Zum 24. Mal: Happy Birthday, FM4!

„The Greatest Radio Show on Earth“ – zumindest wenn es um österreichische Musik geht, stimmt das auch: denn Radio FM4 sendet seit mittlerweile 24 Jahren abseits des Mainstreams. Bereits traditionell wird deshalb auch im Jänner zur großen Geburtstagssause geladen. In der rappelvollen Ottakringer Brauerei kamen Musikfans am vergangenen Samstag auf ihre Kosten. Denn das Programm war ein durchaus abwechslungsreiches. 

Elf Bands, drei Floors, eine Brauerei, damit auch annehmbares Bier: das FM4 Geburstagsfest hat sich nach dem Umzug aus der kalten Eiskasten-Open-Air-Arena in den letzten Jahren gut in der Ottakringer Brauerei eingelebt. Mit dem Publikum feiern – das Motto hinter der großen Geburstagssause. Genretechnisch abwechslungsreich war dann auch für jeden Besucher etwas dabei. Auch wir wagten einen breiten Streifzug durch „Wohnzimmer“ (Main Floor), „Keller“ (zweiter Main Floor) und „Badezimmer“ (passenderweise mit Bar). Den Anfang machten „Pauls Jets“ im für diese Zeit schon sehr, sehr gut gefüllten Wohnzimmer. „Laute, schreckliche, elektrische Musik“ macht das Wiener Trio in Eigendefinition – nunja, laut wars, elektrisch auch, schrecklich? Nicht unbedingt. Denn es tut gut, wenn im deutschsprachigen Indie-Pop wieder mehr Vertreter zu finden sind, ist der Void hinter Ja, Panik doch ein sehr großer. Die Fußstapfen sind zwar noch groß, aber die ersten Schritte sind bekanntlich ja immer die schwierigsten.

Für uns ging es allerdings weiter in den Keller: Wargirl standen dort auf der Bühne. Und wie sie das taten – die Band aus Long Beach legte einen furiosen Auftritt hin. Garage Rock, Soul, Concious Rap – alles kann man finden. Die gleichnamige Debutplatte von Wargirl kann man übrigens auch uneingeschränkt empfehlen – und eine Band, die es bereits um halb Zehn am Abend schafft, Gänsehaut zu verursachen, hat hier definitiv neue Fans gewonnen. Danach: auf ins Wohnzimmer – stand doch einer der Acts auf der Bühne, der uns wohl mit am öftesten über die Leber, pardon, über den Weg läuft. Erwin & Edwin, jetzt fix mit Alix an den Vocals. Dass sie eine Halle abreißen können? Klar. Dass zu neuem Material auch ausgiebigst getanzt wird? Auch klar. Mit Alix als Full-Time-MC wirkt das ganze Spektakel dann aber noch etwas durchdachter und etwas mehr aus einem Guss – und zumindest in der Ottakringer Brauerei dürfte der HC-Strache-Wähleranteil sicher nicht gestiegen sein.

Weiter unten im Keller – der Weg ins Badezimmer war dann leider doch zu bummvoll – gabs dann eine Portion Girl, sorry, GRRL-Rock. Gurr aus (mittlerweile) Berlin standen auf der Bühne, und strahlten eine gehörige Portion feministische Power ins Publikum ab. Garage Rock, Feminismus, eine performancetechnische Explosion – hatten wir anfangs noch die Angst, nach der Erwin&Edwin’schen Brass-Ekstase alle Energie verloren zu haben, wurden wir eines besseren belehrt. Denn Gurr locken auch noch versteckte Energien hervor – dem lauten Jubeln in den ersten Reihen nach zu urteilen dürfte es auch dem restlichen Publikum so gegangen sein.

Nach einer hopfenblütenteeigen Auszeit dann das überraschende Highlight des Abends im Badezimmer. Denn At Pavillon bewiesen, dass sie zu den Artists gehören, die hierzulande heuer wohl am steilsten durchstarten werden. Am Freitag erscheint ihr neues Werk, „Believe Us“, wie es passenderweise heißt. Indie-Rock, Disco, Tanzen, Glückliche Gesichter, Rampensäue auf der Bühne – At Pavillon in einem Satz zusammengefasst. Wer sie auf der kommenden Tour erleben kann, sollte das tun: die Probleme des Alltags kann man hier mit Sicherheit vergessen.

Cosmo Sheldrake wiederum kennt man bereits, denn der gebürtige Londoner ist mit seinem Album „The Much Much How How and I“ ist durch die Decke gegangen. Spätestens nach den ersten Takten von „The Moss“ hat der Multiinstrumentalist, der alltägliche Sounds in seinen Tracks verarbeitet, das Publikum in der Hand. Es folgt eine Stunde beste Unterhaltung, wenngleich auch ein unglaublich großer Kontrast zu den gesehenen Bands davor. Aber das ist wohl auch das, was das FM4 Geburtstagsfest so spannend macht – im Falle von Cosmo Sheldrake abgesehen von einigen wenigen, die trotz gekaufter Tickets ob der Überfüllung der Ottakringer Brauerei zu diesem Zeitpunkt leider noch draußen warten mussten.

Danach wohl DIE Entscheidung des Abends (neben der, sich noch ein Bier zu gönnen): welchen Headliner will man sehen? Trettmann oder Moop Mama? Als notorischer Trap-Verweigerer eine leichte Entscheidung, zumindest für uns. Denn bei der Münchner Brass-Kapelle kann man live nix falsch machen, so auch dieses Mal. Keno als MC in Hochform (Stagedive inklusive), mit aktuellem Album „Ich“ auf Tour. Der Höhepunkt? Klar bei „Molotow“, aber auch der Rest des gut einstündigen Sets konnte sich für diese späte Stunde hören lassen. Das dürften auch Moop Mama so gesehen haben, zumindest den zufriedenen Gesichtern nach zu urteilen. Bald übrigens wieder in Österreich: wir sehen uns im Posthof!

Uns bleibt zu sagen: coole Location, angenehm voll,  manchmal auf einzelnen Floors übervoll, musikalisch gesehen ein Abend zum Niederknien. Happy Birthday, FM4!

Foto: Christoph Thorwartl

Musik-Nerd mit Faible für Post-Ehalles. Vinyl-Sammler. Konzertfotograf mit Leidenschaft, gerne auch analog. Biertrinker. Eishockeyfan. "Systemerhaltende" Krankenschwester - wohl auch deshalb manchmal (zu) zynisch.