabrik.

Pop aus der Stahlstadt: Tonfabrik

Lange hats gedauert mit dem Release, ja. Auftritte etwa im Posthof im Rahmen des Lautstark!-Musikcontests hatten Gusto auf die musikgewordenen Stahlstadtkinder-Geschichten gemacht. Mit „Wohlerzogen“ erscheint auf Konkord Records nun das zwölf Tracks umfassende Werk. Wie das klingt? Ein bisschen Element of Crime, ein bisschen Rebellion, ein bisschen Alt-Rock deutscher Schule. Ein Blatt vor den Mund nehmen sich Tonfabrik auf ihrer Platte sicher nicht: Stahlstadt-Hommagen wie „Willst du was werden“ – jetzt egal ob in Berlin, Amsterdam oder Wien – treffen auf politisch aktueller denn je scheinende Tracks wie „Ampelmann“, das mit dem Motto „Bleib Dumm“ wohl einiges zu charaktarisieren versucht, was nach Ansicht der Band derzeit hierzulande falsch läuft. Das ganze rumpelt daneben angenehm Noise-angehaucht dahin, dass es eine musikalische Freude ist.

Daneben finden sich auch klassischere Pop-Tracks wie „Bourgeoise“ – eine Hymne an die Bobo-Kultur, die so schräg daherkommt, dass es schon wieder eine Freude ist. Klassischer Pop mit einer gelungenen Prise Ironie, wie wir finden. Oder, anders gesagt: dreieinhalb Minuten Ausflug in die Absurdität. Ebenso absurd: „Kraftfahrzeug“, ein Track, der wohl auch nur in der Stadt Linz der wohl politischste Track der Platte zu sein scheint. Man könnte den Track auch als „Ode an das Urfahranermarktgelände“ bezeichnen.

Dass Tonfabrik aber auch ernsthafte, melancholische Züge in ihrem Repertoire haben, beweist „Der letzte Zug“. Sven Regener wäre sicher auch für diesen Track zu haben, nicht nur, weil der Track stark in Richtung des großen Vorbildes geht. Nachdenklich wird es, wenn es dann um Vergänglichkeit, wie in „Falten“ geht. Eine popkulturelle Achterbahnfahrt nach der Stau-Hymne vorhin. Der Hörer wird danach politisch entlassen: mit einer Huldigung an den Partisanen „Johnny“, dem den Spagat der Platte sehr gut schaffenden „Wer Kämpft, Der Kann Verlieren“ oder dem heimlichen Favoriten der Platte, „Ich habe euch so satt“.

Tonfabrik liefern mit „Wohlerzogen“ eine sehr solide Platte ab. Eine Pop-Platte, wie man sie in Linz anno 2018 wohl kein zweites Mal finden wird. Eine Platte, die den Spagat zwischen Politisch und Emotion – wobei, gehört das nicht von Vornherein zusammen – sehr gut schafft, und sich kein Füllmaterial leistet. Eine Platte, die man dem gemeinen Linzer Musikfan gerne empfehlen darf!

„Wohlerzogen“ erscheint am 14.9. bei Konkord Records. Releasekonzert am selben Tag in der Stadtwerkstatt. Weitere Termine: 

17.10.2018: Fluc, Wien, mit Diamond Seas und Moll, 21 Uhr
20.10.2018: Vinyl & Music Festival, Tabakfabrik Linz, 18 Uhr
03.11.2018: Ahoi! Pop 2018, Posthof, Linz, mit Steaming Satellites, Drangsal und  Cosmo Sheldrake, 20 Uhr
25.1.2019: Qlash Wohnzimmerkonzert, Linz
Mehr Infos auf Facebook

Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.