Ransmayr & Ostertag: „Schäxpir ist ein Ort, an dem Fragen verhandelt werden“

„Multiversum. Alles ist echt“ lautet das Motto des zehnten Schäxpir-Festivals, das in rund zwei Wochen in Linzer Kultureinrichtungen auf dem Programm steht. Was sich Besucher*innen darunter vorstellen dürfen, hat subtext.at bei den Künstlerischen Leiterinnen Julia Ransmayr und Sara Ostertag nachgefragt. Redakteurin Katharina hat die beiden zu einem Gespräch über ihre kreative Arbeit, persönliche Festivalhighlights und Schäxpir als Green Event getroffen.

subtext.at: Welche Arbeitsbereiche finden Sie besonders spannend als Künstlerische Leiterinnen des Schäxpir-Festivals?
Julia Ransmayr: Ein Schwerpunkt ist natürlich die Stückauswahl, also welche Stücke man von welchen Künstler*innen findet, weil man damit schon eine Aussage tätigt. Was für Leute man grundsätzlich einlädt, wo die herkommen, welche Theatersprache sie sprechen. Das ist sicher einer der relevantesten Bereiche.
Sara Ostertag: Es ist ein total gestaltender Beruf und man kann jeglichen Inhalt generieren, vom Programm bis hin zu dem, was man damit transportiert, welche Inhalte man in Linz und in Oberösterreich setzt. Was Theater sein kann, was man für ein Kunst- und Gesellschaftsverständnis hat. Das ist ein großartiger Aspekt.

subtext.at: Welches Verständnis hat das Schäxpir-Festival von Kunst und Gesellschaft?
Sara Ostertag: Das Schäxpir-Festival zeichnet sich dadurch aus, dass es den Puls vorgibt und herausfordernd Grenzen verschiebt – sowohl innerhalb von klassischen Theaterbegriffen als auch vom Kunstbegriff generell. Es ist ein sehr verbindendes Format und ein Impulsgeber. Es ist schon so gedacht, dass man neue Impulse setzen will für alle jungen Menschen und auch alle Menschen, die zu uns kommen.

subtext.at: Das Schäxpir-Festival findet heuer von 24. bis 30. Juni statt. Wann haben Sie mit der Organisation begonnen?
Julia Ransmayr: Der Part der inhaltlichen Gestaltung und Leitung hört nie auf eigentlich. Wir sind permanent im Tun, im Sichten, wir suchen, wir erleben. Grundsätzlich kann man sagen, dass der Vorlauf schon so eineinhalb Jahre vorher beginnt. Die Organisationsphase mit Produktionsteam beginnt ein Jahr vorher.

subtext.at: Haben sich bei der Organisation Herausforderungen gestellt?
Julia Ransmayr: Ein Festival ist natürlich immer eine besondere Herausforderung und es ist ein sehr großes Ereignis mit sehr vielen Institutionen und Verschiedenheiten, die man zusammenführen muss. Sehr viele Menschen, die beteiligt sind. Kunstwelten in einem Ausnahmezustand gemeinsam zu generieren ist generell eine Herausforderung. Aber wir meistern sie alle.

subtext.at: „Multiversum. Alles ist echt“ lautet das diesjährige Motto. Wie ist die Idee dazu entstanden?
Sara Ostertag: Wir haben versucht einen Begriff zu finden, der nicht komplett einschränkt, bei dem man sehr unterschiedliche Formate und Fragen finden kann. Aber auf der anderen Seite schon auch einen politischen Begriff, wo man klar definiert, dass man für Vielfalt und für eine Welt ohne Grenzsetzungen steht. Dass man Kunst sucht, die genreübergreifend funktioniert und immer die Vielfalt des Daseins widerspiegelt, nicht die Einschränkung.

subtext.at: Was können sich die Besucher*innen unter dem Motto vorstellen?
Julia Ransmayr: Das Multiversum spiegelt zum Jubiläum die Vielzahl der verschiedenen Festivals und die Vielfalt der einzelnen Stücke wider. Es sind viele Universen vereint. Die vielen Erfahrungswelten, die für Besucher*innen dadurch erfahrbar werden, spiegeln sich auch wider. Es ist also egal, wie Theater passiert, mit welchen Mitteln es entsteht oder wie es erzeugt wird. Aber die Erfahrungen, die man dabei hat, sind so vielfältig und verschieden, aber dafür eben auch echt als Kunsterfahrung, die bei der*dem Besucher*in ankommt.

subtext.at: Was sind Ihre persönlichen Highlights auf dem Festival?
Sara Ostertag: Es gibt ein Stück, das sicher sehr interessant ist anzuschauen. Das ist eine Koproduktion von uns und heißt „Das Space Maze Game“. Das ist eine Grazer Gruppe, die letztes Jahr schon da war. Das ist fast wie ein Rollenspiel, ein interaktives Stück. Dann gibt es eine sehr besondere Produktion aus Belgien. Die heißt „The only way is up“. Das ist eigentlich ein Konzert von zwei elektronischen Musikern, die aber gleichzeitig auch über das Musik machen an sich erzählen. Und Freundschaft – zwischen ihnen und auch unter Musiker*innen. Das ist ein besonderes Format. Ich glaube das sind zwei Stücke, die ich besonders spannend finde. Dann gibt es auch noch eine schöne, sehr simple Produktion. Das ist so richtig Sprechtheater und heißt „Mongos“ – ein Titel, über den man streiten kann. Es ist ein Zweipersonenstück aus Graz und Mannheim. Das ist ein sehr feines, simpel erzähltes Jugendtheaterstück über das Dazugehören Wollen.

subtext.at: Auf der Webseite ist zu lesen, dass Schäxpir ein Green Event ist. Seit wann ist das so und welche konkreten Maßnahmen werden gesetzt?
Julia Ransmayr: Das erste Green Event- also zertifiziert, wir haben auch zuvor darauf geachtet – war 2015. Wir setzen E-Fahrzeuge als Shuttlefahrzeuge ein, nutzen viele Fahrräder, die Flyer werden mit einem Lastenfahrrad ausgetragen. Wir verwenden kaum Plastik am ganzen Festival – kein Plastikgeschirr, keine Becher. Das ist so die Herangehensweise, die wir haben. Auch Papierdrucksorten. Es zieht sich durch alle Bereiche.

subtext.at: Haben Sie bereits Reaktionen darauf erhalten?
Julia Ransmayr: Grundsätzlich ist es total positiv aufgenommen worden. Das finde ich umso positiver, dass man Schäxpir offenbar immer in dieser Form wahrgenommen hat. Es war glaube ich nicht überraschend, dass wir uns damit auseinandersetzen. Es ist eigentlich ein Kompliment sozusagen. Wir freuen uns auch über jegliche Anregungen in diese Richtung. Wenn jemand eine Idee hat, wie es noch grüner werden könnte, gerne.

subtext.at: Hat auch die Politik darauf reagiert, dass Schäxpir ein Green Event ist?
Julia Ransmayr: Die haben das grundsätzlich begrüßt, was ich so mitbekommen habe.
Sara Ostertag: Green Events sind wichtig als Zeichensetzung, aber das reicht nicht als politische Maßnahme. Manchmal finde ich verwendet Politik diese Sorte Events ein bisschen als Augenauswischerei, um sich gut hinzustellen. Um zu sagen, man macht ja eh diese Dinge. Und die effektiven Maßnahmen, die wirklich flächendeckend etwas bringen würden, werden nicht gesetzt. Daher finde ich es wichtig, dass Kulturevents Zeichen setzen. An sich ist Theater aber etwas, das total unökologisch ist. Das ist verschwenderisch und ineffizient. Das muss man auch wissen als Macher*in und Zuseher*in finde ich. Aber das ist eine total spannende Frage, was ökologisch vertretbares Theater wäre, oder Kunst. Und ist das sinnvoll? Diese Fragen könnte man sich viel mehr stellen.
Julia Ransmayr: Die Frage, was ist ein nachhaltiger Arbeitsalltag. Das sind spannende Fragen, die man sich in der Kunst stellt, aber noch viel mehr stellen könnte. Zum Beispiel bei Materialien.

subtext.at: Abschließend: Sollten sich Interessierte Ihrer Einschätzung nach beeilen, Karten zu bekommen oder wird das auch kurzfristig noch möglich sein?
Sara Ostertag: Man sollte sich generell beeilen, wenn man etwas sehen will, weil es immer Stücke gibt, die sehr schnell und auch jetzt schon beinahe ausverkauft sind. Aber es lohnt sich immer hinzugehen; vor Ort zu schauen, ob man noch einen Platz erwischt. Die Erfahrung zeigt, dass es doch immer wieder den ein oder die andere gibt, der*die seinen*ihren Platz nicht aufsucht.
Julia Ransmayr: Wir freuen uns total über Laufpublikum, weil wir generell ein Schulklassenpublikum haben, das sich im Voraus organisiert. Aber wir würden es total gut finden, wenn Leute, die nicht auch selbst Kinder haben, spontan etwas ansehen kommen. Es gibt auch einen Festivalpass, mit dem man sich über die Woche spontan ein paar Stücke ansehen kann. Damit kann man sich 15 Stücke aussuchen, bei denen man auch einen Platz hat.
Sara Ostertag: Für den Rest kann man spontan hingehen. Insgesamt ist es wertvoll, dass es Festivals wie Schäxpir gibt. Wenn man sich den Kulturmarkt ansieht, dann schrumpft der. Es ist wichtig, dass es noch so großflächige Festivals gibt, weil Festivals, die sich im Bereich Jugendkultur aufhalten, sich mit zukunftsweisenden Inhalten beschäftigen. Und wenn man sich die Klimaschutzbewegung ansieht, das sind vornehmlich Menschen unter 25. Gerade mit ihnen kommunizieren wir. Das sind Menschen, die wir versuchen zu vertreten und zu fördern, und mit denen wir uns auch solidarisieren. Ich glaube man kann sagen, dass Schäxpir ein Ort ist, an dem Fragen verhandelt werden, die wirklich die Leute verhandeln, die den Planeten auch noch in den nächsten 50, 60 Jahren bewohnen werden im Gegensatz zu anderen Leuten, die sich wahrscheinlich nicht mehr so lange hier aufhalten werden.
Julia Ransmayr: Und es ist auch für die Kultur in Linz und Oberösterreich wichtig und schön, dass sich die Initiativen auf diese Art und Weise anders vernetzen. Dass man eine Öffnung hat, zusammenarbeitet, gemeinsam denkt und sich diesen Fragen stellt, die man miteinander verhandelt.

Bild: Stück „Homo deus Frankenstein Roboter“, Fotograf: Phile Deprez
Mehr Infos zu Schäxpir 2019 findet ihr hier!

Katharina ist Sozialwissenschaftlerin und Redakteurin. Sie beschäftigt sich vor allem mit gesellschaftlichen (z.B. frauenpolitischen) und kulturellen (z.B. Film, Theater, Literatur) Themen. Zum Ausgleich schreibt sie in ihrer Freizeit gerne literarische Texte: https://wortfetzereien.wordpress.com/